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350 Dr. O. Heyfelder: Ethnographisches aus der Oase der Achal-Teke. leidigen würde, wenn ich es abschlüge. So nahm ich denn an. Die beiden Herren ritten ab; nach einiger Zeit erschien ein Bereiter auf dem beinahe nackten Pferde und überbrachte es nun definitiv. Diesem konnte man ein Trinkgeld dafür geben. Zu Tifch waren die Perser unsere Gäste, aber das Diner wurde beim Chan eingenommen, er präsidirte und lud dazu ein. Von uns waren die besagten Fünf stets be fohlen, außerdem täglich zwei bis drei andere Offiziere. Von den Seinen war nur sein Onkel ständiger Gast, zu weilen der älteste Sohn, nie der jüngere, die anderen Hof chargen abwechselnd, als der Gelehrte, der Richter, der General re. Der Stallmeister, Prinz Ramasan, hielt sich hinter dem Sitz des Chans zur Dienstleistung, ebenso nahmen die beiden zukommandirten jungen Ordonnanzoffiziere nicht an der Tafel Platz. Die Etiquette wurde außerordentlich streng beobachtet, was uns verwilderten Söhnen der Steppe einigermaßen frappant war. Man saß nach dem Rang, doch immer abwechselnd ein Perser und einer von uns. Es wurde von beiden Seiten tüchtig gegessen und nicht schlecht getrunken. Wenn einer von den Persern in Folge des Vortrinkens oder Durcheinandertrinkens den Wein spürte, so erhob er sich, bat uni Entschuldigung und verließ unter einem Vorwande die Tafel. Als sic nach orientali scher Sitte ihre Sättigung und ihr Behagen durch lautes Ausstößen kund gaben, sagte der Chan, das sei gegen die europäische Sitte, sic möchten sich mäßigen. Zwei Tage mußten wir ein Gastmahl zu Mittag, eins zu Abend dnrchmachen, wobei eben nur ethnographisch interessant war, wie diese stillen würdigen Orientalen in aller Ruhe eine Fülle von Speise und Trank in sich aufnahmen. Den zweiten Tag beim Souper war der Chan Wirth, wir die Gäste. Wir saßen wie gewöhnlich auf Taburets; aber das Service war anders. An der Thür erschien der persische Koch, einen Spieß mit fünf bis sechs Fasanen in der Hand haltend, doch betrat er das Zelt nicht. Ihm nahm ein Thürsteher den Spieß ab und überreichte ihn dem Ramasan-Chan, der hielt ihn dem Chan hin, worauf dieser mit eigenen Händen die Fasanen vom Spieß nahm, sie geschickt halbirte und uns auf die Teller legte. Dazu ward ein stärkerer und ein schwächerer weißer Perserwein in bunten Glasslaschen aufgestellt, der an guten Apfelwein erinnerte. Es folgte dann der im ganzen Orient landläufige Pilaw mit den dem Perser besonders thcuren Rosinen, nach welchen sein Spottname bei Russen und Orientalen Kischmisch ist. Dann wurde Schaschlik von Hammelfleisch mit Citroncn servirt. Die Fasanen waren trocken und stark gepfeffert, der Schasch lik dagegen fettreich und wohlschmeckend. Hier und da be rührte der Chan seinen vvllgefülltcn Teller nicht, sondern reichte ihn rückwärts dem Stallmeister, der, obgleich Prinz, ihn dankend annahm und auf einer Bank im Hintergründe leerte. Von diesem Vorgang nahm ich Anlaß, unsere Or donnanzoffiziere, die, der Etiquette gemäß, ebenfalls im Zelt anwesend sein mußten, einen vollgefüllten Champagnerkelch mit gravitätischer Miene wie etwas Selbstverständliches rück wärts zu reichen. Ich muß denselben nachrühmen, daß sie auf dies neuerfundenc Ceremoniel mit Sachverständniß cin- gingen. Zum Dessert hatten wir Früchte, frische sowohl als eingemachte, und Kaffee; dann brachte Ramasan-Chan den: Chef den Tschibuk, den ein Diener kniend durch Rau chen in Brand gesetzt hatte. Ich kann nicht sagen, daß mir das Tschibukrauchcn angenehm gewesen. Die Konversation war beschwerlich, weil sie durch Dolmetscher geführt werden mußte; nur einer der Unseren, Oberst Haidarof, selbst Mo hammedaner, konnte direkt mit den Persern sprechen. Der Chan erklärte, am dritten Tage abreisen zu müssen. So sandte man einen Expressen an General Skobolew, worauf sich dieser zu Pferde setzte und in einer Tour von Ascha bad nach Gök-Tepe kam. Er veranstaltete am andern Tage zu Ehren des Chan ein Manöver, den Sturm der Festuug. Ich habe nie einem solchen Manöver beigewohnt, welches mir einen größern Eindruck gemacht hätte, als die ses. Im kleinern Maßstab und daher im übersichtlichen Bilde sahen mir an Ort und Stelle den denkwürdigen Sturm vom 12. Januar. Um die Aehnlichkeit voll zu machen, hielten zuschauende Perser und Tekes zu Pferd und zu Fuß auf den Wällen der Festung. Gegen Abend war Diner bei General Skobolew, wozu außerhalb des Zeltes die russische, innerhalb desselben die persische Musik spielte. Wohl erinnerte mich manches an die Llöloäiss xorsauues von St. Sasns, wohl gefielen uns die mit Perlmut ter eingelegten dickbäuchigen größeren und kleineren Guitar- ren, das Tamburin, die Becken ganz gut, aber der in Molltönen recitativartig sich bewegende Gesang ist für uns doch zu eintönig, die Töne sind zu wild, uns erfreuen zu können, doppelt so, weil wir den oft poetischen oder witzi gen Text nicht verstanden. Während mehrerer Stunden eine solche schnurrende, trommelnde und schreiende Bande dicht hinter seinem Stuhle am Boden kauern zu haben, war für unser Einen zu viel des Guten. Als die persischen Gäste die Festung besuchten, wo ich mit Assanisation und Lcichen- verbrennung beschäftigt war, hielten sie sich von fern schon die Nasen mit den Taschentüchern zu. Als sie aber das Hospital besahen, waren sie des Staunens voll. Die Ord nung und Reinlichkeit, die Installation und Pflege waren ihnen neu und interessant. Daß barmherzige Schwestern da walteten, frei und unverhüllt unter all den Männern einhergingen und auch ihnen bei der Vorstellung die Hand reichten, war. für sie noch nicht dagewesen. Trotz aller Dressur und Feinheit konnten sich einzelne eines ironischen Lächelns, andere anzüglicher Blicke, die meisten des Aus druckes des Erstaunens nicht ganz enthalten. Als ich den Chan nicht zu den Typhösen führte, obgleich auch ein persi scher Prinz, russischer Dragoneroffizier, unter denselben sich befand, berichtete Schudschau-ud-Dauls, daß er die Gegend kenne und daß in Gök-Tepe alle Jahre eine typhusähnliche Krankheit geherrscht habe; daß außerdem die Tekes oft an der Schwindsucht zu Grunde gehen. Er war vor Jahren, als er bei seinem regierenden Neffen in Ungnade fiel, zu den Tekes geflohen, hatte bei ihnen gewohnt und gcheirathet. Daher ist auch sein ältester 22-jähriger Sohn, das Kind dieser Tekcfran, nicht der Erbe, sondern der zweite Sohn, ein dumm ausseheuder Junge von 16 Jahren, weil dessen Mutter von prinzlichem Geblüt ist. Besser und ge schickter als seine beiden Söhne sah sein Neffe aus. Vor einigen Jahren war der Chan wieder in der Nähe von Gök-Tepe gewesen, diesmal an der Spitze von Truppen und als Feind. Er züchtigte die Tekes für einen Raub zug auf persisches Gebiet, indem er seinerseits einen Raub zug auf ihr Territorium machte. Daß diese etwas verweich lichten Träger einer uralten Civilisation nicht gegen die schnei digen Wilden, die Tekes, aufkamen, belehrte uns der Au genschein. Der alte Chan war so gebildet, daß mit ihm ein Gespräch über die Literatur und die alte Geschichte seines Landes möglich war. Aber unsere Dolmetscher waren lei der nicht entwickelt genug, um eine solche Unterhaltung ge nügend übersetzen zu können. Nachdem der Chan den schö nen Schimmel, welchen er selbst geritten, an Skobolew ge schenkt und auch sonst wie ein Souverän Ringe und Uhren vertheilt hatte, fragte er mich, ob er den Kranken und Ver wundeten Geld zum Andenken senden dürfe. Ich dankte für seine Güte, sagte ihm aber, daß die russischen Soldaten, wenn im Hospital, Alles bekämen, was ihnen nöthig wäre,