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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PränumcrationS- vrei« 22j Sgr. Mir.) vierteljährlich, 3 Thaler für dnS ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Maga;«» für die Man pränumerirt aus diese« Beiblatt der Allg.Pr. Staats- Zeitung in Berlin in der Expedition iMohren - Straße Nr. 34); in der Provinz so wie im Auslande bei den. Wohllöbl. Poft - Aemtern.. Literatur des Auslandes. 118. Berlin, Mittwoch den 2. Oktober 1833. Griechenland. Constantin Canaris. So verschieden auch die Unheils über den Charakier der Grie chen und Türken ausfallen, und so manche Glimmen sich zu Gun sten der Letzteren erklärt haben mögen, so wird doch von Niemanden bestritten, daß während des Griechischen Freibcilskampfe« nicht wenige der Ersteren sich durch Patriotismus, ausgezeichneten Muth und gänz liche Hingebung für das Vaterland, dem sie Habe und Gut und ost ihr Leben selbst zum Opfer brachten, Ansprüche ans unsere höchste Achtung und Bewunderung erwarben. Emer der ausgezeichnetsten dieser Helden ist Constantin Canaris, dessen Geschichte wir hier in der Kürze erzählen wollen, und zwar beinahe mit seinen eigenen Worte». Wir müssen die Bemerkung voranschicken, daß zu der Zeit, von der wir reden, die Griechische Flotte aus ungefähr 180 Schiffen von verschiedener Größe bestand und mit 15 — 20,000 Seeleuten be mannt war. Diese Schisse waren hauptsächlich von unternehmenden Einwohnern von Hydra, Spezzia, Psara und Samos ausgerüstet worden; allein, trotz des Aufhebens, das man von den Großlhaten der Griechen zur See machte, waren sie doch nicht viel bedeutender, als die der Türken, welche, als Seemacht, vielleicht die erbärmlichsten Feinde sind, die das Meer tragt. Statt einem bestimmten Opcra- tionSplan zu folgen, ergab sich die Marine der Patrioten nur der Seeräuberei und kannte keine andere Weise, der Seemacht der un- behutsamen Türken Abbruch zu thun, als durch Brander. Das schauderhafte Gemetzel zu Scio, im Sommer 1822, hatte alle Griechen, die in der Nachbarschaft kreuzten, mit Wuth und Rachbegicrde erfüllt; allein die Anführer scheinen dieses Gefühl nicht getheilt zu haben, wenn wir nach ihrer unverantwortliche» Unthättg- keit urtheile» dürfen. Nur Canaris war es Vorbehalten, an dem unmcnschhche» Mordgesindel einige Vergeltung zu üben. Gegen das Ende des Ramadan kehrte das Griechische Geschwa der nach seinen verschiedene» Hafen zurück, ohne irgend einen ernst lichen Versuch gemacht zu haben, die Türkische Flotte zu Scio anzu- greiscu, obgleich es in dieser Absicht zweimal in die Straße einge- drungen war, welche diese Insel von Kleinasien trennt. Beim zwei ten Mal war eS, daß Canaris, als er de» Feind auf dem Rückzug aus den Augen verlor, zuerst der Gedanke ankam, daß man nicht Alles gelhan habe, was man hätte tbun könne», und daß es ihm vielleicht gelingen möchte, auf eigene Hand, durch Ucbcrsall, einige der feindlichen Schiffe zu zerstören. Auf dem Vcrdcck hin- und hcr- schrciicnd, entwarf er seinen Plan, und unmittelbar nach seiner An kunft zu Psara machte er seinem Oberen den Antrag, der mit Beifall ausgenommen «nd genehmigt wurde. Canaris hatte früher den Brander ,,Platoff" kommandirt und sich bereits vonbeilhaft ausgezeichnet. Bei dem Rückzug durch die Meerenge von Spalmador ließ er vorsätzlich alle seine Gefährten voranscgeln und war der letzte, der die Meerenge verließ, um, wie er sagte, den Rückzug der Flotte zu decken. Hier batte er Gelegen heit, die Schwerfälligkeit der größeren feindlichen Schiffe zu bemer ken, und von diesem Augenblick an war er so vollkommen von dein Gelingen seines Vorhabens überzeugt, daß er beschloß, es ans jede Gefahr zu wagen, obgleich zwei andere Schiffe, unter dem Kommando des Nicolao Äpostolo, Sohnes des Admirals, kurz vorher in dem Versuche gescheitert waren, weil sie zu früh in Brand gcriclhcn. Als der Capitain einer Hydriotischcn Brigg, Andrea Pepino, Canaris' Vorhaben vernahm, bot er ihm freiwillig seine Dienste an, welche dieser gern annahm. Ihre Schiffe wurden sorgfältig zu dem mörderischen Unternehmen ausgerüstet und jedes derselben mit eiiicr Besatzung von 23 auserlesenen Seeleuten bemannt. Die Brennma- terialien waren von der entzündbarsten und unauslöschlichficu Gat tung, und zwei große schnellruderige Böte wurden ihnen bcigcgebe», um'ihre Flucht'„ns denselben zu bewerkstelligen. So ausgerüstet, segelten sie nach dem Hafen Kaloni in Mvtilene, um dort vermöge seiner vorthesthaften Lage im Norden von Scio den ersten günstigen Wind abzuwartcn, ihr Vorhaben zu vollbringen, und auch um weni ger Verdacht zu erregen, wenn sie von dieser Seile kämen. Der wechselnden Winde wegen brachten sic drei Tage aus der Fahrt nach Kaloni zu, während welcher sie sich die Zeit mit Fischen und allerlei Spielen zu vertreiben suchten. Mittwoch, den 19. Juni, segelten sic mit einem günstigen Nord- Dstwind gerade auf die Insel Spalmador zu, in der Absicht, die Meerenge von Scio wo möglich kurz nach der einsallende» Dämme rung zu gewinne». Al« sie sich Spalmador näherten, erblickten sie die Türtischen Wachschiffe, fünf Segel stark (drei Briggs und zwei Schoner), welche nördlich von der Insel kreuzten, worauf sic ihre Schiffe wendeten, als wenn sie nach Smyrna wollten; doch hielte» sie die Segcl kurz, um so langsam als möglich zu fahren. Diese Täuschung gelang vollkommen; denn so wenig verstanden die Türken ihre Pflicht als Kreuzer, daß sie keine Anstalt machten, ihnen zu folge». Doch es zeigte sich eine andere Schwierigkeit. Sie erblickten rin Englische« Kriegsschiff, welches nach der Meerenge zustcucrtc, und Canaris kannte zu gut die Wachsamkeit Britischer Seeleute. Er war daher in der wiewohl gefährlichen Notbwcndigkeit, seine Farben ausjuziehcn, zog sie aber sobald als möglich wieder ein, damit sie nicht von den Türken gesehen würden. Mit Sonnenuntergang hatte er die Türken bei Karabona aus dem Gesichte verloren, worauf er seinen Lauf wieder änderte und das Kap umsegelte; dabei hielt er sich möglichst nahe an da« feste Land. Als er sich dem Eingänge der Meerenge näherte, ließ der Wind nach, und gegen 10 Uhr trat beinahe gänzliche Windstille ein. Pepino, der Hvdriottsche Capitain, ries ihn jetzt an, mit der Frage: „Was denkt Ihr zu tbun, haltet Ihr cs jetzt für sicher, weiter zu fahren? Wir haben fast keinen Wind. Wäre es nicht klüger, es für diese Nacht aufzugeben und eine bessere Gelegenheit abzuwarten? Wenn unS innerhalb Ler Inseln die Windstille überfällt, so fragt es sich sehr, ob wir wieder hinauskönncn." Allein Canaris antwortete mit kübnem Muche: „Es ist nichts zu fürchten. Wir werden bald einen Windstoß bekommen, und noch haben wir einige Zeit bis Ta gesanbruch übrig." Kurz darauf ries ihn der Hydrioie nochmals an, mit dem nämlichen Ansinnen, worauf er mit etwas scharfem Tone antwortete: „Ich bin cntsckloffen, vorwärts zu gehen, es komme wie e« wolle. Entweder icb vollbringe da« Wert jetzt oder nie." Einige von Canaris' Mannschaft wurden jetzt auch mißgestimmt, und da er sie unter sich murmeln hörte von der Gefahr, gefangen zu werden, und daß e« besser wäre, den Versuch in einer anderen Nacht zu wa gen, ries er sie auf den Hintertbeil des Schiffe« und warf ihnen ihren Wankelmut!) vor. „Habe ich Euch aufgcfordcrt, mit mir zu kommen", fragte er, „war e« nicht Eure eigene Wahl, batet Ihr mich nicht, Euch mitzunehmen? Wenn Ihr der Sache jetzt schon müde scvd und gern nach Hause wollt, so ihätel ihr am besten, über Bord zu springen, dann seyd Ihr mit einem Male davon. Und wenn Euch das nicht gesällt, so erkläre ich Euch, daß Ihr alle unter meinem Kommando steht, und daß, wenn Einer von Euch cs wagt, den Mund gegen mein Vorhaben aufzuthun, ich ihm aus der Stelle die Kehle abschneide." Von diesem Augenblick au verhielten sie sich ruhig und befolgten seine Befehle blindlings. Als er sich der Insel Hippo näherte, bemerkte er die fünf Wacht- schiffe unter dem Winde der Insel, mit dem linken Bord gerade ge gen das Festland gekehrt. Aus der entgegengesetzten Seite zeigte sich ein großes Schiff in der Mitte des Kanals. Dieses Schiff hing ein Licht aus, was von den anderen beantwortet wurde, indem jedes von ihnen ebenfalls eines aushing. Diese« war ein kritischer Augen blick. Canaris zog seine Raacn an und hielt sie so kurz, al« der Wind eS nur zulasten wollte, gegen die Türken gewendet, damit sie ibn nicht sehen möchten. Da da« Land luer sehr hoch war, so ge lang es ihm, indem er dicht daran hinfuhr, unbemerkt vorbei zu kommen, und ein frischer Wind, der sich erhob, brachte ihn bald aus ihrem Gesichte. Windwärts von der Insel Hippo zieht sich, da« Laud bis nach ciner niedrigen Spitze bin, welcher gegenüber eine Sandbank liegt; an dieser fuhr er hin, so nabe als c« da« Senkblei gestalten wollte, und al« er sie umschifft hatte, zog er alle Segel auf und steuerte gerade aus Ecio los. Ais er über die Mitte des Kanals hinaus war, erblickte er die Türkische Flotte hell erleuchtet zur Feier de« Bairam. „Sehet, Zungen", rief er seiner Mannschaft zu, „diese Schufte sollen bester Licht haben, ehe die Feste vorüber sind." Allein der größte Theil dec Flotte befand sich an seiner Windseite, weil der Wind mehr nordwestlich von den Hügeln von Scio Herwehtc. Die« war ein unglücklicher Umstand, denn Canaris batte von der Sand bank ab sich so gewendet, daß er der ganzen Flotte unter den Wind zu kommen dachte, um von da aus sich seinen Gegenstand auszusu- che». Zwei der größten Schiffe, die am meisten windwärts lagen, waren indeß noch immer in seinem Bereich. Er fuhr auf sie los, und die Schiffe, der Wachsamkeit ihrer Kreuzer vertrauend, hatten nichts Arges und hielten sie für Schiffe von ibrcr eigenen Flotte^ Es war ungefähr 2 Uhr Morgen«, al« das nächste von den beider^