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auf einem der sich schnell in das Hochthal absenkcnden Aus läufer. Die Negoifpitze liegt über dem Horizonte von Ober- Porumbach 7" 39', die Gerlsdorfer über dem des gleich namigen Dorfes 11" 44'. Von Serata, wo in einem Bacheinschnitte unter der Diluvialdecke weiche, hellblaue Thonschiefer anstanden, wan derten wir durch kahle, von mehreren kleinen Bachrinnen gefurchte, Brachfelder nach Klein-Kerz (Chertiisiora), das in seinem ganzen Habitus lebhaft an Ober-Porumbach erinnerte. Obwohl die Sonne heiß herniederbrannte und wir nur einmal in dem spärlichen Schatten eines einsam stehenden, wilden Birnbaums etwas gerastet hatten, setzten wir unsern Weg sogleich fort und schritten nach Süden durch schöne Maisfeldcr auf das Gebirge zu, welches sich immer großartiger vor uns aufthat. Der rauschende Laitabach, in dessen wildes Hochthal, die Strunga Dracului, ich vom Gipfel des Negoi herabgeblickt hatte, hemmte unsere Schritte. Giorgiu ritt auf dem Braunen durch das Wasser und schickte das willige Thier dann zweimal zurück, um auch meinen jungen Gefährten und mich trockenen Fußes auf das rechte Bachufer zu bringen. Bald wanderten wir den Wellen des Kerzer Baches entgegen, zwischen die Gebirgs ausläufer hinein. Herrlicher Buchenwald schmückte die Leh nen, schlanke Erlen und unter ihnen breitblättriger Huf lattich umsäumten den schäumenden Wildbach. Die üppige Vegetation der nähern Umgebung, die ragenden Höhen im Hintergründe waren so schön, daß wir uns, um das präch tige Landschaftsbild in Muße zu genießen, auf einem Rasen platze im Schatten einer Buche ausstreckten und erst durch heranziehende Regenschauer zum Ausbruche nach der nahen Glashütte bewogen wurden. In der kleinen Schenke, der Glashütte, die 640 in hoch einsam zwischen den hier bereits 900 in überragenden Buchenlehnen liegt, rasteten wir während eines kräftigen Regengusses und stiegen dann, obwohl der Himmel noch wenig vertrauenerweckend aus sah, am Buteanu - Ausläufer in die Höhe. Wir mochten 1100 in Meereshöhe erreicht haben,, als ein kräftiges Donner wetter losbrach. Anfangs machten wir unter dem Laub dach mittelhoher Buchen Halt, als auch dieses keinen Schutz mehr gewährte, stiegen wir auf schlüpfrigem Pfade — wenn man von einem solchen sprechen darf — mühsam weiter. Der Regen ließ bald nach, und als wir der obern Grenze der Fichtcnregion, die hier 1700 m hoch liegt, nahe waren, eröffnete sich ein großartiger Blick auf die schroffen Fels partien des Piscu Builea. Zwischen dem Piscu Buteanu und Piscu Dömna stießt der Kerzer Bach aus zwei Quellarmen zusammen, die sich nach je 6Icm lan gem Laufe zu beiden Setten des schmalen und schroffen Piscu Builea in etwa 900 m Mcereshöhe vereinigen. Der Piscu Builea ist mit dem Gebirgskamme durch eine gras bewachsene, von Wasserrunsen hier und da zerrissene Ein sattelung verbunden und läuft dann als zackiger Felskamm 3 Icm nach Norden zwischen den beiden in der Horizontal projektion etwas über einen Kilometer von einander ent fernten Büchen hin, in die er oft über 500 m mit schroffen Wänden (durchschnittlich vom Kamme zu den Bächen noch 45") abfällt. Bon einer 1967 m hohen Felspartie senkt sich der Grat schnell und läuft aus nach weiteren 3llm als schmale, waldbewachsene Scheide bei dem Vereinigungspunkte der dicht neben einander hinfließenden Wildwasser. Bis tief in den Fichtenwald hinunter konnte man die steil nach Norden fallenden Gestcinsbänke, deren Köpfe den zackigen Kamm bilden, verfolgen. Oben zwischen den Zacken und Felsenwänden drängt sich wuchernd das Knieholz hervor. Die selbst für das kletternde Bergschaf zu große Schroff heit dieser Partien hat sie bis jetzt vor der Brandlegung der Hirten und dem verwüstenden Weidebetriebe in ursprüng licher Schönheit bewahrt. Ein Sturm, der mir den Schirm überklappte und den des jungen C. zerbrach, fegte über die Höhen, riß diesen Felsen ihre Hülle in Fetzen und deckte andere auf Augenblicke mit wallendem Wolkenschleier. Jetzt wogten weißgraue Nebelmasscn durch das Thal wie ein Riesenstrom unter dem Kamme des Piscu Builea hin, dann wieder trennten sie sich und ließen das Auge 500 m tief über schroffe Fichtenhänge hiuabblicken in die gähnende Tiefe. Wie angewurzelt stand ich, mich selber vergessend, dem großartigen Schauspiel gegenüber. Ein empfindlicher Schüttelfrost mahnte mich unange nehm zum Aufbruch. Bald hatte indessen der kundige Gior giu für gründliche Erwärmung gesorgt. Dieser gewiegte Führer, der in der Ebene über die Dummheit der Freker geschimpft und mit seiner Kenntniß geprahlt hatte, bis er auf die unangenehmen Eigenschaften des Eigenlobes hinge wiesen wurde, führte uns, unsere Zweifel durch feine zur Schau getragene Zuversichtlichkeit auf kurze Zeit besiegend, längs des Abhanges in eine absolut pfadlose Wildniß, deren düsterer Charakter noch durch die Spuren eines großen Waldbrandes verstärkt wurde. Halb verkohlt ragten die dürren Stämme gespenstisch aus dem sich schroff vor uns niedersenkenden Abhange empor. Schweißtriefend und froh, daß unser Pferd nicht das Genick gebrochen hatte, kehrten wir auf den Kamm des Ausläufers zurück und fanden nach einigem Suchen die ersehnte Stina. Ein stattlicher Graukopf mit buschigen Brauen, grauen Augen und mächtigem Schnurrbart hieß uns sreundlich willkommen und schürte, damit wir unsere Kleider trocknen könnten, das in der Mitte der Hütte brennende Feuer. Der Regen rauschte bald wieder auf das Dach der Stina nieder, und der Wind pfiff zwischen den Balken der Wände hindurch, daß das Feuer flackerte. Gegen Abend drangen Sonnenstrahlen durch die Spalten in den raucherfüllten Raum. Wir traten ins Freie und wurden durch einen prächtigen Anblick überrascht. Zwar lag dicht über uns eine dichte Nebelbank, welche den ganzen Kamm des Gebir ges bis zu 1700 m hinab umhüllte und sich weit nach Norden über das Land breitete, aber unter derselben lagen Berge und Thäler in glänzendem Schimmer. Ueber das zwischen Buteanu und Albota tief einschneidende Thal Ar- pasielu schweifte der Blick in die prächtig beleuchtete Alt- Ebene. Weißschimmernd erhoben sich die Kirchthürme in mitten ausgedehnter Häuser- und Baumgruppen, wie ein buntscheckiger Teppich lag von Silberstreifen durchzogen die Alt-Ebene mit ihren ausgedehnten Getreide-, Mais- und Brachfeldern vor dem Gebirge ausgebreitet. Noch nie hatte sich mir das siebenbürgische Binnenland in solcher Ausdeh nung und, Klarheit gezeigt! Alle Bacheinschnitte undBoden- schwankungcn traten bei der schrägen Beleuchtung der scheidenden Sonne wirksam hervor. Auf einigen dünn gespaltenen Scheiten, die Uber den nassen Boden gelegt waren, breiteten wir in einem Winkel der Stina einen Reisepelz und unsere Plaids zum Nacht lager ans. Bis zum Mittage des nächsten Tages hielten uns Regen und Nebel in der Hütte gefangen, dann wander ten wir, da Giorgiu's Examen ganz ungenügend ausfiel, unter Führung eines kleinen Hirtcnbubcn längs des Piscu Buteanu bald auf dieser, bald auf jener Seite der hier und da aus seinem Kamme.hervorragenden Felsen, bis wir an einen kleinen Teich kamen, der fast 1900 m hoch in einer niedrigen Senkung des Bergrückens liegt. Dicht hinter demselben entließen wir unsern kleinen Führer und stiegen, von Giorgiu und seinem Braunen gefolgt, steil hinab in das Hochthal, dem das östliche der zum Kerzer Bache ver-