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82 V. Largeau's Wanderungen in der algerischen Sahara. andern Einfluß ans den Weißen, als daß sie ihn zu einer langem Siesta nöthigt, und den Nomaden dort sind Fieber und Leberkrankheiteu unbekannte Dinge. Am Sonntag, dem 8. Juli, kamen bei der hübschen Temperatur von 53,7° mehr als fünfzig Gallfüchtige, um sich ärztlichen Rath zu holen. Die Nacht darauf aber war, von den Muskitos abgesehen, köstlich, da das Thermometer auf 28° sank. Am Montag waren bei klarem Himmel nur 50,5°; unweit der Oase verirrten sich, durch eine Fata Mor gana getäuscht, drei Araber und erlagen dem Durste. Am 10. Juli trat ein leichter angenehmer Nordost ein und die Temperatur stieg auf nur 49,8°. Vom 11. bis 20. betrug sic im Schatten durchschnittlich höchstens 50,5°; der heißeste Tag, der 19. Juli, zeigte bei einem erstickenden Südwinde 52,6». Und gerade in dieser Hundstagszeit feiern die Neger in Uargla am liebsten ihre Hochzeiten, zur Zeit von Largeau's Anwesenheit an einem Tage deren fünfzehn auf einmal. Die Dauer eines solchen Festes beträgt im Durchschnitt fünf Tage. Am ersten Tage begeben sich gegen 4 oder 5 Uhr Abends die Verwandten und Freunde des Brautpaares in Procession vor die Thore der Stadt, nm dort zu schmausen. Boran die Frauen, in Reihen zu vieren oder fünfen, im Tritte marschircnd, die Ellbogen am Leibe, den Unterarm vorgcstreckt, mit den Händen den Takt schlagend und mit den Lenden wunderbare Bewegungen nach vorn und hinten machend. Die ältesten gehen zu Anfang und zum Schluffe uud schließen so die jungen Mädchen ein, welche gleichfalls, nur mit mehr Grazie, Hände und Lenden taktmäßig bewegen. Dann folgen in regelloserm Haufen die Männer und das Orchester, aus einer Clarinette und zwei großen Holzpaukcn bestehend. Aus dieser mehr oder weniger zerlumpten nnd schmutzigen Menge steigt ein unerträglicher Geruch ranzigen Oeles auf. Draußen angclangt, zünden sie ein großes Largeau's Nachbarn in Uargla. Mach einer Photographie.) Feuer an, um welches die Mädchen in zügellosen Bewegun gen tanzen, während die alten Weiber schwatzend die Speisen zubereiten und die Männer thcils Flinten losfeuern, theils im Kreife hockend sich Geschichten vom Tenfel, von Genien, weißen Gazellen u. s. w. erzählen. Bald tritt Stille ein und Alles drängt sich zu den großen Holzschüsseln, in wel chen Kuskussu mit ranziger Ziegenbutter, unsagbare Saucen und Ragouts einladend dampfen. Dazn wird Palmwein und Ziegenmolke, in welcher gewöhnlich zahlreiche Ameisen herumschwimmen, getrunken. Nach der Mahlzeit wird noch etwas geplaudert, und dann eilt jeder nach seiner Hütte, macht dort noch eine Zeit lang Jagd auf Skorpionen nnd wirft sich zuletzt auf den Haufen schmutziger Lumpen, den er sein Bett nennt. Am zweiten Tage dieselbe Promenade mit Musik; der Schmaus findet aber diesmal bei dem Bräutigam statt, welcher dazu einen Bock schlachtet. Wieder ertönt das Ge knalle der Flinten, welche bis oben heran vollgestopft wer den; oft platzen sie dabei und verwunden oder tödten Men schen, ohne daß nm solcher Kleinigkeit willen das Fest eine Unterbrechung erfährt. Am dritten Tage wird mit den Geschenken, welche der Mann seiner Braut gicbt, meist Kleidern und Schmucksachen, welche an Reifen aufgehängt sind, durch die ganze Stadt gezogen, vor den besseren Häu sern Halt gemacht, getanzt und gelärmt und zuletzt ein Ge schenk erbettelt, welches in die Moschee gebracht wird, damit dort für das Glück der Gatten gebetet werde. Der vierte Tag versammelt Frauen und Mädchen bei der Braut; das männliche Geschlecht ist dabei streng ausgeschlossen und selbst das Orchester muß vor der Thür bleiben. Am fünften und letzten Tage, der stets ein Dienstag sein muß, wird die Braut mit großem Pompe ihrem Manne zugcführt, worauf die Gatten sieben Tage ohne anszugehen im Hause bleibeu. Nach Ablauf derselben nimmt der Mann ein Beil, haut damit im Garten einer Palme den Wipfel ab und bringt das Mark derselben seiner Frau, welcher er dabei einen Schlag auf den Kopf gicbt. Diese kocht es mit Kuskussu, womit am folgenden Tage die Freunde bcwirthet werden. Damit erst hat dann die Hochzeit ein Ende erreicht. Am 23. Juli stieg die Hitze im Schatten auf 55,1», so daß selbst die Neger es nicht mehr in den Gärten aushaltcn konnten. Einige Zeit später fand man an dem drei Tage reisen gegen Südwesten entfernten Kameelbrunnen die Lei chen von zwei Arabern uud vier Negersklaven, welchen diese gräßliche Gluth tödtlich geworden war. Der 26. war da gegen mit seinen 42 Grad und dem vom Teil her wehenden Nordost entzückend. Aber gegen Abend erschollen Schrcckens- rufe; eine dichte Wolke von Heuschrecken ließ sich auf die