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Begründet von Karl Andree. Ju Verbindung mit Fachmännern herausgegeben von Dr. Richard Kiepert. Braunschweig Irlich 2 Bände L 24 Nummer». Durch alle Buchhandlungen und Postanstaltcn 1882. MM Preise von 12 Mark pro Band zu beziehen. Das heutige Syrien. (Nach dem Französischen des M. Lortct.) XV. (Sümmtliche Abbildungen nach Photographien.) Der Gipfel des Oclbcrgcs, der sich in seiner höch sten Kuppe »och 60 m über der obern Terrasse des Tcm- pclhngcls erhebt, gilt schon seit dem Beginne des 4. Jahr hunderts für die Stätte der Himmelfahrt Christi. Infolge dieser Annahme, die freilich dem Berichte des Evangelisten durchaus widerspricht (nach Luc. 24, 50 fand Christi Him melfahrt bei Bethanien statt), entstanden schon früh groß artige kirchliche Bauten auf der Höhe des Berges. Wir wissen, daß Konstantin hier eine Basilika ohne Dach er richtete, in der die Fußspuren Jesu gezeigt und verehrt wurden; daß sich im 6. Jahrhundert mehrere große Klöster rings um die heilige Stätte erhoben, und daß im 7. Jahr hundert Bischof Modestus eine umfangreiche runde Kirche auf dem Oelbcrge erbauen ließ. An der Stelle dieser letzter», die im 11. Jahrhundert zerstört wurde, führten die Kreuzfahrer dann einen kleinen Säulenthurm inmitteu eines marmorgepflasterten Hofes auf, und noch nicht hun dert Jahre später sehen wir dieses bescheidene Bauwerk schon wieder durch eine große Kirche ersetzt, in deren Mitte eine geräumige Vertiefung die Stelle der Himmelfahrt be zeichnete. Eine kleine Kapelle, die daneben errichtet war, blieb, als die Kirche selber im 16. Jahrhundert vollständig zerstört wurde, erhalten, und wurde im Jahre 1617 von den Muslimen nach dem Muster des frühem Baues er neuert. Nach demselben alten Grundrisse ist auch die heu tige „Auffahrtskapclle" in den dreißiger Jahren unseres Jahrhunderts aufgeführt worden, ein kleiner, achteckiger Kuppelbau, von einem Hofe umgeben. Die Kuppel wölbt sich über der angeblichen Himmelfahrtsstelle, wo in einem länglichen Marmorviereck der Abdruck des rechten Fußes Jesu gezeigt wird. Heute im Besitze der Muslimen und von ihnen ebenfalls als heilig verehrt, wird die Kapelle zwei- oder dreimal im Jahre den Griechen und Lateinern zur Abhaltung ihres Gottesdienstes geöffnet. Neben dem Eingangsportal des Hofes erhebt sich ein schlankes Minaret; cs gehört zu dem Derwischkloster, das hier an der Stelle einer ehemaligen großen Augustinerabtei steht. Unbeschreiblich schön und großartig ist die weite Rundsicht, die man von der Höhe des Minarets genießt; ganz besonders interessant aber nach Westen und nach Osten hin. Auf der erstem Seite zeigt sich uns das Bild der ausgedehnten Stadt mit den herrlichen Moscheen des Tempelhügels im Vorder gründe; nach Osten hin sehen wir das Thal des Jordan und das blaue, schimmernde Wasser des Todten Meeres vor den in violetten Duft gehüllten Höhenzügen am Hori zonte. 1200 Meter tiefer als der Gipfel des Oelbergcs liegt das Becken des Todtcn Meeres; aber die kahlen, trocke nen Hügelterrassen, die sich zwischen beiden hinzichen, fallen so allmälig ab, daß man den Höhenunterschied nach dem Augenscheine nie für so bedeutend halten würde. Man unterschützt ihn ebenso, wie die Entfernung, die kaum ein bis zwei Meilen zu betragen scheint und die Globus XI.I. Nr. 21. 41