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Begründet von Karl Andree. In Verbindung mit Fachmännern herausgegcben von vr. Richard Kiepert. Bl'AUUslykPLlZ Ehrlich 2 Bände L 24 Nummern. Durch alle Buchhandlungen und Postanstaltcu 188^» zum Preise von 12 Mark pro Band zu beziehen. D as heutige Syrien. (Nach dem Französischen des M. Lortet.) xvn. (Sämmtliche Abbildungen nach Photographien.) Die übrigen Kirchen sowie die großartigen Klöster Bethlehems bieten dem Fremden, der nicht gerade als frommer Pilger hierher kommt, wenig Bemerkcuswerthes. Von anderen alten Banken, von archäologisch wichtigen Denkmälern ist in der oft zerstörten und wicderanfgebantcn Stadt nichts vorhanden — und doch schildert Lortet seine Wanderungen durch die Straßen des kleinen Ortes als ebenso interessant wie erfreulich. Zahlreiche neue Häuser, die sich in ununterbrochener Folge an mehreren Stellen bis weit über die theilwcise noch erhaltenen Ueberreste der alte» Umwallungen hinausziehen, lassen den Aufschwung er kennen, den Bethlehem seit einigen Jahren genommen hat. Ein gewisser Anstrich von Wohlhabenheit, von gedeihlicher Entwickelung, die doch von der Bedeutung der Stadt als Wallfahrtsort unabhängig zu sein scheint, liegt über dem Ganzen. Massiv gebaut, mit hohen Bogenfenstern und einem Balkon im obern Stockwerk, zeigen die meisten Häu ser sowohl im Acußern als anch in der inneru Eiurichtnng eine Reinlichkeit, Ordnung und Zweckmäßigkeit, von denen sich der Europäer auf das Angenehmste berührt fühlt. Die Einwohner, die fast durchweg den Eindruck eines kräftigen gesunden Menschenschlages machen, haben sich in unzähligen Kämpfen mit ihren unruhigen Nachbarn, den Bewohnern von Hebron und anderen Orten der Umgegend, sowie in fortwährenden Reibereien mit plündernden Beduincnstäm- men den Ruhm eines streitbaren Sinnes und großer Un- Globus XU. Nr. 23. crschrockeuheit erworben; an blutigen Streitigkeiten umcr- halb der Stadt selber, zwischen den Bewohnern des christ lichen und des muslimischen Quartiers, hat cs daneben ebensowenig gefehlt, wie an häufigen Aufständen gegen die Verwaltung des Landes. In den dreißiger Jahren unse res Jahrhunderts, während der ägyptischen Okkupation Syriens, machte Bethlehem durch seine energische Aufleh nung gegen die neuen Steuern der Verwaltung fo viel zu schaffen, daß Ibrahim Pascha, nm ein Exempcl zu statui- ren, das ganze muslimische Quartier der Stadt zerstören, zahlreiche Hinrichtungen vornehmen und einen großen Theil der muslimischen Einwohner aus der Stadt verwei sen ließ. Die Mehrzahl derselben siedelte schon damals nach Hebron über, und ihrem Beispiel folgten allmälig immer mehr und mehr Familien, so daß heute unter der auf 5000 Seelen gestiegenen Bevölkerung Bethlehems (dies die Angabe Socin's; Lortet schätzt die Einwohnerzahl des Städtchens auf mindestens 6000 bis 7000) nur noch 300 Muslimen sich befinden; Juden sind nur wenige, und diese meist auch nur zu vorübergehendem Aufenthalte in Bethlehem vorhanden. — Den Hauptnahrungszweig des Ortes bilden heute noch, wie vor Alters, Viehzucht und Ackerbau; seine Gartenkultur wetteifert mit der von He bron, und hier wie dort legt man sich seit einigen Jahren mit gutem Erfolge auf die Weinbereitung nach europäischer Weise. Bis dahin wurden hier, wie ja fast überall in 45