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etwa 1 Franc) mit Vergnügen bereit, den Kuppler zu spie len. In den Bergen geht die Gefälligkeit sogar so weit, daß, wenn ein Reisender bei einer Hütte vorbeikommt, der Besitzer ihn einladet, einzutreten, ihm hierauf die Hütte und — seine Frau überläßt und vor der Thür Kaffee kocht; mit 1 Piaster Bachschisch — für den Kaffee — ist er dann überglücklich zu machen. Diese Leichtigkeit der Sitten im Gebirge ist einem alten Gebrauche zuzuschreiben i). In st Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts ist der Islam in der reformatorischen Gestalt des Wahabismus in Aslr ein gedrungen, und es haben sich dort Gebräuche erhalten, welche ganz dem Geiste arabischer Moslimen widersprechen. Jene oben erwähnte Gastsitte brachte schon Burckhardt von dem Stamme der Mcrckede auf der Grenze von Hedschaz und Jemen in Er- Abha und den anderen Plätzen, wo sich Türken aufhalten, hat die Sache — und bekommt ihn jährlich mehr — den Anschein einer tiefgehenden Korruption und Prostitution. fahrung; die Männer überließen dort ihrem Gaste sür die Nacht ihre eigenen Frauen (doch nie Jungfrauen). „Hatte der Gast sich bei der Hausfrau beliebt zu machen gewußt, fo wurde er am folgenden Morgen für feine weitere Wanderschaft reichlich versehen, im Gegentheil schnitt man einen Zipfel seines Man tels als Zeichen der Verachtung ab, und er wurde von Weibern und Kindern mit Schimpf davongejagt. Den Wähabis machte es große Noth, diese Sitte bei ihnen abzustellen, und als zwei Jahre hintereinander Dürre und Mitzwachs eintraten, sah man dies als Strafe des abgeschafften und Loch so viele Jahrhunderte zuvor gebräuchlichen Gastrechts an." (Karl Rittcr's Erdkunde von Asien, VIII. Band, Abth. I, S. 212.) Ossetische Märchen und Sagen'). I. Der arme und der reiche Mann. Es lebte einmal ein armer Mann. Da sagte der reiche Mann zum armen: „Morgen gehe ich zur Jagd, komm mit, du armer Schlucker, ich führe Dich auch auf die Jagd/' „Wie soll ich mit Dir gehen?" antwortete der Arme „da ich doch nichts zu essen habe." „Sage Deiner Frau," sprach der Reiche, „daß sie irgend wo etwas sich erbitte; irgend jemand im Anl (Dorf) wird ihr eine Schale Mehl geben, nun daraus mag sie Dir etwas zum Essen bereiten." Der Arme ging zu seiner Frau und sagte: „Der Reiche ladet mich ein mit ihm auf die Jagd zu gehen, aber was soll ich mitnehmen? Gelt, ich habe nichts Eß bares zu Hause?" Die Frau ging, schaffte sich irgend wo Mehl und bereitete daraus etwas zum Essen. Ani andern Tage machten sich der arme und der reiche Mann auf den Weg. Sie begannen zu jagen; sie jagten den ganzen Tag, aber sic fingen nichts. Als es Abend ge worden war, machten sie sich ein Feuer an und setzten sich daneben. So saßen sic lange; endlich sprach der Arme: „Sollte es nicht Zeit sein, etwas zu Nacht zu essen?" — „Freilich ist es Zeit," antwortete der Reiche. Die Wcge- kost des Armen wurde hcrvorgcholt, beide aßen davon, dann legten sie sich zum Schlaf nieder. Am andern Tage jagten sic wieder vom frühen Morgen bis znm späten Abend und singen wiederum nichts; znr Nacht kamen sie an den frü- hern Platz. Lange saßen sie da; endlich als es Zeit zum Essen war, sagte der Arme: „Du, laß uns essen!" — „Was sollen wir denn essen? Hast Dn vielleicht noch etwas Eßbares bei Dir?" war die Antwort des Reichen. Dann nahm der Reiche von seinem eigenen Vorrath und aß, aber dem Armen gab er nichts. Der Arme schaute lange Zeit darauf hin, endlich sagte er: „Gicb auch mir zu essen." „Ueberlaß mir ein Auge, ich werde es Dir ausstechen, dann gebe ich Dir zu essen," entgegnete der Reiche. Es war nichts zu machen, der Arme bot sein Ange dar, der Reiche stach es ihm aus. Dann gab der Reiche dem Armen ein Stückchen Kuchen und jagte ihn fort. Einäugig geht der Arnie weiter; als er aus dem Walde ins Freie gelangt, sicht er in dcr Ferne ein Licht und mar- schirt darauf zu. Als er näher zum Licht kommt, so sicht er vor sich ein Haus. Er schaut durch die offene st Vgl. Globus XI-, S. 71 und 86. Thür in das Innere — Niemand ist da; er tritt ein und verbirgt sich darin. Bald darauf kommen der Bär, der Wolf nnd Fuchs heranspaziert und treten auch in das Haus. Da spricht der Bär: „Wir sitzen hier bei sammen, wir schlafen beisammen, warum essen wir nicht beisammen? Warum essen wir nicht zusammen von unseren Speisevorräthen? Jeder, der etwas hat, mag eshergeben!" „Seht, was ich habe," sagte der Fuchs, indem er ein Stück goldgcwirkten Zeuges hervorholte, „dies schließt alle meine Schätze in sich; von diesem Stücke lebe ich; dieses Stück schafft mir zu essen und zu trinken: ich nehme das Stück Zeng, schüttele es zwei Mal — nnd siehe da, allerlei Getränk und allerlei Speise, wie sie Gott geschaffen, kom men hervor." — „Das ist freilich ein sehr kostbares Ding," sagte der Bär, „aber ich besitze eine mit Geld angesülltc Grube: seht, das habe ich!" Und er führte sie hinaus und zeigte ihnen die mit Geld gefüllte Grube. Der Wolf aber zeigte ihnen einen Baum und sagte: „Seht, wenn ich bei meinen Raubzügen gelegentlich verwundet werde, so komme ich zu diesem Baume, reibe an demselben meinen Körper und alles wird wieder heil, als ob nichts gewesen wäre." Nachdem alle drei auf diese Weise sich von ihren Reich thümern Mittheilung gemacht hatten, sprach dcr Bär zum Wolf und Fuchs: „Wenn nun aber schließlich unsere Bor- Ehe zn Ende gehen, so wird es schlimm werden; darum laßt uns arbeiten. Wohin wenden wir uns?" — „Ich gehe den Hühnern nach," entgegnete der Fuchs. „Ich begebe mich zu den Hirten und hole mir ein Schaf," sprach der Wolf. „Und ich will Hafer fressen," sprach der Bär. So redeten sie mit einander zur Nachtzeit über ihre Tages arbeit. Morgens in aller Frühe machten sie sich fort ein jeder an seine Arbeit — wie er gewollt hatte. Der Arme saß noch in seinem Versteck: als aber die drei fort waren, da kam er heraus, nahm alles, was jene znrückgelassen hatten, das Stück Zeug und das Geld ans der Grube und steckte es in seinen Sack. Dann ging er zu dem Baume, welchen dcr Wolf gezeigt hatte, und rieb daran das Auge, welches dcr Reiche ihm ausgestochen hatte: nnd siehe da, das Auge saß wieder gesund an seinem Platze wie früher. Dann wanderte der Arme weiter und kam zu den Hirten. Und die Hirten fragten ihn: „Wo warst Du? Was trägst Du auf Deinem Rücken?" Er antwortete: „Der Reiche hatte mich mit auf die Jagd genommen und trage ich etwas nach Hanse." 42*