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Wöchentlich' erscheinen drei _ - . , Man vrlnumerirt aus diese« Nummern. Pränumeration^ V«) Beiblatt der Lllg.Pr. Staat»- Prei« 22j Sgc. sj Thlr.s v« ' »- - Zeitung in Berlin in der vierteljährlich, 3 Thaler für " Expedition (Mohren - Strafe da« ganze Jahr, ohne Er- Nr. 34); l» der Provinz so Höhung, in allen Theilen ., wie im Auslände bei den der Preußischen Monarchie. fUk dIk Wohllöbl. Post - Aemiern. Literatur des Auslandes. 83. Berlin, Freirag den 12. Zuli 1833. England.' Das Gedächtnis der Blinden. Eine bekannte Wahrnebmilng ist cs, daß den Blinden und Tauben, als Ersatz siir die ihnen seblcnden Sinne, ost ein viel schärferes Vermögen ihrer übrigen sinnlichen Organe beiwohnt. Sel tener trifft es sich, daß auch ihre geistige» Fakultäten um so viel mehr sich ausbilden. Am meisten ist dies noch mit dem Gedächtniß der Fall, wovon nachstehende Erzählung ein merkwürdige« Beispiel liefen: Zu Stirling in Schottland lebt ein alter blinder Bettler, den man in der ganzen Umgegend unter dem Name» de« „blinden Alick"") kennt, und der ein in der Thal unglaublich starkes Ge- dächlniß besitzt. Alick war von seiner Kindheit an blind. Seine armen Ellern konnten wenig "für ihn ihn», obgleich dazumal selbst Reichthum einem Blinden wenig helfen konnte; den» noch war da« bewundernswürdige System des Unterricht« Blindgeborener, noch waren die geistreichen Erfindungen unserer Zeit, von denen man fast sagen mörbte, daß sic für die Entbehrung de« Aiigenlicht« Ersatz geben, völlig unbe kannt. Doch muh man den armen Bewohnern (Schottlands zu ihrem Ruhme nachsage», daß sic immer ängstlich daraus bedacht gewesen sind, ihren Kindern die ersten Elemente des Unlerrichl« beizubringen, und lange Zeit die Gewohnheit hatten, sie täglich in eine Schule zu schicke». So thatrn auch die Eltern de« Alick, um ihren Sohn vor Unglück zu bewahren, und damit er durch Anhörcn de« Unlerrichl« anderer Kinder etwas lernen möchte. Das cinzigc Lesebuch in solchen Anstallcn war damals die Bibel, und die Schüler pflegten, während sie in der Reihe hernmlasen, die Zahl jedes Kapitel« und sogar jede« Verse« mit anzugebcn. Das regelmäßige Anbörcn dieses Rb- lcsen« prägte dem kleinen Alick nicht bloß viele Stellen der Schrift, sonder» auch die Nummer des Kapitels und Verses, wo jede Stelle vorkam, ins Gcdächlniß. Vcrmuthlich ist Alick, wegen seiner Un- lüchligkcil zu jedem nützlichen Gewerbe, ungewöhnlich lange Icil in dieser Schulc geblieben, und scin Vater mochte, wie die« bei den Schottischen Bauern allgemein ist, ein eifriger häuslicher Bibcilcsrr scyn. Ein regelmäßiger Besuch der Kirche konnte indessen zu dem nämlichen Ergcbmß sichren. Wie dem auch scy, man bemerkte mit Erstaunen, daß der blinde Alick, als er zum Manne gereift war und wegen des Todes seiner Eltern in dcn Gaffen von Stirling sein Brod erbetteln mußte, die ganze Bibel, sowohl das alte als das »cue Testament, im Kopfe halle. Die« wunderbare Gcdächlniß crrcgtc natürlich die Ausmcrk- samkcit vieler wohlhabenden Leute und empfahl ihn der armen preebhtcrianischen Gemeinde. So brachte es Alick dahin, ein sor genfreie« Bctllcrlrbcn zu führen, und ward noch außerdem für ein Wunder seine« Geburtsort« angesehen. Auch gelehrte 'Personen nahmen Kcnnlniß von ihm. Der verstorbene'Professor Dugald Stewart äußerte einmal seine Absicht, den blinden Alick auszusragen und die« merkwürdige Phänomen zu prüfen. Der scharfsinnige Metaphysiker hätte wohl einige interessante Wahrnehmungen machen könne»; allein wir glauben nicht, daß die projcklirlc Zusammenkunft jcmal« stattsand. Dagegen haben viele andere gebildete und wohlunlerrichtetc Leute dcn Alick geprüft, und Alle staunlcn über den Umfang seine« Gedächtnisse«. "Welche Stelle dcrBibrl man ihm auch rczilircn mag, immer wird er Kapitel und Vers genau angcbcn, und fragt man ihn, wie der und der Bees diese« oder jenes Kapitels lauic, so wird er die Stelle Wort für Wort berzusagen wissen. Vor kurzem wollte ihn Jemand in Verlege»^:, setzen, indem er einen Ver« aus der Bibel mit einigcr Veränderung j„ den Worten hrrlas. Alick zögerte eine» Augenblick und tagte dann, wo die Slrllc zu finden scv, bemerkte aber zugleich, sie scy ihm »ich, Arrest vorgcsprocben worden; dann rcziiirlc cr selbst den Ver«, wie er »„ Buche stand, und verbesserte den absichtlich begangenen Fehler des Lesers. Hierauf fragte ihn derselbe Herr narb dem hoffen Verse des 7,cii Kapitel« im 4tcn Buch Mose. Alick stutzte wieder eine» Augenblick und sprach dann hastig: „Sie treiben Ihren Scherz mit mir, lieber Herr! Das Kapitel bat ja nur '89 Verse." Mehrere andere Versuche dieser Art wurden mit gleichem Eesola angestellt. Ost befragte man ihn den Tag nach einer Pre digt über den Inhalt derselben, und seine Erammaloien sanden alle ') Schottische« Diminutiv für Alexander. Mal, daß der blinde Alick den ganze» Sermon wiederholen konnte, wenn ihre Geduld c« ziilicß. Eine andere merkwürdige Seile an dem Gedächtnis; dieses Bett ler« ist die Leichtigkeit, mit der cr sich dcn individuellen Ton der Summe einprägt. Ein Schotte, der sich früher ost mit dem alle» Manne belustigt hatte — Alick hatte einen derben und guten Hu mor — aber viele Jahre nicht in Stirling gewesen war, kam neu lich zufälliger Weise wieder dorthin. Er begegnete Alick auf seinem täglichen Gange und redete ihn an. „Ich muß diese Stimme ken nen", sagte der Blinde, „sic ist aber nicht mehr so Schottisch, wie vormal«;'— Eie werden wohl seitdem unter den Engländern gelebt haben." Alick Halle ganz Recht; jener Mann war geraume' Zeit außerhalb Schottland« gewesen, und dies geschah zum Theil auf Ko sten seine« vaterländischen Accent«. Der blinde Alick wohnt allein, und so ost er scin Stübchen verläßt, schließt cr die Thür ab und trägt dcn Schlüssel in der Hand mit sich. Diesen altmodischen Schlüssel hält er, wenn er draußen ist, immer in den Händen, und während cr plaudert oder Frage» beantwortet, die ihm so häufig gestellt werden; schiebt cr ihn vor wärt« und rückwärts, oder au« ciner Hand in die andere. Man hat zufällig die merkwürdige Entdeckung gemacht, daß der wunderbare Fluß seiiic« Gedächtnisses gehemmt wird, wenn ihm dieser Schlüssel fehlt. Davon überzeugte sich unter Ankeren eben der Herr, dessen veränderter Accent dem Blinden ausgefallen war. Ec nahm de» Schlüssel, als wollte er ihn uutcrsucheii, mid fuhr fort, den Bettler über verschiedene Schriststcllc» u. dgl. zu befragen. Alick'« Anlwor- sten erfolgten immer langsamer und wurden am Ende nicht mehr ge nau, so daß cr dcn Herrn ersuchen mußte, ihm seinen Schlüssel wic- dcrzugebtn, weil er seinem Gcdächlniß nicht gebieten könnte, ohne den Schlüssel in Händen zu haben. Ans diesem Umstand haben Un wissende dcn Schluß gezogen, der Schlüssel de« blinden Alick scy eine Art von Talisman. Uns jedoch erscheint dieses Faktum nur als ein neuer Beweis von der Macht der Gewohnheit und von dem mystischen, obgleich natürlichen Bande, da« unsere geistigen Vermö gen mit materiellen Dingen imd Umständen verknüpft. Sv kennt der Verfasser diese« Artikel« eine» alten Spanier, der sich durch feine Unterhaltungsgabr auSzcichncle, aber alle Mal verstummte und zer streut ward, wenn Jemand einen besonderen Stuhl in einem beson deren Thcilc des Zimmer« einnahm, dcn er durch eine lange Rcihc von Jahren okkupm hatte. vergeben« suchte man ihn dann mit Gegenständen der Unterhaltung, die ihm gerade die liebsten waren, anzurcgrV; Don Felix brachte kaum ein Wort über die Lippen, bis er wieder an seinem gewohnten Platze saß. Das Gcdächlniß dieses Mannc« hat nicht bloß dcn Gebrechlich keiten eines hohen Alters, sondern auch dem die Seelenträftc noch mehr zerstörenden Einfluß starker Getränke widerstanden. Ungeachtet seiner Blindheit ist Alick mit jeder Ecke und jedem Winkel, mil jeder Anhöhe und Vertiefung i» »»d um S.'irling so vertraut, daß cr durchaus temen Führer braucht; cr vcrzichlct sogar auf die Dienste eines Hundc«, dieses scharfsichtigen und irrucn Be gleiters armer Blinden. Scin Lieblings-Spaziergang ist dcr um teil abschüssigen Felsen, ans welchem Schloß Stirling erbaut ist, und wo an vielen Stellen eine kleine Abirrung vom Psadc ihm den Hals kosten könnte. Au dcr besonnten Seile dieser Anhöhe wird dcr neu gierige Wanderer jeden Tag den blinden Alick antreffcn, mit seinem Schlüssel in dcr Hand. (i*. N.) Bibliographie. PH» echrmmln--)- of Iiislnv)'. (Chronologie der Geschichte.) Von Sir Harris Nicola«. Bilde, auch den -kästen Bd. von Lard- iier « Kabinct«-Encyklopädie. Pr. 6 Sh. imlnviisivs oöaaieonum). (Grimdzügc dcr Astronomie.) Zweite Ablhg. Von W. Breit. Pr. 10 Sh. Psio (Die Reise.) Ein Gedicht, von Henry Chrisima«. Pr. 8 2!'. Oanikstiv animal«. (Haustbierc, in ihrem Verhältnisse zur cie-lt- sirlc» Gesellschaft.) Pr. 3; Sh. China. Dio Ermordung dos Tungdschu. (Fortsetzung.) Dcr Minister Wangyün war in seine Wohnung zurückgekchrt und dachte über dir bluligcn Austritte beim Festmahl nach. Er setzte