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E. Kramberger: Pakrac und Lipik im Westen des Pozeganer Comitats. 315 sich langsam, und floß auch zum Oeftern spärlich. Der Eigcnthümcr ließ deshalb iu Jahresfrist einen 123" 4'9" tiefen artesischen Brunnen anlegen, worauf jene vier Quel len versiegten, die neue aber allein in 24 Stunden 30 000 Eimer Jodwasser giebt mit einer Temperatur vou 49,3 bis 51,2»R. Die Zusammensetzung (Jod, Brom, Natron und Kali) macht sie zur einzigen der Art in Europa. Seit dem Knoll ein geschmackvolles, ziemlich geräumiges Kur- und Wohnhaus bauen ließ, mehrt sich die Zahl der Gäste jährlich, so daß jetzt schon viele im Dorfe keine Unterkunft mehr finden nud gezwungen sind in Pakrac zn wohnen. Obgleich bis jetzt etwas über 1000 Gäste im Jahre zum Kurgcbrauche kommen, dürfte sich die Zahl derselben bin nen wenigen Jahren bedeutend steigern. Es wundert mich, daß noch kein Unternehmer auf den Gedanken gerieth, einen regelmäßigen Stellwagenverkchr zwischen Lipik und Altgra- diska an der Save einer- und Bares-Veröce andererseits einznfnhrcn, um so mehr, da auch das Bad Daruvar auf letzterer Strecke liegt. In Lipik ist die Bevölkerung gemischt; nebst Landcs- kindern wohnen hier Böhmen und einige Ungarn. Je wei ter man von da nach Westen vordringt, desto mehr ändert sich der Charakter der Landschaft; das Terrain verflacht sich, wird etwas wellenförmig, die Gebirge treten südlich und nördlich zurück und gehen im Süden in die Savecbene über. Ausfallend ist die Tracht der Frauen schon in den folgenden und weiter gegen Kutina gelegenen Orten. Eine weiße, geschlungene Poculica sitzt weit rückwärts auf dem iu einen dicken Knoten geflochtenen Haar des Hinterhauptes, der Scheitel bleibt bloß. Statt des Hemdes schmiegt sich ein kurzes, weißes Korscttchen bis zum halben Rücken um den Leib und läßt diesen bis zum Gürtel unbedeckt. Vorn geht cs vom Halse abwärts in herzförmigem Ausschnitte ausein ander; die Brust bleibt halbcntblößt, neugierigen Blicken ausgesetzt, die jüngere Personen, besonders um Kutina herum, auf sich ziehen, wo die Frauen wieder hübsch, viele sogar sehr amnnthig sind. In den meisten Fällen jedoch, an Sonntagen regelmäßig, werfen sie außer dem Hanse ein buntes Tuch über die Schultern, Brust und Rücken. Die Skutc, auf ähnliche Weise in Falten gelegt, wie wir dies bei den Bclikauerinncn kennen lernten, bedecken Schliuge- reicn und Stickereien; ebenso die Aermel bis an die Achseln. Lon Lipik fuhr ich dann südlich ein Stück ins Psunj- Gebirge hinein über 6 aglio nach Biela stiena. Hat mau die Pakra unterhalb Lipik überschritten, so windet sich die gntangclcgte Straße die Anhöhen hinauf. Sie fuhrt nach Oknöani im GradiAaner Bezirk, wo sie in die große, von Sisek über Moslaviua, Novska und Gradiska nach Brod und Esseg laufende cinmüudet; ein Zweig reicht bis Altgradwka an der Save. Eine Reihe Weingärten krönt die eben erklommene Bergkante. In einem derselben flat terten als Vogelscheuchen eine Unzahl weißer Papicrstreifeu an langen Fäden wie die Wimpel eines Seeschiffes; ich hielt sic anfänglich für Fähnlein, von einer lustigen Gesellschaft ausgestellt. Reizend ist von hier der Anblick des fernab liegenden Pakrac mit seinen blinkenden Thnrmen und Dä chern ; in saftigem Grün liegt Lipik vor dem Ange, im fer nen West erhebt sich die Kette des Moslaviner Gebirges in Kroatien; im Osten aber reihen sich in nächster Nähe die waldigen, finsteren Gipfel des Psunj aneinander. Er ist die Fortsetzung des hohen Sujnik und reicht wie dieser ins Savcthal hinein. Im Walde herrscht die Buche vor, jedoch finden sich auch Eschen und Ahorne in großer Menge. Bald senkt sich die Straße in ein kleines Kcssclthal, wo sich das hübsche, reinliche, gutgebaute Dorf Oaglio mit zwei Kirchen zu beiden Seiten des Weges hinzicht, der erste Ort, der zum Bezirke Gradiska gehört. Weiter nach Süden steigt die Straße immer höher und wilder werden die um gebenden Berge. Desto angenehmer überraschte mich nach einer langen Stunde vollständiger Einsamkeit der unerwar tete Anblick eines Dorfes mitten in einer schönen Gebirgs landschaft; Biela stiena lag vor mir. Vor dem Dorfe steigt linker Hand, also östlich, aus grünem Thale ein run der Kegel empor. Von der Sohle bis zur Mitte reichten Maisfelder, darüber eine Grasflüche, hier und da etwas Gebüsch, auf der Spitze einige weiß schimmernde Mäucrlein. Im Hintergründe Kalkwände, Schluchten und Abstürze, über die hinaus sich die tiefblauen Gebirgsmasscn des Psunj häuf ten, gegen Osten hin immer dunkeler werdend und im Ge wölle verschwimmend die zur Save hinreichenden, in röth- lichem Lichte leuchtenden Züge. Neber ein sanft abfallendes Brachfeld stieg ich ins Thal hinab und betrat den Hügel. Nachdem ich ihn langsam erklommen, warf ich einen Blick in das nach Süden sich erstreckende Thal. Man muß be kennen, unsere Vorfahren verstanden cs, die zur Anlage von Burgen und Klöstern günstigsten Punkte zn finden. Auch hier stand einst ein berühmtes Schloß und Kloster, nach dem noch heute zu Tage das benachbarte Dorf benannt wird. Die Ruine ist hohen Alters, nach gefundenen römischen Inschriften und Münzen zu schließen, vielleicht schon ans der Kaiscrzcit herrührend. Jedenfalls wird ein Verkehrs weg von der Save über dieses Joch nach Jguuo Hulmsas und weiter in die „^urss. vallis" (Polega) geführt habe». Ein gefundenes Schwert mit dem Wahlspruch kro I)so st putriu, 1444, giebt Zcugenschaft für das Alter der Manern. So viel geschichtlich erwiesen, stand hier zuerst eine den Templern gehörige Abtei nebst dem Schlosse Abbatia Bca- tae Mariae Virginis de Bcla Sticna, die 1311 nach Auf hebung des Ordens in königlichen Besitz überging. Bon nun an wechselten die Herren desselben häufig und an das ^Oastrunrl^srlrsv" H schloß sich allmälig die Stadt oder wenigstens ein größerer Flecken „oppickum siinilitsr lls^sr- llsw« an. König Sigismund verschenkte es 1435 andcnscr bischen Despoten Georg Brankoviö; dessen Enkel, Zmaj despot Vuk, besaß eS nm 1478. Damals gehörten über 60 Dörfer und andere Flecken dazu. Es ging, nm kurz zu sein, vou Buk auf seine Wittwe Barbara und endlich von der Familie der Vrankovio ans die der Bcrislavw, dann ans Banfy, König Ludwig uud Peter Keglevio, eine Reihe von berühmten Namen, über. Dem Keglevio entrissen es 1543 die Türken und ver blieben dariy, bis sie 1685 vom Banns Erdödy daraus ver trieben wurden. Die aufständischen Slavonicr machten den Türken viel zn schaffen; viel Blut wurde auch in Biela sticna vergossen, bis mitbem Abzüge der Asiaten die Mauern verödet und Ruine blicbcn. Bei Anlage der neuen Straße brach man sie ab und man würde selbst die letzte Spur derselben vertilgt haben, wenn sie nicht den stärksten Brcchwcrkzengcn Widerstand geleistet hätten und wenn schließlich nicht ein Mann durch einen fallenden Stein wäre erschlagen worden; dessen Tod that dem Vandalismus Einhalt. Die betreffende Militärbehörde hätte damals jedenfalls das alte Bauwerk schonen nnd dessen Vernichtung verhindern sollen. Beim Abträgen der Mauern fand man einen Schädel, von einer festsitzendcn, starken und langen Nadel durchbohrt; einen stummen Zeugen jener grausamen Zeit. Der Bolksmund knüpft an eine der Herrinnen, die eine Zeit lang das Schloß besaßen, eine hübsche Sage. Es wohnte, so erfuhr ich von i) Die veraltete magyarische Schreibweise des Namens Fehsrkö, des kroatischen Itisla stisna; zu Teutsch etwa Weißen- stein oder Weißenfels. 40