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62 Estnische Märchen in deutscher Uebersetzung. Mann an drei Donnerstagsabenden, kurz vor Mitternacht, einen schwarzen Hasen im Sacke auf den Kreuzweg gehen und dort pfeifen müßte, damit der alte Wirth komme. „Versucht dann selbst, wie Ihr Handels eins werdet", sagte der Weise, „ich kann hier nicht weiter helfen. Aber laß Dich nicht betrügen." Als der Mann fragte, wo er einen fchwar- zen Hasen herkriegen sollte, hieß ihn der Weise eine schwarze Katze mitnehmen. Als nun der nächste Donnerstag gekom men war, steckte der Wirth die Katze in den Sack und ging auf den Kreuzweg, obwohl ihm etwas bänglich zu Muthe war. Er pfiff und wartete, aber es kam Niemand. End lich pfiff er noch einmal und dachte dabei: wenn er jetzt nicht kommt, so habe ich den Weg umsonst gemacht. Da erhob sich in der Luft ein Geräusch, als ob ein Blasebalg in der Schmiede getreten würde, dann sah er eine dunkele Masse oben in der Luft schweben und eine Stimme fragte: „Was willst Du, Brüderchen?" — „Ich habe einen schwar zen Hasen zu verkaufen", erwiderte der Mann. „Komm nächsten Donnerstag, ich habe heute keine Zeit, mit Dir einen Handel zu machen", sagte die Stimme und damit ent schwand auch die dunkele Masse dem Blicke des Hinauf schauenden. Der Mann war wohl etwas verdrießlich, daß er den Weg umsonst gemacht hatte, allein was halfs, Höhe ren gegenüber muß ein geringer Mann nur geduldig sein. Den zweiten Donnerstag ging die Sache besser von Statten. Gleich auf das erste Pfeifen erschien ein altes Männchen mit einem Schulterfack und fragte: „Was willst Du, Brü derchen?" Der Mann antwortete wieder: „Ich habe einen schwarzen Hasen zu verkaufen." „Was kostet er?" fragte der fremde Alte. Der Mann erwiderte: „Ich verlange für den Hasen weiter nichts als einen Knecht und eine Magd, die mir dienen, aber mich nichtkapp und kahl fressen." — „Auf wie viele Jahre willst Du den Vertrag abschließen?" fragte der alte Wirth. „Meinethalben auf die Zeit meines Le bens," gab der Bauer zur Antwort. Aber der Fremde be deutete ihn, daß dies durchaus nicht angehe und daß sie keinen andern Vertrag abschließen könnten als auf sieben oder zweimal sieben Jahre. „So komme nächsten Donners tag und bringe Deinen schwarzen Hasen mit, ich werde Dir dann einen Knecht und eine Magd bringen, denen Du weder Speise noch Trank zu geben brauchst, nur mußt Du sie bei der Hitze des Nachts zum Weichen ins Wasser legen, sonst welken sie und sind nicht mehr im Stande zu arbeiten." Der Mann war am Abend des dritten Donnerstages wieder am Kreuzweg und pfiff, worauf der alte Wirth so gleich erschien, aber allein, weder ein Knecht noch eine Magd war mitgekommen. „Du mußt mir von Deinem Ringfinger drei Tropfen Blut zur Festmachung des Ver trages geben, damit Du nicht zurücktreten kannst", sagte der Fremde. Der Mann fragte, wo denn der Knecht und die Magd wären. „Im Sacke", erwiderte der alte Wirth. Da nun der Schultersack nur klein war, fürchtete der Bauer einen Betrug. Der Fremde, welcher dessen Gedanken zu errathen schien, sagte: „Ich betrüge Dich nicht." Dann ergriff er den Sack und warf einen Quast i) von der Größe eines Hedeknüttel heraus, indem er sagte: „Hier ist der Knecht!" Ein langer breitschultriger Mann stand sofort neben dem alten Papa. Ein zweiter Quast flog aus dem Sacke und es war ein Mädchen daraus geworden. „Deine Diener sind hier, sie werden nichts zu essen verlangen", sagte der Fremde. „Jetzt gieb mir die Blutstropfen zur Besiegelung und den schwarzen Hasen, dann kannst Du nach Hause gehen." Der Mann that wie verlangt und fragte u Quast — eine baltische Provinzialisme für einen Ruthen- befen. zuletzt, wie denn die neuen Diener wohl hießen. „Des Knechtes Name ist Däumling und der Magd Name ist Borkling", sagte der alte Wirth, steckte den vermeintlichen Hasen in den Sack und ging seiner Wege. Der Bauer aber ging mit seinem Gesinde heim. Der Knecht und die Magd thaten Tag für Tag vom Morgen bis zum Abend ihre Arbeit, ohne jemals Nahrung zu fordern, was den Wirth sehr erfreute, und wenn sie manchmal an einem heißen Sommertage zu welken schienen, so wurden sie zur Nacht eingeweicht und waren am andern Morgen so frisch und stark wie zuvor. Der geizige Wirth scharrte nun jedes Jahr immer mehr Geld zusammen, weil er seinem Gesinde weder Brot zu geben noch Lohn zu zahlen brauchte. So waren endlich zweimal sieben Jahre bereits vorüber gegangen, nur noch einige Wochen fehlten. Dem Wirthe kam die Sorge, daß er die Diener verlieren könnte, darum dachte er hin und her, wie es wohl möglich wäre, die Frist zu verlängern. Eines Morgens war er aufgestandcn und sah, daß Knecht und Magd noch nicht bei der Arbeit waren. Er meinte, sic schliefen noch auf dem Boden und kletterte die Leiter hinauf. Aber da war Niemand zu finden. Auf der Stelle, wo sie geschlafen hatten, fand er einen verfaulten Baumstumpf und ein Häufchen Borkenrinde. Da wurde es ihm plötzlich klar, was die Namen des Knechts und der Magd bedeutet hatten; ohne Zweifel waren die Beiden durch Zauberei aus Holz und Borke gemacht. Eben wollte er der Treppe wieder hinunter steigen, als eine Hand ihn an die Gurgel packt und ihn auf dem Flecke erwürgt. Die Frau fand später auf dem Rande des Bodens nichts weiter als drei Blutstropfen. Als sie in die Klete i) ging, nahm sie wahr, daß die Kornkasten leer waren und die Geldkiste nur mit welken Birkenblättern angefüllt. So war mit einem Mal alle Habe dahin und die verwittwete Frau starb vor Kummer ebenfalls; doch erfuhr sie nichts davon, daß der alte Bursche den Wirth, der ihm aus Geiz seine Seele ver kauft, erdrosselt hatte. Diesen Lohn hatte nun der geizige Mann davon, daß er seinen Reichthum frevelnder Weise zusammeugespart hatte. * * * Mit dem „Bösen" oder dem „Schwarzen" haben die Esten viel zu schaffen. Ein anderes Märchen „Des Schützen abhanden gekommenes Glück" (S. 135 bis 142) erzählt von einemFreifchütz, der mit dem „alten Wirth" einen Kontrakt schließt und in Folge dessen stets vom Glück begünstigt wird — unter einer Bedingung, bei jeder Gattung Wildes das größte zu schonen. Einmal begegnet dem Schützen eine Anzahl Füchse; darunter ein Prächtig großes Thier. Der Schütze legt, das Versprechen vergessend, auf den größten Fuchs an — die Kugel nimmt eine umgekehrte Richtung und tödtete den Meineidigen. Wir setzen noch eine zweite kleine Sage her, welche, wie es scheint, nicht allen bekannt ist, sondern offenbar mit Erinne rungen alter Umwälzungen der Erdoberfläche zusammenhängt (S. 165 bis 167). Emnujäw und Wirthsjäw (der Muttersee und der Pfützensee). Nachdem Altvaters Güte dem Menschengeschlecht hier zu Lande Wohnsitze bereitet, den Boden gesegnet, daß er ihnen Frucht bringen, die Wälder mit Vögeln und Vier füßlern angefüllt hatte, schuf er auch einen See mit klarem, si Vorrathskammer.