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378 E. Kramberger: Daruvar in Slavonien und seine Umgebung. und wieder zeigt sich ein guckendes Gesicht hinter winzigem Fenster. Jefenas, das nun folgt, sieht man wohl eine ganze Stunde lang, bevor man hinkommt, auf einem steilen Hügel mit hochragendem Glockenthurm vor sich liegen und der schöne Traum, es in einer Viertelstunde zu erreichen, zerstießt bei der langen Fahrt Thal ab und Berg aufwärts, rechts und links, zum größten Aerger des immer ungeduldi ger werdenden Reisenden. Endlich keuchen die Rosse anch diese Höhe hinan, und da ist man in einem Dorfe mit ur griechischem (?) Typus. Die Häuser stammen zumeist aus dem vorigen Jahrhundert. Sie sind umfangreich, mit meh reren Nebengebäuden, weisen Schnitzereien an den Giebel seiten sowie an den umgebenden Zäunen und Thoren auf; ein Gang von Holzfäulen schmückt die im Hofe liegende Längsseite. Der First des Schindeldaches ist gezahnt; am hohen hölzernen Rauchfange machen sich verschiedene Vogel gestalten von Holz, an den Dachrändern Zacken und Zapfen bemerkbar. Man sieht dem allem den alten Geschmack deutlich an; auch sind die Bauten durch die vielen Jahre ge schwärzt. Die Kirche, von fern so groß anzusehen, wird in der Nähe zu einem ganz alten, hölzernen Gotteshause mit überhangendem, gezahntem Dache und schmalem, einst roth angestrichenem Thurm, an dem die Deckschindeln der Wände schon Lücken aufweisen. Ich hielt vor dem Wirthshause; dic Wirthin, eine Jüdin, brachte ans mein Geheiß eine Flasche Wein. Ich erwartete Essig und bekam zu meiner Verwun derung sehr guten Wein. Auf meine Fragen, wie weit es noch nach Vcröce, wie weit von Bastaje bis hierher sei, ant wortete sie, daß sie nie da und dort gewesen; auch die Frage, ob sie denn in Jefenas geboren sei, verneinte sie. Schön kann die Vegetation in der Tiefe der Thäler vor den Dör fern genannt werden. Während der größten Dürre, wenn Monate lang kein Tropfen Regen fällt, grünt hier, erfrischt durch den reichen Thau und die aus den Wäldern aufstei genden, feuchten Dünste, der dichte Graswuchs auf den Wiesenflächcn; steigt der Mais mit zahlreichen großen Kol ben hoch empor; erreicht der Hanf und Flachs außergewöhn liche Stärke; die dunkclbelaubten Bäume brechen unter der Fülle des Obstes. Die Zwetschkenbäume namentlich waren arg mitgenommen. Bald hatte ich mit dem Dorfschulzen (Lues) Bekanntschaft gemacht. Die Bevölkerung ist grie chisch-orientalisch; manches Alte, das vergangenen Zeiten an gehört, klebt ihr an, begünstigt nicht nur durch die große Zähigkeit, mit der die Griechen am Altherkömmlichen han gen, sondern anch durch die Abgeschiedenheit vom Verkehr. Ganz natürlich, daß in solchen Waldrcgionen der Glaube an Geister und Kobolde potenzirt erscheint. Sind ja doch auch die Mythen, die Erzählungen von Faunen und Nym- pfen rc. der alten Griechen in den einsamen Thälern und waldigen Schluchten der Gebirge und nicht in den Städten entstanden. So auch hier, Der Aberglaube greift in Un- glücksfällcn zn allen möglichen Prüservativmitteln. Stirbt z. B. jemand im Hause, so werden, um einen zweiten Sterbe fall zu verhüten, alle Sessel und Bänke mit den Füßen auf wärts gestürzt; auch wird dadurch dem Verschiedenen die Wiederkehr als Geist unmöglich gemacht. Eine Eifersüch tige sucht in den Besitz eines Hasenherzens zu kommen. Dieses, oder in dessen Ermangelnng das eines Truthahns, mit Nadeln besteckt und nächtlicher Weile an einem abgele genen Ort vergraben, verhindert nicht nur die Untreue des Geliebten, sondern verursacht auch der Nebenbuhlerin die größten Qualen. Der Glaube an Zauberkünste ist nicht selten; ebenso, daß es Leute gebe, die mit der VUg. (Fee) im Verkehr ständen. Bei dieser Gelegenheit erinnerte ich mich eines alten griechischen Geistlichen, eines Dichterlings, der mich auf einem meiner Streifzüge begleitete. Er Pflegte sich „kobratim vilo« („Genosse der Fee«; er meinte die Muse der Dichtkunst) zu nennen. Es fragte ihn einmal in meiner Gegenwart ein Bauer, ob es denn wahr sei, daß er mit der Fee verkehre. „Natürlich,« versicherte er, ich weiß nicht, ob im Scherze oder ganz ernst gemeint, „alle Leute wissen es ja schon, und Du solltest es nicht glauben?« Nachträglich behauptete der alte Herr, daß er dem Manne selbst durch Leugnen den Glauben nicht genommen hätte, was ich aber stark bezweifelte. Der slavonische Bauer ließe sich in einem solchen Falle durch seinen Seelsorger schon be lehren, wenn die Sache, wie sich's gehört, angepackt würde. Mein Knez, den ich weiter ausfragte, brachte, als ich daran zweifelte, daß ein Mensch je die Vila gesehen, als Beweis vor, er kenne einen jungen Mann, der sie gesehen habe. Sie sei jedesmal in den Abendstunden vor dem Jüngling erschie nen, sei weiß gekleidet, wunderschön, doch sehr bleich und traurig gewesen und nicht gegangen, sondern wie auf Wol ken dahin geschwebt. Der Jüngling sei jedesmal vor Schreck am Fieber erkrankt. Ich bin nach allem dem, was ich mir mehrmals erzählen ließ, geneigt zu glauben, daß die Erzäh lungen von den Feen im Volke gar oft durch krankhafte Hallucinationen entstanden sind. Auch erzeugt die Abgeschie denheit mancher Orte, die Wirkung des Zwielichts, die in den Schluchten oft merkwürdigen Töne der Luftströmungen, die aus den Tiefen der Kessel steigenden Dünste optische und akustische Täuschungen und Fantasicgebilde zur Zeit der Abenddämmerung, so daß sich das einfache Volk unerklärliche Erscheinungen gern auf wunderbare Art zu enträthseln sucht. Von Jefenas gegen Veröce hinüber dehnt sich ein ununterbrochener Wald aus. Blutroth schien die im Sinken begriffene Sonne einmal rechter Hand durch die Stämme, dann erschien sie links, manchmal im Rücken, je nachdem die Richtung des Weges wechselte. Der Staub lag schuh tief da; vom Luftzuge einige Mal wie ein Nebel in die Höhe gewirbelt, hinderte er das Sehen und Athmen. Der erste starke Regenguß mußte ihn in grundlosen Koth ver wandeln, denn jetzt schon sanken die Räder so tief ein, daß die Pferde nicht traben konnten. Wenn einmal die Axt hier aufgeräumt haben, und mit dem Walde das Hinder niß gefallen sein wird, das dem Verkehr entgegen tritt, wird mit der Anlage von mehr Aeckern und Fluren und mit neuen Ansiedelungen auch in diese Dörfer die neuere Zeit eindringen, die sich dort noch weniger geltend gemacht hat als anderwärts. Sonderbarer Weise ist dieser Theil des Landes, obgleich nur durch den Wald von der Podra- vina getrennt, an Schulen sehr arm, und die Strecke von Bastaje bis zu den Weingärten Veröce's stellt sich wie ein Stück fremder Welt dar.