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374 Das heutige Syrien. Die Stadt ist sogar besonders bevorzugt; denn nicht nur soll Petrus hier gefischt haben, nicht nur soll das große latei nische Hospiz auf dem Platze der Wohnung Simons des Gerbers (Apostelgcsch. 9, 43), und die Peterskirche an der Stelle stehen, wo einst das Haus der Tabea gestanden hat, auch der Prophet Ionas soll ja bei Joppe fein Abenteuer mit dem Walfisch erlebt haben. Und noch ein anderer, uralter Fischmythus knüpft sich an diese Stelle der Küste: schon die alten Schriftsteller lassen Andromeda, die von Perseus be freite Tochter des Kepheus und der Kafsiopea, an den Ufer- felscn von Joppe geschmiedet sein, um von dem Meerunge- hcuer verzehrt zu werden. Bis in das 16. Jahrhundert hinein wurden an einem der Hafenfelsen die Kette und der eiserne Ring gezeigt, an denen sie befestigt gewesen fein sollte; große Knochenreste eines Ungeheuern Fisches, die in der Stadt bewahrt wurden, mußten bald von dem Fische des Ionas, bald von dem Ungethüm der heidnischen Sage hcrstammen. Eine Tradition aus neuerer Zeit, um derentwillen das armenische Kloster von JLfa eine gewisse traurige Berühmt heit erlangt hat, beruht ebensowenig auf Wahrheit wie jene älteren Jafafagcn. Im obern Stocke des Klosters wird der große gewölbte Saal, „in dem Bonaparte vor seinem Rück züge nach Aegypten feine pestkranken Soldaten vergiften ließ/' noch heute jedem Fremden gezeigt, obgleich die voll ständige Grundlosigkeit der lange Zeit geglaubten und viel fach tendenziös verarbeiteten Fabel längst erwiesen ist. Die nähere Umgegend von Jafa entschädigt einigermaßen für den Mangel an hervorragenden Merkwürdigkeiten in der Stadt. Die Orangengärten im Osten, die Weinberge, die sich nach Süden hin daran schließen; zwei große und schön gelegene Hospitäler für die Armen der Stadt, beide von Privatleuten, einem reichen Russen und einem Lyoner- Kaufmann, errichtet und vortrefflich ausgestattet; endlich der an der Straße nach Ramle, etwa 10 Minuten vor der Stadt belegene Brunnen Abu Nebüt, den die Einwohner von JLfa als ein Wunder der Baukunst zu betrachten pfle gen, ein hübsches Gebäude aus weißem Marmor, neben dem Lydda. sich das von Sykomoren beschattete Grab seines Stifters, eines ehemaligen Pafchas, befindet: alles dieses wurde von Lortet gründlich in Augenschein genommen. Was ihn aber mehr noch interessirte, das waren seine Spaziergänge nach den beiden nördlich von der Stadt belegenen Kolonien; der ägyptischen, die schon seit undenklichen Zeiten hier existirt, und der seit den Jahren 1866 und 1868 gegründeten deutsch- amerikanischen Kolonie. Im Jahre 1866 ließen sich 40 amerikanische Familien, die „ein heiliges Leben im heiligen Lande" führen wollten, hier nieder. Sie kauften einen nicht unbedeutenden Komplex von Ackergrundstücken im Norden der Stadt zusammen, bauten Häuser und würden ohne Zweifel prvsperirt haben, wenn sie den Einflüssen des un gesunden Klimas der Küstenebene hätten widerstehen können. Das war jedoch nicht der Fall — intermittirende Fieber, Typhus und Ruhr räumten schon im ersten Jahre furchtbar unter den Ansiedlern auf, und als im Jahre 1868 eincAb- theilung der Würtemberger „Freien Religionsgesellfchaft des Neuen Tempels" nach JLfa kam, um sich als „Vor läufer der endlichen Bereinigung aller Christen im heiligen Lande" hier niederzulasfen, waren von den eingewanderten Amerikanern nur noch wenige vorhanden. Die deutschen Ansiedler übernahmen einen Theil jenes Grundbesitzes, akkli- matisirten sich in kurzer Zeit und erreichten durch Fleiß und rationelle Bewirthschaftung des trefflichen Bodens der Saron- ebene bald die günstigsten Resultate. Außer der Nieder lassung dicht bei der Stadt haben sie jetzt schon etwa eine halbe Stunde weiter nach N.-W. ein kleines Dorf, die soge nannte Tempelkolonie Sarona, gegründet. Ihre Aecker allein haben eine Ausdehnung von über 400 Quadrat-Acres; daneben besitzen sie noch große Weinberge und Gärten. Die zierlichen, meist im Schweizerstyl gebauten und grün um rankten Häuser der deutschen Kolonisten machen den erfreu lichsten Eindruck. Heute besteht die Kolonie aus etwa 300 Seelen; zwei Aerzte und vielleicht 20 Handwerker befinden sich unter ihnen, die übrigen Männer beschäftigen sich alle mit Garten- und Feldbau. Sie haben ihre eigene Schule, in der die Kinder im Arabischen, Deutschen, Griechischen und Lateinischen unterrichtet werden. Der türkischen Regie rung steuerpflichtig, betrachten sie sich auch vollkommen als