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308 Das heutige Syrien. erzählt, deren Umgebung er gesegnet habe, war stets auf den Tempel von Jerusalem bezogen worden. An dieser gesegneten Stätte, über dem heiligen Felsen errichtete nun der Chalif Abd-el-Melik den Felsendom Kubbeb es-SachrL, heute noch nächst der mekkanifchen Kaaba das höchste Heilig thum des Islam. Den Traditionen getreu, die sich an diese Stätte der herrlichsten Bauten knüpften, wurde auch dieser ueue Tempel in großartigster Weise angelegt, und jede spätere Restauration vermehrte noch seine ur sprüngliche Pracht. Eine drei Meter hohe, fast qua dratische Plateform von etwa 170 na Länge und Breite wurde unter theil weiser Benutzung des Fels bodens aufgeführt und mit großen Steinplatten belegt; in ihrer Mitte erhebt sich der achteckige, polychrome Tempelbau mit seiner mächtigen Kuppel. Bon drei Seiten führen Trep pen zu der Plateform em por, die oben in Arkaden endigen: vielleicht eine Reminiscenz an den Säu lenvorhof des alten Tem pels. Von der Plateform, die schon, wie das Innere des Heiligthums, nur mit unbeschuhten Füßen betre ten werden darf, genießt man einen schönen Um blick über das ganze Ha rum und die Menge der großen und kleinen Heilig thümer, die im Laufe der Zeit indem geweihtenBezirk entstanden sind. Zwischen stattlichen Bäumen, der Mehrzahl nach Cypressen, zeigen sich auf allen Sei ten kleine Kuppelbauten und schlanke Minarets, Heiligengräber, Gebetsni schen und kleine Säulen hallen über die Fläche zer streut. An ihrer Südseite erhebt sich der massige Bau der alten Moschee El-Aksa, die, ursprünglich eine christ liche Basilika und von Justinian zu Ehren der heiligen Jungfrau erbaut, sowohl in ihrer Form als auch in ihrer Bestimmung die größten Metamorphosen durchgemacht hat. Von Omar dem muslimischen Kultus geweiht und für jene entfernteste Moschee (Mesdschid-el- Aksa) ausgegeben, die der Prophet auf seiner wunderbaren nächtlichen Reise besucht hatte, wurde sie von den Templern unter dem Namen des Ualatium äoruiui als Wohngebäude benutzt. In den großartigen Hallen der Unterbauten dieser Seite des Haram, die bei dem muslimischen Volke für ein Werk der Salomo unterthänigen Dämonen gelten, befan den sich die Pferdeställe des Ritterordens. In den Frühlingsmonaten von Mitte März bis Mai, der für die syrische Landschaft günstigsten Zeit, zeigt sich auch das Haräm von seiner besten Seite. Der braunrothe Boden bedeckt sich dann mit grünem Rasen und einem bun ten Flor von Anemonen, Tulpen, Schwertlilien und ver schiedenfarbigen Disteln; und während der heilige Bezirk trotz der Menge seiner phantastischen Bauten an einem heißen, dunstigen Sommertage nur gar zu leicht den Ein druck einer ebenso trostlo sen, todten Oede macht, wie wenn er unter der schnell vergehenden Schnee decke eines gelegentlich ein tretenden scharfen Wintcr- tages begraben liegt, so hat er im Frühling ein fröhliches Leben aufzuwei sen. Scharen von Vö geln nisten dann in den Bäumen und dem alten Mauerwerke. Allenthal- bcu hört mau das Girren der Turteltauben (Uurtur ssusAalsnsis) und den Gesang der blauen Amsel (Uotrooinola oz-ansa); große Schwärme der ver schiedenen hier vorkommen den Raben (llorvus corax, 6. nrulminus, 0. uAricola Und 0. rnonsäula) finden sich zu allen Tageszeiten hier ein und erfüllen die Luft über dem heiligen Platze mit ihrem lauten Geschrei. Die klare Be leuchtung und die auffal lend durchsichtige Luft des Jerusalemer Frühlings tages sind überdies für die weitere Umschau von der Tcmpelplateform ebenso wünschenswerth, wie für die Besichtigung des Inne ren der Moschee, durch deren aus bunter Glas mosaik zusammengesetzte Fenster nur spärliches Licht einfällt. Lortet hatte für fei nen diesmaligen Besuch des Haram einen Tag gewählt, an dem sich zu diesen günstigen Umständen noch ein anderer, nicht minder günstiger gesellte. Zwei Tage zuvor hatte das große Fest des Nebi-Musa, die Wallfahrt nach dem zwischen Jerusalem uud dem Todten Meere belegenen „Grabe des Moses", stattgefunden und eine unzählige Menge von Pilgern in der Stadt zusam mengeführt. Die hohe Bedeutung des heiligen Tempel bezirkes für den gesammten muslimischen Kultus konnte kaum klarer vor Augen geführt werden, als durch die Scharen andächtiger Gläubigen, die ihn heute belebten. Im Schatten der Bäume auf dem Rasen, sowie auf dem von der Sonne erhitzten nackten Felsbodcn waren die Das Brunnengebäude Sebll Katt Bei.