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326 Das heutige Syrien. lchemstraße abzweigt, liegt ein von den Christen, Muslimen und Juden gleich hoch verehrtes Hciligthum, das sogenannte Grab der Rahel, der Gattin Jakob's. Es ist in seiner heutigen Gestalt ein Wcli oder muslimisches Heiligengrab, wie es deren in fast jedem Dorfe eines oder mehrere giebt; auch der im Innern befindliche Sarkophag ist nicht bcmcr- kenswerth; er besteht ans einfach geweißtem Mauerwerk. Nach 1 Mose 35,19 starb Rahel in der That ganz in der Nähe von Bethlehem, und so mag dieser Platz, der schon während der ganzen christlichen Zeit als ihr Grab gegolten hat, vielleicht wirtlich der richtige sein. Bon einer angeb lich als Erinnerung an die zwölf Stämme aus zwölf unge heuren Steinen hier errichtet gewesenen Pyramide ist heute kein Ueberrest mehr vorhanden. Das jetzige Gebäude, des sen Mauern über und über mit Pilgernamcn bedeckt sind — denn das Grab Rahel's ist namentlich für die Inden ein vielbesuchter Wallfahrtsort —, soll aus dem 15. Jahr- fchec; denn Lazarus gilt seit lauge schon auch bei den Mus limen für einen Heiligen. Nicht weit davon wird das Haus der Maria und Martha gezeigt. Die Einwohner des zwischen zahlreichen Feigen-, Oel-, Mandel- und Jo- haunisbrodbäumen anmuthig gelegenen Dorfes sind heute ausschließlich muslimische Araber, unter denen Lortct meh rere Individuen von auffallender Schönheit bemerkte. Am Morgen des 12. Juni unternahm Lortet einen wei tern Ausflug nach dem in gerader Richtung etwa 30 km von Jerufalcm entfernten Hebron. Znm westlichen, dem Jaffathore, hinausreitend, verfolgte man zunächst die in süd östlicher Richtung führende Straße nach Bethlehem, die zuerst auf beiden Seiten von niedrigen Kornfeldern eingefaßt ist, bald aber auf die Hochebene hinaufsteigt, an deren Ende das große griechische Kloster Mar Elsas steht, von herr lichen, alten Oelbänmen umgeben. Etwas unterhalb des Klosters, da, wo sich der Weg nach Hebron von der Bcth- Rahel's Grab. hundert stammen und seitdem einigemal nmgebaut und ver ändert worden sein. lieber trockenes, steiniges Terrain, auf dem außer ver kümmertem Strauchwerk nichts von Vegetation zu sehen ist, führt die Hebronstraßc zunächst zu den Burak, den sogenann ten Salomonischen Teichen, den drei ungeheuren gemauerten Reservoirs des alten Aquädukts, der Jerusalem mit Wasser versorgte. Ueber die Zeit der Erbauung dieser berühmten Stufcntcichc ist viel nnd bis jetzt ohne Erfolg gestritten worden; indessen darf cs als ausgemacht gelten, daß die großartige Anlage ihren Namen mit Unrecht trägt nnd einer- viel spätem als der Salomonischen Zeit angehört. Der fast fünfstündige Weg von hier nach Hebron zeigte Lortet die jndäische Landschaft in ihrer ganzen Einförmigkeit. Zn bei den Seiten der Straße, die, ein Ueberrest aus der Römcr- zeit, hier mit großen allmülig ganz glatt geschliffenen Stein platten gepflastert ist, ziehen sich die trockenen, unbebauten röthlichen Hügel hin. Vereinzelt zeigen sich hin und wieder auf ihnen kleine Gehölze verkrüppelter Eichen mit stachlich tem Grün ((juorous Ualasstiua). In den Schluchten und Thülcrn nur sieht man von Zeit zu Zeit kleine Kornfelder, Oliven- und Feigenbäume. Nachdem eine Schar russischer Pilger den Weg nach Bethlehem «ungeschlagen hatte, war auf der Hebronstraßc, so weit das Auge reichte, kein Mensch zu scheu; nur in der Ferne ans den Hügeln, und gegen den blendenden Horizont scharf abgezcichnct, erblickte man einige arabische Hirten mit ihren Kamcelen oder Ziegen. In der heißen, unbewegten Luft hörte man nichts als das fortwäh rende laute Summen der großen Mistkäfer (soambaeus saosi-), die in großen Schwärmen über -dem auf der Straße verstreuten Pferde- nnd Kameelmist sich niedcrließcn, das gelegentliche Geschrei einiger weißköpfigcr Steinschmätzer (8axioc>Ia Isuooiuolu), die um die felsigen Hügel flogen, und den unermüdlichen Gesang der treuesten Begleiterin