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Karl Lamp: Zum Grenzstreit zwischen Mexico und Guatemala. gen gleichen. Ihr Haar oder Wolle ist leicht und von schö ner Textur; ehe die Weiber die Thiere cinspcrrten, gingen sie rnnd um die Herde herum und sammelten sorgfältig alle an den Seiten derselben hängenden losen Mocken, da das Produkt sehr kostbar ist und von den Kaufleuten von Koniah theuer bezahlt wird. Wölfe fügen den Herden großen Schaden zu, da sie oft in Rudeln von 20 bis 50 Stück einbrcchcn und in einer Nacht viele Schafe tödten oder verstümmeln. Zwar besitzen diese Turkmenen große und starke Hunde, aber auch diese fallen den Raubthieren zur Beute, wcnu sie der Hunger drängt. Das Zelt des Häuptlings Hadschi Jnsef unterschied sich in nichts Von den anderen; sein Eigcnthümer besaß aber mehr Schafe und Testet. Wenn die heiße Jahreszeit kommt, ziehen sie nach Norden an den Hassan-Dagh. Das Lager war wunderbar rein und kein Unrath beleidigte das Auge; der Schafmist wird täglich bei Seite geschafft und die Stel len schnell gefegt. Die Leute sagten, sie müßten reinlich sein; denn ihre Existenz hänge von der Qualität ihres Lsi- mak (Sahne), Butter, Milch und Käse ab, nnd deren Be reitung erfordere die strengste Reinlichkeit. Im Winter be schäftigen sie sich mit dem Weben von Killim-Teppichcn. Bei einbrechcnder Dämmerung brachte man den Eng ländern das Abendessen, nämlich eine MctallschUsscl voll Milchsuppc, in welcher eine Art Gras, die an vielen Stellen der Ebene wild wächst, gekocht war, was gar nicht schlecht schmeckte; dazu frischen Käse, Sahne nnd Butter, Milch nach Belieben und zum Schluffe vorzüglichen Jörüken-Kaffec, d. h. extra starken, in dessen Bereitung die Jörüken beson deres Geschick entwickeln. Nur der beste und tapferste Mann wird der Ehre thcilhaftig die Bohnen zn rösten und zu stampfen, und es gilt fast als Sünde, wenn ein Weib dabei Hand anlegen wollte. Bei jener Gelegenheit wurde ein Freund aus einem Nachbarzelte herbcigcholt; zunächst wusch er sich Gesicht und Hände, während die anderen rings herum saßen und ihm zuschanten. Als der Mond aufging, trennte sich die Gesellschaft; die Männer wnschcn sich sorgfältig Füße, Hände und Gesicht, breiteten ihre kleinen Teppiche auf die Erde und sprachen, das Gesicht nach Mekka gekehrt, ihr Abendgebet. Dann zog sich auch das englische Ehepaar in seinen Wagen zurück und suchte unter dem Sternenhim mel die Ruhe, welche nur hin nnd wieder durch das Gebrüll einer Kuh oder das Blöken eines Schafes unterbrochen wurde. Ehe sie am nächsten Morgen das Lager verließen, brachte man ihnen noch einen kranken Säugling und einen blinden Mann zum Kuriren. Gewöhnlich aber ist dieses Volk durchans gesund und hat natürlich keine Aerzte, wohl aber einige simple Heilmittel, denen sie unbedingt vertrauen. In besonders schlimmen Fällen schlachten sic ein Schaf oder, wenn nöthig, eine Kuh und legen die kranke Person in den warmen Kadaver, bis sie ihre Lebenskraft wiedergewonnen zu haben scheint. Fleisch essen sic nnr, wcnn dcr Wolf ein Schaf so arg zngerichtet hat, daß cs getödtet werden muß; sonst genießen sie nur Milchspeisen und Brot. Gemüse und Früchte sind bei ihnen unbekannte Dinge und ihr ein ziger Lnxns ist der Kaffee. Zum Grenzstreit zwischen Mexico und Guatemala. Von Karl Lamp. Zwischen Mexico und Guatemala droht wegen streitiger Grenzmarken ein Krieg auszubrcchcn. Diese Frage schwebt zwischen den beiden Ländern schon seit ihrer Befreiung von der spanischen Herrschaft. So lange letztere dauerte, war Chiapas mit Soconusco, dem KUstcnstreifen am Stillen Oceanc, eine Provinz dcr zur Geueralkapitanic Guatemala gehörigen gleichnamigen Intendanz. Nach der Vertreibung der Spanier, als Jturbide zum Kaiser in Mexico Prokla- mirt ward, schloß sich diesem die mittelamcrikanische Gencral- kapitanie an, trennte sich aber wieder von ihm bald nach Jtnrbidc's Sturz. Bei dieser Gelegenheit blieb Chiapas, das, durch die eingesenkte Landenge von Tehuantepcc von den mexikanischen Hochebenen getrennt, geographisch sicher lich zu Guatemala zu rechnen ist, so zu sagen bei Mexico hüngcn. Ob dies Berhältniß jemals von Guatemala als zu Recht bestehend ausdrücklich anerkannt worden ist, weiß ich nicht, möchte cs aber kaum annehmen. Jedenfalls ist die Zugehörigkeit einiger Gebiete immer zweifelhaft gewesen. So wird noch auf einer Karte vom Jahre 1844 Chiapas als zu Guatemala gehörig angegeben. Auf anderen neue ren mcxicanischen Karten wird die Grenze weiter nach Nord- ostcn zu um den Mittellauf des Usumasinta als „nicht fest gesetzt" bezeichnet. Jndeß ist diese Gegend, die nur von inllios bg.rbo.ro8, Lacandoncn genannt, bewohnt wird, welche den Spaniern und dem Katholicismus sich fern gehalten haben, bis jetzt für kcins der beiden Länder von Bedeutung und es wäre ihretwegen schwerlich ein ernster Streit ent standen. Dazu geben schon eher Anlaß die Verhältnisse im Gebiet des Sees von Peten, das, von Guatemala, von dem es politisch unbestritten ein Theil ist, durch einsame Berg waldungen getrennt, geographisch zu Yucatan gehört nnd fast nnr mit den Hafenplätzen um die Mündung des Usu masinta Verkehr unterhält; die Schroffheit, mit der nach dcr Behauptung mexikanischer Zeitungen, dic ich zu Gesicht bekommen habe, den Mexikanern gegenüber, die sich dieses Verkehrs wegen in Peten aufhaltcn, die guatemaltekische Regierung ihre Oberhoheit betont, soll dcr mexikanischen Anlaß zu Klagen gegeben haben. Auch diese Angelegenheit jedoch ist von geringer Bedcntnng im Vergleich zu den In teressen, die auf dem Gebirge, das mit dem Ufer des Stil len Meeres parallel läuft, auf dem Spiele stehen. Hier stoßen beide Länder mit vcrhältnißmüßig gut bevölkerten Distrikten an einander und Soconusco, der Abfall jenes Gebirges zur Südscc, ist, wie man allgemein hört, und wie ich noch besonders von Arricros ans Oaxaca, die von dort Kakao geholt hatten, mir habe sagen lassen, ein sehr frucht bares Land. Ob die Nachricht dcr „Norddeutschen Allge meinen Zeitung", daß Guatemala den größern Theil von Chiapas mit ganz Soconusco in Anspruch nehme, begrün det ist, wird sich bald zeigen; möglich wäre cs, daß es in Erinnerung an die oben erwähnte einstige Zugehörigkeit jener Länder diesen Anspruch im Verlaufe eines immer hef tiger werdenden Streites um ein ursprünglich kleineres Ge biet wieder hcrvorgcholt hat. Als ich vor einigen Jahren in Mexico mich bcfand, war die Sache noch nicht soweit gediehen; es war, freilich schon seit Jahren, von einer Kom- MobuS XII. Nr. 21. 42