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62 Die Chinesen in Victoria. jedes Vordringen über das todte Gebiet zu einer Unmöglich keit; der Weg ist ans seiner ganzen Länge durch die Knochen von Kameelen und Rindern bezeichnet, die hier in Folge von Erschöpfung und Durst oder bei heftigen Gewitter stürmen und Regengüssen umgekommen sind; bei einem der artigen Unwetter, das im April 1881 stattfand, als das letzte Ende eines Cyklon über das Runn hinwegzog, kamen über tausend Stück Rindvieh um. Eine seltsame Erschei nung im Runn ist das Salz, das in einer zwei bis zwölf Zoll starken Schicht den Boden auf einer Strecke von meh reren Miles Ausdehnung bedeckt; es besteht aus sehr harten, schneeweißen Krystallen und ist von scharfem, brennendem Geschmack. Selten schön zeigt sich die Luftspiegelung über dem Runn; sie vergrößert die Gegenstände hier m so er staunlichem Maße, daß beispielsweise ein Wassertrug in der Entfernung einer englischen Meile wie ein zehn bis fünf zehn Fuß hoher Baum erscheint, und ein wilder Esel die Größe eines Elephanten annimmt. Auch jenseit der Sindh-Grenze wurden in Beludschi- stan, Sewestan und im Marri-Gebiete Aufnahmen gemacht. In den heißen Monaten Juni, Juli und August hält es hier ungemein schwer, genaue Beobachtungen anzustellen und schnell zu arbeiten, da die Luft während des größten Theils der Zeit dick und undurchsichtig ist. Das früher bedeutende Sewestan hat sich durch immer weiteres Vordringen der Marri und der Beludschenstämme allmälig so beträchtlich verkleinert, daß Sibi, die Hauptstadt der alten Provinz, nach der diese letztere ja auch benannt wurde, jetzt ganz isolirt und von den Ueberresten ihres alten Ge bietes vollständig getrennt liegt. Das heutige Sewestan kann man geographisch ungefähr als das Gebiet des Nari und seiner Nebenflüsse bezeichnen. Es ist im Wesentlichen ein von wilden, zerklüfteten Gebirgszügen durchsetzter Land strich. Von sehr verschiedener Höhe, steigen die Berge an mehreren Stellen bis zu 10 000 Fuß über dem Meeres spiegel an. In der Nähe der Ebene tritt meist Sandstein zu Tage, weiter hinauf zeigen sich Kalksteinsormationen. Die einzel nen Höhenzüge laufen in vorzugsweise ost-westlicher Rich tung. Einer der hervorragendsten und merkwürdigsten Punkte des Landes ist der Zarghun, der höchste Berg des südlichen Afghanistan, dessen Gipfel sich 11 730 Fnß (engl.) über dem Meeresspiegel erhebt. Er besteht gänzlich aus einem Konglomerat von fest verkitteten, abgerundeten und vom Wasser abgeschliffenen Gerollen. Der obere Theil des Berges zeigt eine allmälige, sanfte Abdachung, ist aber durch gewaltige Spalten und furchtbare Abgründe zer klüftet und zerrissen. Major Beavan, der hier die Auf nahme leitete, sagt von dem Zarghun und seiner Umgebung, ^daß die Schrecken des Ortes jeder Beschreibung spotten, und daß man sich noch am ersten nach Dors's Illustratio nen zur Dante'schen ..Hölle" eine Vorstellung davon machen könne." In den Dera-, Ismail-, Khan- und Bannu-Distrikten war eine mnu^uvur oder Dörferaufnahme-Sektion des Surveh-Departements thätig; Katasteraufnahmen fanden in Mirzapur, Dfchaunpur, Ghazinpur und Ballia in den Nordwestprovinzen, sowie in den Hanthawaddy -, Basiein- und Tharawaddy-Distrikten von Britisch-Birma statt. Die dabei beschäftigten eingeborenen Birmanen zeigten sich ebenso brauchbar und tüchtig, wie die hindostanischen Beamten des Survey Office; Major Sandeman, der mit ihnen gearbeitet hat, glaubt, daß gerade die Birmanen vor zügliche Feldmesser abgeben würden. Die Aufnahmen im Tharawaddy-Distrikte gaben Gelegenheit zu interessanten Bemerkungen über die Kareni, die einen kleinen Theil dieses Gebietes bewohnen. Mr. Talbot giebt an, daß ihre Niederlassungen sich meist in der Nähe der Wälder befinden, denen sie ihre Ländereien dnrch eigene angestrengte Arbeit abgewinnen. In Bezug auf Fleiß, Tüchtigkeit und Zu verlässigkeit sollen sie den Birmanen weit überlegen sein. Die Meisten Kareni, mit denen er in Berührung kam, waren Christen, und zwar gehörten sie ausschließlich dem anabaptistischen Bekenntnisse an. Mr. Talbot, der dem Einfluß dieser reinen einfachen Lehre alle die guten Cha raktereigenschaften zuschreibt, durch welche die Kareni vor den Birmanen sich auszeichnen, erzählt, daß jedes größere Karenidorf eine eigene Kirche besitzt, die an den Wochen tagen als Schullokal benutzt wird. Sämmtliche Mitglieder der Gemeinde, Jung und Alt, versammeln sich Sonntags zu den Gottesdiensten und am Schluffe jedes Tages zu einem gemeinschaftlichen Abendgesange. Der Gottesdienst, der von einem der älteren Gemeindemitglieder geleitet wird, besteht im gemeinsamen Hersagen von Gebeten und Absingen von geistlichen Liedern, die aus dem Englischen in die Karenisprache übersetzt sind. Auch auf die „weltliche", die Schulbildung, wird ein nicht geringer Werth gelegt; kurz, die Kareni stehen nach Talbot's Meinung auf einer viel höhern Stufe als die Mehrzahl ähnlicher Gemeinden im Oberen Indien. Nicht wenig überraschte es ihn anfangs, wenn er Abends durch ein Karenidorf kam, von allen Seiten die Melodien englischer Volkslieder zu vernehmen, die namentlich von den Frauen bei der Arbeit gesungen wurden, und unter denen das alte „Auld Lang Syne" vorzugsweise beliebt schien. Die Chinesen in Victoria. Die Einwanderung der Chinesen in die australische Kolonie Victoria begann im Jahre 1853 nach Entdeckung der Goldfelder. Nach dem im nächsten Jahre aufgenomme nen Census war ihre Zahl bei einer Gesammtbevölkerung von 336 798 schon auf 2000 gestiegen, und viele Schiffe mit zahlreichen Passagieren wurden noch aus China er wartet. Eine so schnelle Vermehrung fing an zu beun ruhigen, und das Parlament votirte eine Chinesenbill, welche am 12. Juni 1855 Gesetzeskraft erhielt. Nach der selben durften die in einen Hafen von Victoria einlaufenden Schiffe auf je zehn Tonnen ihres Gehaltes nur einen Chinefen landen, welcher überdies eine Kopfsteuer von 200 Mark zu erlegen hatte. Aber dies Gesetz wurde dadurch illusorisch, daß die Chinesen in einem Hafen Südaustraliens landeten und dann über Land nach Victoria wanderten. So ward es möglich, daß ihre Zahl trotz der Bill sich nach dem Census vom 29. März 1857 mit 410 766 Seelen aus 25 370 und am Schluffe des Jahres 1859, wo die