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76 C. Haberland: Das Brot im Volksglauben. im Allgemeinen ähnlichen Bedingungen organisches Leben möglich ist. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß auch für diese Organismen dereinst große zusammengehörige Formen gebiete erkannt werden, deren Grenzen aber wohl sicher nicht durch Länder, Erdtheile und Meere, sondern vielleicht lediglich durch veränderte klimatische Einflüsse beherrscht werden. Ebenso wenig können wir als Grund gegen die An nahme, daß der Passatstaub des Dunkelmeeres aus der Sahara stamme, den Einwand Ehrenberg's anerkennen, daß die weiten Flächen der wasserlossen Wüste wenig organisches Leben ermöglichen und namentlich nicht die zahlreichen Süß wasserformen erzeugen können, die in dem Passatstaube des Dunkelmeeres enthalten seien. Der im Sommer von der Sahara kommende starke und stetige Landwind, der „Har- mattan", weht nicht nur über wasserlose Wüsten, sondern, namentlich gegen die Küste hin, über Gebiete mit reichem Pflanzen- und Thierleben, vornehmlich an dem Theile der Küste des Dunkelmeeres, an welchem bisher die meisten Staubfälle beobachtet worden sind. Genug, wenn wir auch den bedeutenden, durch eine lange Reihe von Jahren fortgesetzten Forschungen Ehren berg's über den Passatstaub, namentlich den mit eisernem Fleiße von ihm gesammelten Materialien, die vielleicht kommenden Geschlechtern noch als reiche Quelle weiterer Untersuchung dienen werden, unsere Bewunderung zollen müssen, so können wir doch seiner Ansicht über die Entstehung des „Passatstauhes" nicht zustimmen, vielmehr scheint die natürlichste Erklärung für den Ursprung desselben und der Staubfälle iu der Nordostpassatregion des Atlantischen Oceans resp. im sogenannten Dunkelmeere in der Annahme zu liegen, daß dieser Staub und die von ihm ge tragenen Organismen aus der westlichen Sa hara und den Küstengebieten Westafrikas stam men und durch den „Harmattan" dem Nordost passat zugcführt werden. Das Brot im Volksglauben. Von C. Haberland. I. Im deutschen Aberglauben erscheint das Brot, die Gabe Gottes schlechthin, als symbolischer Inbegriff der Nah rung überhaupt, und als solcher vereinigt cs in sich auch alle Kräfte derselben; die belebende, die Unkraft des Kör pers scheuchende, die auch geistig aus den Menschen erhe bend einwirkende Natur der Nahrung erscheint gewisser maßen kondensirt, und daher tritt es sowohl als Heilmittel wie auch als Mittel, gewisse böse Einflüsse namentlich zau berischer Natur abzuwcnden und andererseits bestimmte wohl- thätige Einflüsse auszuüben, im Aberglauben des deutschen wie auch der anderen europäischen Völker vielfach auf. Die heilige Kraft des Brotes äußert sich nun zunächst darin, daß dieses gleich anderen heiligen Gegenständen der Hexe, bei deren Zusammenkünften es daher auch verpönt ist r), oder dem Aauberkundigcn die Kraft zum Schaden nimmt und den schon geschehenen Zauber selbst wirkungslos macht. Der Tiroler Senne reicht, wenn ihn jemand um Schmalz bittet, und er die Absicht vermuthet, daß es um ihn in der Schmalzbereitung zu hindern benutzt werden soll, ihm dasselbe aus einem Stück Brot, und jede Macht den Zauber auszuüben ist damit vernichtet?). Aus demselben Grunde läßt man in der Gegend von Schwerin, wenn der Hochzeitszug aus der Kirche zurückgekehrt ist, niemanden ins Haus, welcher nicht vorher einen angebotenen Bissen Schwarzbrot und einen Schluck Wasser genossen hat "). Hat man Brot im Sack bei sich, dann ist man sicher vor den Tücken der alten Weiber, welche einem begegnen, sogar die Hunde sollen Kinder nicht anbellen, wenn sie Brot mit sich nehmen 4); auch das wilde Heer vermag demjenigen nicht zu schaden, welcher ein Stück Brot bei sich HM). Brot, Hund und Feuerstahl oder Messer erscheinen mehr fach in dieser Zusammenstellung in den Sagen als böse Geister und Gespenster hindernd, dem Träger ein Leid zuzufügen; fchon der bloße Ruf: „Zum Teufel, drei Brote habe ich bei mir!" befreit in einer Aargauer Sage einen Mann von einer ihn zu einem Hexenplatze ziehenden unheim lichen Gewalt"). Daher ist es auch erklärlich, wie dies eine andere Aargauer Sage erzählt, daß das erste Verlan gen eines von wilden Geistern wahnsinnig gejagten alten Mannes, als er wieder zu den Seinen kommt, Brot zu essen war, um die Teufelswirkung aufzuheben ^). Durch einfaches Vergraben eines Stückchen Brotes wird sogar eine bei Tegerfeldcn in der Schweiz liegende, von den He xen zum Tanzen benutzte Wiese, welche daher kein Gras mehr tragen wollte, von dem dortigen Nachtwächter, welcher sie gepachtet hatte, wieder fruchtbar gemacht"). Trägt man beim Schatzgraben Brot bei sich, dann können die bösen Geister nicht schaden"); ferner hilft es in diesem Falle das Verschwinden des Schatzes zu verhindern, wenn man schnell ein Stückchen davon auf denselben wirft"). Vielleicht hatte auch das Legen einiger Brotkrumen nebst Dill und Dost aus den Teller, auf welchem das Geld für die Bräute in Lerbach gesammelt wurde"), einen ver wandten Zweck. — Brosamen auf die Wannen und das Laub des ihre Schätze bei der Ruine Königstein bei Aarau sonnenden Burgjungfräuleins geworfen, läßt diese Wannen und Laub zu Gold sür den glücklichen Finder werden"). In einer andern Aargauer Sage will ein Knabe dem Hunde, welcher zwei von einer Jungfrau ausgeschüttete Bohnenhaufen bewacht, einen Bissen von seinem Brote zur Beruhigung ins Maul werfen, das Brot trifft aber zufällig den einen Haufen, und die dadurch ihrer Erlösung näher gebrachte Jungfrau schenkt den Ellern die beiden Bohnen haufen, welche sich in Gold und Silber verwandeln"). Dreht man, wenn eine Hexe in der Stube ist, das Brot im Tischkasten herum, dann kann sic nicht wieder zur Stube hinaus "), und jedenfalls hält dieses Hexenschutzcs wegen auch der Böhme darauf, daß stets des Nachts ein Brot im Hause ist "), wie gleichfalls die deutsche Vorschrift, sogleich beim Tischdecken ein Brot aufzulegen"), wohl hierin ihren Grund hat. Der Schweizer legt gern ein Stückchen Brot, Meistcrwurz und etwas geweihtes Wachs als Ge spensterschutz unter die Thürschwelle"); in einer Grau bündner Sage erscheint selbst ein Verkleben des Schlüssel-