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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pranumeratlone- vreis 224 Sgr. Tdlr.t Vien-,jährlich, 3 Auler für boS ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. für die Man pränumcrirt auf dieser Beiblatt der Allg.Pr. StaatS- Zeitung in Berlin in der Expedition iMohren - Straße Nr. 34); 1» der Prorinz so irie im Auslände bei den Wohllöbl. Post - Aemtern. Literatur des Auslandes. W. Berlin, Montag den 19. August 1833. f M! England. Horace Walpole. Walpole gehörte der Zeit an, in welcher cs vollendete Edclleute gab, die aber durch die vorschrcitcnde allgemeiner werdende Civilisa- non, durch die dem Volke, nicht dem Slande, gewordene Anerken nung verdrängt ist. Jetzt gicbl cs keinen Walpole mehr; er reprä- scnürt die höchste Stufe aristokratischer Bildung. Er wagte sich mit Erfolg an jede Art schriftstellerischer Arbeiten, Halle aber zugleich einen grollen Abscheu, für einen Autor zu gelten; im Unlerhause war cr mehr der Grasensohn als der Redner, in der Freundschaft mehr der Freund des Ranges und gesellschaftlicher Vorzüge als des achten Talents. So lange das Volk noch nicht in den Vordergrund getreten war, ließ cr sich viel über Freiheit, Unabhängigkeit und Volksrcchte vernehmen, aber cr vcrstummlc, da dasselbe wirklich eine abgesonderte Macht zu werden anfing. Er prahlte, nie von den Ministern etwas verlangt zu haben, verzehrte aber gemächlich drei Sinekuren als eine Sache, die sich von selbst verstände; höflich ge gen Jedermann, weil cs ihm und Anderen Vergnügen machte, war er gegen Wenige großmiithig, weil die Vergrößerung fremder Wohl- sahrl den Vorrath seiner eigenen Genüsse verringern wurde. Er that alles Unbedeutende mit einer Miene von Größe und Adel, hü tete sich aber, wirklich Großes zu ihu». Zn seinen romantischste,1 Personen erkennt man die Vorstellungen des Weltmannes wie der; beim Lesen seiner Schriften wird man stets daran erinnert, daß der Autor den Schriftsteller spielt, aber ein Edelmann ist. Könnte man die Eigenthümlichkeucn seines Stiles in ein Wort zu- samiiicnsaffcn, so wäre dieses Wort „Anmnth", und wirklich legte er ans diese Eigenschaft den größten Werth. Daher glanzt cr auch vorzüglich in svlchcn Productivnen, wo Anniulh und Geschmack zu den besten Erfordernissen gehören. Als Verfasser von Briefen nimmt Walpole den ersten Rang ein, nur daß cr auch da zuweilen zu ab geschliffen und höfisch wird und oft, ohne cs zu wissen, schmeichelt, weil Schmeichelei zu dem wohlgczogcnen Stil seiner Unterhaltung und seiner Ausarbeitungen gehört. Jene Anniulh gicvt seinen Leistungen einen besonderen Reiz. Mil wenigen starken' Ausdrucken verbindet cr eine gewisse Sorglosig keit in der Darstellung des Ganzen, so daß der Leser nie versucht wird, über das Studium des Stiles das Znlcrcffe an dem Inhalt zu verlieren. Das Sichtbarwerden der Mühe erschien ihm gemein, denn Walpole war vor allen Dingen ein Gentleman. Zn der Thal, wen» alle Well richtig schreibt, sogar die Ladcnschildcr, so wird ein gewöhnlicher Autor versucht, sich durch eine ungewöhnliche Schreib art hervorzuthun. Diese Bemerkung Hal Walpole bereits gemacht. Er würde in der That Außerordentliches geleistet haben, hätte nicht der Edelmann überall dem Schriftsteller im Wege gestanden; hiervon liefert sein Trauerspiel „die gchcimnißvolle Mutter" den deutlich sten Beweis. Mil freiem Geiste wurde er einen hohen Rang unlcr den Englischen Tragöden eingenommen haben. Denn wiewohl er in sehr verschiedenen Weisen und über mancherlei Gegenstände schrieb, so hat cr doch nie etwas Albernes hervorgebracht. Die so eben erschienene letzte Folge seiner Briese ist vielleicht die interessanteste; sic füllt eine Lücke in seiner Korrespondenz aus, die am empfindlichsten war. Dort findet man die ersten Anfänge seiner Laufbahn, die letzten Kämpfe seines Vaters um die Macht und die lebendigen Schilderungen seiner erfolgreicheren Mitbewerber. Walpole besaß alle gute find schlimme Eigenschaften des Cha rakters, den cr Halle, und den er affcktirle. Zn der Politik machte er den Liberalen, wie cr auf einem Maskcnbgll einen Hirten vorgc- stcllt hätte; in beiden war cs ihm bloß darum zu thun, die Rolle mit Grazie durchzuspielen- Unter Freiheit des Volks verstand er die Vorrechte des Adcls; wenn er von der menschlichen Natur sprach, so meinte cr die sciuigc. Eben so war seine Religion die eines Gent leman; cr verabscheute die Französischen Philosophen, weil sie vul gär, dogmatisch, beleidigend waren, ohne Ehrfurcht vor Stand und Rang; aber cr hatte denselben Abscheu gegen die ungezogene Un duldsamkeit der Geistlichen. Den Atheismus konnte er nicht leiden, weil cr nicht „cdmsoriable" scy, und in die Kirche ging er bloß seines Gesindes halber. Gegen Schriftsteller war Watpole nicht großmiithig; cr betrachtete sie bloß als Werkzeuge der Unterhaltung, als Fabrikanten des Vergnügens, die das Erzcugniß ihrer Talente so «Heuer als möglich verkaufen; überhaupt war er zu sehr ein Freund der Luxus, um großmiithig sehn zu können. Mit Walpolc's Schriften ist das Deutsche Publikum schon früher durch eine von Schlegel") veranstaltete Auswahl bekannt geworden. Die gegenwärtige bisher ungedruchie Korrespondenz ist von dem kürzlich verstorbenen Lord Dover, dem Verfasser von Friedrich s des Große» Lebensgcschichtc, herausgegeben.") Diese an seinen Freund, Sir Horace Mann, Englischen Minister-Residenten am Hose zu Florenz, gerichtete» Briefe eröffnen eine neue Fund grube geistreicher Bemerkungen, interessanter Zuge von den berühm testen Männern damaliger Zeil und höchst anziehender Anekdoten. Dennoch wird das, was wir daraus unseren Lesern miizutheilen ge denken, verhällnißmäßig nur wenig scv», indem das Meiste in diesen Briesen aus damalige Tages-Begebenheiten und Personen Bezug Hai, die entweder bereits vergessen sind, oder alle historische Wich tigkeit verloren haben, oder auch eine vertrautere Bekanntschaft mit dem damaligen Englischen Hose und seinen politischen Verhält nissen voraussetzen, als man dem Ausländer zumulhen kann. Wir beschränke» uns daher »ur auf das, was durch Witz, seine Beobach tung oder lebendige Darstellung einen Jeden anspricht und ohne Kommentar verstanden werden kann. „Neulich, in dcr Oper, erzählte mir Herr Worslev mit seinem mürrischen Gesicht, auf welchem indeß ein boshaftes Lächeln spielte, als Tagesneuigteii, (die guic Seele!) cr hätte gehört, Hr. Mann sep zn Florenz gestorben. Wie frcimdlich! uns zu unserer Unterhal tung und ais Stadtgeträlsch miizutheilen, daß unser bester und theuerstcr Freund todt sch. Zch bin überzeugt, er würde sprachlos werden, wenn er einem etwas Angenehmes erzählen müßte. Wenn cs irgend eine Scclcnwandcruug giebi, so fahrt die scinige gewiß in einen Geier, dcr sich an den Leichnamen »ach einer Schlacht sätti gen uNd dann an die Fenster ihrer Verwandte» fliegen und ihnen die Todes-Botschaft vorkrächzen wird." „Zch glaube, es giebt keine leichtere Sprache in dcr Weil, als die minlstcricUc; — man lernt sie in einer Woche." „Zch fand nie, daß die Leute sich weniger liebten, weil sic von cinandcr getrennt lebten." Vor der Schlacht bei Dettingen schrieb cr scincm Freunde: „Wir, hier zu Hanse, sind gewiß zu entschuldigen, wenn wir bei dcr Ankunft jcdcr Post zittern, — ich wenigstens werde cs sicher. Wenn ich cine Frau wäre, so wollte ich meine Furcht mit mehr Würde tragen; denn wenn man einen Mann oder Liebhaber verliert, so gicbl es allerlei Lrosimittcl, als: Lrauerklcider, Chpreffcn, Leib- gcdingc, weinende Kupido's tc. Zch aber habe nur einen oder zwei Freunde zu verlieren, und i» diesem Falle legt man keinen Trauer- putz an, der den Kummer beschwichtigen köiinlc. Unser einer Hal nicht das Vergnügen, cincn Tag bestimmen zu können, wo man die Trost- Besuche von lausend Lculcn annimmt, die mau nicht liebt, weil man die einzige Person verloren hat, die man lichte. Dies ist eine ganz seltsame Lage, die mir gar nicht gefallen will." Bei einer Gelegenheit, wo er von Theodor, König der Korsen, spricht, sagt cr: „Ein Abcnlcurcr muß nur hicrbcikommcn. Dies ist der wahre Boden für Gesindel und Patrioten; cs ist das erste Land in dcr Welt, um sein Glück darin zu machcn. Einer mag noch so wenig Eigenschaften besitzen, so wird doch seine Unfähigkeit oder Schlech tigkeit nicht eher entdeckt, als bis cr den gewünschten Posten erhal ten bat. Kommen sic dcnn endlich dahinter, — »»»- so schlupft er i» den grün eit Beutel (bei den Minister» in England das, was in Frankreich das Portefeuille), und da rubt cs sich so saust!" "Ich kann nicht sagen, daß ich Jemanden sehr beneide, der aus Liebe heiraihct. Hciralhcn ist schon schlimm genug, aber eine Heiraih aus Liebe noch weit schlimmer; denn sie ist im Anfang so wonnevoll, daß die schwindende Neigung sie spälcr desto trauriger macht." „Die alte Marlborough soll im Sterben liegen; doch, wer weiß, ob cs wahr ist. Voriges Jahr lag sie lange krank und war bereits sprachlos. Ibe Arzt sagte: „„Sic muß Spaniscbc Flicgcn habcn, oder sie stirbt."" — „„Ich will keme Spanische Fliegen und will auch nicht sterben!"" rftz sie plötzlich." „Ladv Sundon ist todt. Sie galt viel bei der Königin, obgleich diese sich das Ansehen gab, sic zu 'verachten; allein sic mußte wob! durch Mitthcilung irgend eines Geheimnisses in ihre Gewalt geratben ) Historische, literarische und unterhaltende Schriften Von Horatio Wal pole, herauSgeaeden von A. W. V. Schlegel ist»» ") UoiüLv tv 8ir Üoratkv z>lauu. 3 vol. L-oQÜvu, 183A»