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in Gorli residirt, beständig von einem freiwilligen Hof staate umgeben, welcher sich ans Mitgliedern der mingre- lischcn Adelsgeschlcchter zusammensetzt und in seiner ganzen Stellung und Anordnung an mittelalterliche Lehnsvcrhält- nisse, d. h. an die ihnen gleichenden mingrelischen Zustande von vor nicht zwei Jahrzehnten, erinnert. Die Stadt Zug- didi hat während des orientalischen Krieges viel zu leiden gehabt; zuerst für kurze Zeit von den Russen, dann monate lang von den Truppen Omer Paschas besetzt, wnrdc cs von diesen letzteren um so weniger schonend behandelt, als die russischen Sympathien des mingrelischen Fürstenhauses zwei fellos waren. Die Fürstin, die bei dem Ausbruche des Krieges erst seit wenigen Wochen die Regentschaft für ihren minderfährigen Sohn führte, sah sich gezwungen, sich in ein entlegenes Bergschloß znrückznziehen. Als in Folge einer Osfensivbewegnng des russischen Corps die türkischen Trup pen die Umgegend von Zngdidi verließen, war die ganze Landschaft verwüstet, die alten fürstlichen Schlösser nieder- gebrannt. Es ist bekannt, wie die Fürstin später an der Spitze ihrer Milizen selbst Theil an dem Kriege nahm, eine Handlungsweise, die ihr in den Augen ihres Volkes den Nimbus des Heldenthumes verliehen hat. Nach Been digung des Krieges durch ein kaiserliches Edikt nach Peters burg berufen, um ihre Söhne dort zn erziehen, legte sic dic Verwaltung des Landes in die Hände eines Conseils nieder. Der kurze Aufschwung, den Mingrelien unter der Regie rung des Fürsten David zn nehmen begonnen, den dic Rcgentin zu fördern gedacht hatte, war durch die Folge des Krieges schon gehemmt worden, jetzt fand er sein Ende. Unmittelbar nach Erreichung seiner Großjährigkeit gab Fürst Nikolaus seine Einwilligung zu der russischen Annexion Mingreliens. Jeder Reisende, der hente nach Zngdidi kommt, findet unter dem gastlichen Dache der Fürstin Dadian die bereit willigste Aufnahme. So auch Madame Serena. Wenige Tage vor Ostern in der Stadt eingctroffen, wohnte sie in Begleitung der „Dedopali« allen Ceremonien mxd Lust barkeiten bei, welche hier bei Gelegenheit dieses größten Mingrelischer Pflug. (Nach einer Photographie.) Festes der griechischen Kirche stattfinden. Am Charfrcitag wird dic Reihc dieser Festlichkeiten mit einem großen Jahr märkte eröffnet, der in dem Bazar von Zngdidi für die Stadt und ihre ganze Umgebung abgehalten wird. In der Nacht zum Ostersonntag findet in den drei Kirchen der Stadt feierliche Messe statt. Die buntgedräugte Versamm lung in ihrcr malerischen Tracht, die zahllosen Lichter — denn jeder der Andächtigen mnß eines in der Hand hal ten — die lautlose Stille, mit der die zahlreiche Menge das: „Ollrists sZäAa" (Christus ist erstanden) des Prie sters erwartet, um dann sogleich in die jubelnde Antwort: „Psollssmariäaä!« (Ja, in Wahrheit!) ausznbrcchcn, das alles ist ein unvergeßlicher Eindruck. Nachdem dic üblichen Beglückwünschungen, Umarmungen und Küsse unter den Versammelten gewechselt sind, kehrt alles in die Häuser zu rück, wo jetzt, um vier Uhr Morgens, das große feierliche Liebesmahl abgehalten wird, das sich mit kurzen Unter brechungen bis zum Mittag hinzieht, und zu dem jeder ge laden und willkommen ist. Früher war es Sitte, daß sümmtliche Bewohner der Residenz dieses Liebesmahl als Gäste des Fürsten auf dem Schlosse cinnahmcn, heute ver einigen sich hier nnr noch außer der Familie und dem „Hof staate« wenige bevorzugte Personen und die Geistlichkeit. Keiner der Gäste darf mit leeren Händen zn diesem Mahle kommen; wer nicht ein Osterlamm oder ein Milchschwcin bringt, begnügt sich mit der ebenfalls symbolischen Gabe einiger Eier, die in nnglanblichen Mengen zu diesem Zwecke hicrhergebracht werde». Am Nachmittag des Ostertages beginnen die drei Tage währenden Volkslnstbarkcitcn, zu denen sich Hoch und Ge ring auf einer weiten, grasigen Ebene vor der Stadt ver sammelt. Hier werden die nationalen Tänze der lesKinslla und des nlmnkuri mit unermüdlichem Eifer nnd wahrer Be geisterung ausgcführt. Die Zuschauer sitzen im Kreise nnd begleiten dic cintönigcn Tanzwciscn mit Händeklatschen und lauten, wild klingenden Zurufen. Die Lcsginska, ein lang samer, graziöser Tanz, wird oft nnter scherzhaften Wechsel- redcn der Tänzer ansgeführt, denen die ganze Versammlung lauscht, nnd bei denen sich die geistige Gewandtheit und Schlagfertigkcit des mingrelischen Volkes in bestem Lichte zeigt. Dieses Tamascha oder Tanzfcst am Ostersonntage und den darauf folgenden Tagen bildet den Anfang der