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368 E. Kramberger: Daruvar in Slavonien und seine Umgebung. hältnisse zulasten, an Festtagen gern gütlich, um sich ent weder für überstandene oder kommende Fasten schadlos zu halten, und die sind bei ihnen streng und werden gewissen haft eingehalten. Anßer den regelmäßigen am Mittwoch und Freitag kommen sechswöchentliche Fasten vor Weihnach ten, sieben Wochen vor Ostern und je nachdem drei oder fünf Wochen vor Peter und Paul, endlich vom 1. bis 15. August vor Mariä Himmelfahrt dazu. Die erste Woche heißt Liska oder 8irna nsäjslja (die weiße oder Käsewoche), in der nur Fische, Eier, Milch und Käse genossen werden. Die übrigen Tage gehören den strengen oder großen Fasten (Vsliki xoss), so genannt, weil nur im Wasser gekochte Bohnen, Erbsen nnd Linsen zulässig sind, oder Kraut und Bohnen mit Oel. Der Bauer genießt im Vsliki xoss ge dörrten Fisch, Zwiebeln und Knoblauch nebst Bohnen und verrichtet die schwersten Arbeiten dabei. Ich kam zwischen zwei Mönche zu sitzen; einer begrüßte alle Anwesenden im Namen des auswärts weilenden Jguman und ernannte den Tischherrn. So ist es in Slavonien und Kroatien Sitte, daß einer der Gäste als Tischherr (Ravnatskj skola) fun- girt. Er spricht im Namen des Hausherrn (vomaoin) und in Privathäusern auch der Hausfrau (Vomavioa) die Toaste, bringt jedem aus der Gesellschaft ein „Aviv", indem er ihm eine von den anwesenden Frauen oder in Ermange lung einer solchen eine andere als DruZarioa (Gefährtin) zuthcilt, wofür sich der also Begrüßte in zierlicher Rede be dankt und auf das Wohl seiner Dame trinkt. In Privat zirkeln unter Bekannten werden solche Toaste häufig „xo vslioki«, d. h. so abgethan, daß die Dame von dem Herrn, der auf ihr Wohl getrunken, geküßt wird. Mancher trägt wohl zu seinem Berdrusse einen Korb davon, wenn sich die Dame ziert, oder wenn ihr der Herr mißfällt, und oft er schallt heiteres Gelächter ob ergötzlicher Scenen, um so mehr, da der Stola ravnatelj seinen ganzen Witz aufbietet und Gegen füßler zufammenbringt, um Heiterkeit hervorzurufen. Dem Gast, der das Hans zum ersten Male betritt, kredenzt er ein volles, gewöhnlich kunstvoll geschliffenes und mit einem Denkspruch geziertes Glas auf einem Teller, legt die Schlüsfel des Hauses, des Kellers und Bodens bei und heißt ihn im Namen des Hausherrn willkommen, mit der Einladung, dessen Haus als das seine zu betrachten und Uber Küche, Keller und Boden nach Belieben zu schälten. Auch ich leerte mein Glas und empfahl mich der Freundschaft des Hauses. Jeden einzelnen Toast begleitet das Zusammcnklingen aller Gläser, denn, sagt man in Slavonien, nicht nur Auge und Gaumen, auch das Ohr müsse seinen Genuß haben. Fröh licher Gesang ertönt dazu, der immer durch das Harmonische und Melodiöse, das den slavonischen Liedern eigen ist, dop pelt fesselt und noch reizender wird, weil die Franen immer mitsingen. Im Kloster freilich erklangen nur sonore Männer stimmen. Unser Stola ravnatelj verstand es durch seine witzigen Anreden das Gelächter zu einem unauslöschlichen zu machen; es herrschte die größte Gemüthlichkeit, wie dies durchaus in allen Gesellschaften hier zu Lande der Fall. Nie trinken auch nur zwei Personen ein Glas Wein mit sammen ohne vorerst, wenigstens im PoLeganer Comitatc, mit den Gläsern angestoßen zu haben, „kijs Kao xaloo« (Er trinkt wie ein Schweinehändler) heißt es, wenn jemand diese Sitte nicht beachtet. In den meisten Fällen pflegt zum Schluffe der Tafel ein ganzes, am Spieße gebratenes Lamm, das wohlschmeckende Lieblingsgericht, das selbst in angeseheneren Häusern selten fehlt, entweder unzerlegt oder schon in Stücke geschnitten zu erscheinen. Man kann sich keinen Markttag, kein Kirchweihsest denken ohne Lammbra ten, der am Spieße steckend ausgestellt und zum Verzehren bereit ist. Das Fleisch ist aber auch, noch warm genossen, zart und saftig; nur ausgekühlt wird es zäh. Je nach der Jahreszeit werden auch verschiedene Näschereien zum Nach tisch aufgetragen, so zur Zeit der Maisreife, so lange die Frucht noch milchig ist, geröstete oder noch lieber gekochte Maiskolben. Sie schmecken, etwas mit Salz bestreut, sehr angenehm. Die Deutschen, die sich in Slavonien einbür gerten, finden eben fo Wohlgefallen daran wie die Einhei mischen. Ein beliebtes Naschwerk bildet die Mostmurst (8uäLuK). Es sind dies mittels Zwirnfaden aneinander gereihcte Nußkerne, die oftmals in dickgekochten recht füßcn Most getaucht, die Form einer Wnrst bekommen. Der Faden wird, wenn die mit etwas Mehl gemischte Hülle er starrt, herausgezogen. Nach längerm Stehen überzieht sie sich wie eine gedörrte Pflaume mit weißer Zuckerkruste. In Bauernhäusern bekam ich häufig Kokice. Die Bäuerin röstet auf einem Drahtsieb über dem Feuer Maiskörner; die Hitze bringt sie zum Aufplatzen und bildet aus ihnen weiße Blüm chen würzigen Geruches und Geschmackes. Gern braten die Bauern auch Kürbisse von der türkischen Gattung, Tur- kinje und Misirke in heißer Asche, nachdem sie dieselben in zwei Theile gespalten und entkörnt; sie lassen sich wie Gro- yer-Käse schneiden. Manche sind sehr süß, ein Lecker bissen der Kinder. Pikant ferner find Nüsse mit Rettig, wovon im Bauerhause Alt und Jung gern genießt. An gedörrtem Obst hat zur Winterszeit jedes Haus genügenden Vorrath; dazu die Bauern eingelegte Birnen von einer ge wissen Art, die in großen Krügen mit schmalen Hälsen und Schnäbeln (lursija) im Wasser säuerlich werden und einen schneidigen, doch angenehmen Geschmack bekommen. Der Tag in Pakra beschloß mit dem Läuten aller Glocken. Ich verabschiedete mich von den freundlichen Mönchen und schlug den Rückweg ein. Zn Biela nahm ich einen Wagen, der mich spät in der Nacht nach Daruvar brachte. Obzwar sonst die rauschenden Töne der Zigeunermusik und die häm mernden klavierähnlichen Klänge der Zimbel lange nach Mitternacht zu hören sind und die Tanzlustigen im Kreise dahinfliegen, war es diesmal ganz still und nur die schrillen Pfeifen der Nachtwächter zu hören. Polaraebiete. Der französische Korrespondent des „New Pork Hcrald« veröffentlicht nach der „A. Z." die nachstehende Depesche über Lieutenant Delong's verunglückte Abtheilung, welche über Irkutsk nach Paris gekommen ist: „Pvaiask, Ost-Sibirien, 2. April. (Von Irkutsk abgegangen am 20. Mai.) Bei den Leichen Delong's und seiner Unglucksgefährten hat Melville des Ersteren Journal gefunden, welches die ergreifendsten Details über die letzten Momente der Ueberlebenden von der „Jeannette« enthält. Ericksen erlag zuerst der Kälte und der Erschöpfung am 6. Oktober. Am 17. starb Alexi, ein Grönländer, welcher der Jäger und Proviantmeister der kleinen braven Truppe war. Er hatte das letzte Beutestück am 9. geschossen. Um Mit ternacht, wenige Minuten vor seinem Tode, taufte ihn sein Gefährte Dr. Ambler. Am 20. starb Koch, welcher zwischen Delong und Ambler seine Schlafstelle hatte. Am 21. um Mittag folgte ihnen Lee. Da sie zu schwach waren, den Körper ihres Kame raden aufzuheben, so verhüllten ihn Delong, Ambler und Collins. Am 28. Morgens hauchte Merson seine Seele aus und an demselben Abend Dreßler. An dem folgenden Sonntage (30.) bricht das Journal plötzlich ab. An diesem Abende starben Boyd und Gartz; in der Nacht folgte ihnen Collins«. Inhalt: Das heutige Syrien XVII. (Mit vier Abbildungen.) — Im Lande der Mitternachtssonne. (Mit vier Abbildungen.) — Prof. Ferd- Blumentritt: Studie zur Bevölkerungs-Statistik der Philippinen II (Schluß). — E. Kramberger: Daruvar in Slavonien und seine Umgebung II. (Mit einer Abbildung.) — Polargebiete. (Schluß der Redaction 22. Mai 1882.) Redacteur: Dr. R. Kiepert in Berlin, S. W. Lindenstraßc 11, III Tr. Druck und Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn in Braunschweig. Hierzu eine Beilage.