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32 Aus allen Erdtheilen. sind abgebrannt und bis auf eine noch nicht micderhergeslellt, sie waren sämmtlich nicht alt und nicht sehr geräumig. Der Ausbau der neuen Stadt geschieht nach einem regelrechten Plan, mit breiten einander rechtwinklig schneidenden Gassen, die sür die hier herrschenden starken Winde bei der Niedrig keit der Häuser fast zu breit erscheinen. An 320 kleine Häu ser sind schon fertig. Man baut auch ein großes Schulhans von 26 Sälen (für Volksschulen nnd eine Kommunalrcal- schule) nnd ein Gemeindeamt. In der Mitte der neuen Stadt ist ein großer viereckiger Platz abgestcckt. Das neuaus erstehende Eski Zagra wird ohne Zweifel eine der schönsten Städte dieser Länder sein. Die Einwohnerzahl beträgt gegenwärtig nach officiellen Daten 13279 Seelen, 3606 Familien in 1389 Häusern. Da von sind 10302 altansässige Bulgaren <5434 Männer, 4868 Weiber), 2485 Türken <1256 M., 1229 W.), 222 Zigenner <125 M., 97 W.) und 60 Familien mit 270 Seelen <166 M., 104 W.) bulgarische Flüchtlinge aus den Gegenden an der Maritzamündung, aus Fcre (s,jx>« der Byzantiner), Dimo- tika, Eribol <Chairebolü, byz. welche mit dem Abzüge der Russen aus jenen Gegenden die Hcimathsorte auf immer verließen. Diese Emigranten sprechen einen cigen- thümlichcn bulgarischen Dialekt mit vielen alterthümlichcn Formen und Worten; ihre Weiber tragen Kleider aus gel ben Stoffen und auf dem Kopfe große weiße, lose herabhän- gendc Tücher und oben darauf ein schwarzes turbanartiges Band, in dessen Mitte am Scheitel das weiße Tuch wieder zum Vorschein kommt. Der sehr ausgedehnte, bei Seimenli bis an die Maritza reichende Kanton (Okolija) von Eski Zagra umfaßt 107 Dörfer, wovon 7 ganz öde sind. Auch die übrigen find im Kriege (August 1877) fast alle niederge brannt worden. Davon sind 27 Dörfer gemischt türkisch und bulgarisch. Man zählt jetzt 48108 Einwohner, 12122 Fa milien in 8619 Häusern, wovon 40 686 altansässige Bulga ren <21222 M., 19464 W.), 5542 Türken (2829 M., 2713 W.), 284 Zigeuner (151 M., 122 W.) und 403 Familien mit 867 Männern und 739 Weibern Flüchtlinge aus Balpkköi bei Fere, Taschalan in der Umgebung von Böjük Tschekmedsche bei Konstantinopel, wo seit Anfang unseres Jahrhunderts bulgarische Gärtner und Ackerbauer sich angesiedelt hatten, aus Tcrkos und Karaklisse bei Dimotika und aus Baba Eski. In der Stadt selbst gab es früher eine starke jüdische Kolonie, von der gegenwärtig nur wenig übrig ist; ans den Friedhöfen sah ich auch armenische Inschriften von nicht altem Datum. Im vorigen Jahrhundert siedelten sich in Eski Zagra auch fünf Familien Machen (Süd - Rumunen) aus Moskopolis im Pindus an; diese kleine Kolonie hat sich vermehrt, ist aber ganz bulgarisirt. Noch vor Kurzem lebten einige alte Frauen, die das Wlachische kannten, und noch entsann man sich auf meine Fragen der Phrase: tes Mrs? (quick Lois?). Moskopolis ist bekanntlich am Ausgang des vorigen Jahr hunderts von den Räuberhordcn derKirdschalis zerstört wor den und die dortigen betriebsamen Handwerker und Kauf leute zerstreuten sich über die ganze Halbinsel. An den oben angeführten statistischen Daten wird man bei den Bulgaren die geringe Anzahl der Weiber im Ber- hültniß zu der Ziffer der Männer merkwürdig finden. Dies ist eine Folge des Krieges. Nach der Niederlage der Russen bei Eski Zagra südöstlich außerhalb der Stadt haben türkische irreguläre Truppen in den unvertheidigtcn Ortschasten, deren Einwohner znm Theil keine Zeit zur Flucht hatten, ein ganz surchtbares Blutbad angerichtet. In der Stadt selbst sind damals zahlreiche Familien ganz vertilgt worden, und es giebt keine, die nicht die Mehrzahl ihrer Mitglieder verlo ren Hütte. Der zerstörte Zustand der Stadt ist für archäologische Untersuchungen sehr günstig. Sehr viele verborgene Schätze treten nun bei den Neubauten und Nivcllirungen an den Tag. In der Türkenzcit hieß die innere Stadt Hissar (Burg) und war thcilweise von einer Mauer mit Thoren umschlossen, die man noch gegenwärtig verfolgen kann. Es war ein regelmäßiges Quadrat, dessen Seiten den vier Himmels gegenden zugcwcndet. Auf der Ostseitc steht ein stattliches Stück der Mauer noch ganz aufrecht, an 60 Schritte lang und stellen weise bis 6 m hoch. Es ist ein römisches Werk mit mittel alterlichen Reparaturen. Das Fundament ist aus Bruch steinen; daraus ruhen wechselnde Lagen von platten Steinen und Ziegeln, gegen Außen mit einer Quaderverklcidnng ver sehen. An vier Schritt vor dieser großen Mauer erblickt man die Fundamente einer niedrigern, durch einen Graben getrennten Vormauer. Zwei Tage lang wanderte ich zwischen diesen Ruinen umher, in Begleitung eines warmen Freundes der Antiqui- ° täten seiner Heimathstadt, des hiesigen „Bailli" (Unterpräfek ten) Herrn Athanas Jliefs, eines Schülers der Prager Uni versität. Es gelang mir eine Anzahl von Inschriften, sümmt- lich aus der Kaiserzeit und in griechischer Sprache, theils selbst abzuschreiben, theils deren Kopien zu erhalten. Außer dem zeigte man mir viele Skulpturen und oruamentirte Steine. Alle diese Alterthümcr werden in dem neuen Schul hause als eine Art Stadtmuseum aufgestellt werden. Zu einer eingehenden Betrachtung gebrach es allerdings an Zeit." „Ein Fundort von derselben Bedeutung wie Eski Zagra ist die Stadt Köstendil, Lolouia CIxis, i?autalia der Rö mer, Welbuschd der mittelalterlichen Slawen, Beobuschka Banja, Kostanitza Bagna oder Constantin Bagna der Jtincrarien des 16. Jahrhunderts, heute noch von der Bevölkerung des ganzen Kreises meist schlechtweg Banja (Therme) genannt. Sie liegt ans der Südseite einer prachtvollen von hohen Ber- > gen umgebenen und im Osten vom Strhmon berührten, äußerst fruchtbaren Ebene, am Nordfuße des an 6000 Fuß hohen bewaldeten Osogow-Gebirges. Eine heiße Quelle von ungewöhnlich hoher Temperatur entspringt am obcrn Ende der Stadt und speist neun warme Bäder. Mit seinen Obst gärten und seiner schönen Umgebung ist es neben Kazanlyk der anziehendste Ort, den ich in diesem Lande kenne. Reste des Alterthums kommen überall zum Vorschein. Im Straßen pflaster, in den Mauern der Moscheen und der Bäder und in den nahen Dörfern sieht man Jnscriptionen aus der Kaiserzeit, alle in griechischer Sprache. Auf einem Steine, der jetzt in die Strymonbrücke, eine Stunde von der Stadt, auf der Straße nach Dupnitza eingcmauert ist, liest man den Namen Pautalia selbst. Bei Nachgrabungen neben der neuen Staatsrealschule stieß man im August des vorigen Jahres auf gewaltige Fundamente, massive schwere Quadern, wahr scheinlich die Substruktioncn einer römischen Therme." Sowohl in Sophia als in Philippopolis hat man den Anfang zu Muscumssammlungen gemacht, in Philippopolis bei der Direktion des Unterrichtswcsens, in Sophia bei der von Prof. Drinofs während der russischen Okkupation gegrün deten und jetzt in der Böjük Dschamija uutergebrachtcn bul garischen Nationalbibliothek, die schon jetzt an 9000 Bände zählt. Die bevorstehende Gründung einer literarischen Ge sellschaft in Sophia wird der Aussuchnng und Pnblicirung von Denkmälern der Vorzeit noch mehr Vorschub leisten. Inhalt: Eine Reise durch Mingrelieu. H. (Mit sechs Abbildungen.) lSchluß.) — I. E. D. Schmeltz: Ueber einige religiöse Gebräuche der Melanesier. II. (Mit füns Abbildungen.) — Dr. F. W. Paul Lehmann: Wanderungen in den Süd- Karpathen. II- — Aus allen Erdtheilen: Europa. — (Schluß der Redaction 6. Dcccmber 1881.) Redacteur: Dr. R. Kiepert in Berlin, S. W. Andcnstraße 11, III Tr. Druck und Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn in Braunschweig. Hierzu zwei Beilagen: 1. Literarischer Anzeiger Nr. 2. — 2. Humboldt. Monatsschrift für die gcsammten Natur wissenschaften. Herausgegeben von Dr. G. Krebs. Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart.