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Eine Reise durch Mingrelien. sames Mahl abgehalten, zu dem vorher ein eigenes Gebäck, das sogenannte luvasoü, ein weiches, leicht knetbares Brot, angefertigt worden ist. Die von weither gekommenen Gäste übernachten im Trauerhause, oft eng genug an einander ge drängt. Die am folgenden Tage stattsindende Beerdigung gilt für den nebensächlichen Theil der Feier; auf einem mit schwarzem Baldachin bedeckten Wagen steht der Sarg, rings um ihn kauern laut heulende Klageweiber; die Hinterblie benen schreiten hinterher, die Wittwe des Verstorbenen auf einem mit reichem Silberfchmuck versehenen Pferde, wieder begleitet von zwei Frauen, die ihr die Hände halten, in langem, ungeordneten Znge folgt die heulende, schreiende Schaar der Theilnchmenden zum Begräbnißplatze. Die Kosten einer solchen Bestattungsfeier, der nach Ablauf von vierzig Tagen ein zweiter Tag des Weinens mit neuen Trauerreden und großem Festmahle folgt, sind sehr erheb lich. Einen Theil der Leistungen an Verpflegung u. s. w. bezahlen die Gäste im Einzelnen; außerdem giebt jede der geladenen Familien der Familie des Verstorbenen eine ge wisse Summe, die jedoch nur als ein Darlehn betrachtet wird. In einem neben dem Trauerhause errichteten Zelte nimmt einer der Hinterbliebenen diese Darlehen entgegen, deren Höhe ordnungsmäßig gebucht wird, und die bei dem nächsten Trauerfalle in der Familie des Darleihers in der nämlichen Weise zurückerstattet werdeu. Auch die Hochzeitsfciern der Mingrelier, denen Madame Auf dem Bazar in Zugdidi. (Nach Photographien.) Serena zu verschiedenen Malen beiwohnte, sind reich an eigenthümlichen Gebräuchen. Im Allgemeinen wird die Ehe hier von der rein geschäftlichen Seite betrachtet und als ein Vertrag zwischen den Familien der beiden Bethciligteu abgeschlossen, wobei vornehmlich auf Gleichheit des Standes oder wenigstens des Vermögens gesehen wird. So kommt es denn anch nicht selten vor, daß Kinder, die man schon in ganz jugendlichem Alter verlobt hat, im zehnten oder zwölften Lebensjahre mit einander vcrhcirathct werden. Bei der kirchlichen Trauung darf die Mutter der Brant nicht zugegen sein, bei dem unmittelbar darauf folgenden Mahle auch nur ein kleiner Kreis von Verwandten. Ist dieses Mahl abgehalten, so kehrt der Neuvermählte in seine Woh nung zurück, die er jetzt erst für die Ausnahme der Gattin cinzurichtcn beginnt. Ist diese noch sehr jung oder der junge Gatte noch nicht im Stande, eine Familie zn erhal ten, oder treten irgend welche Hindernisse ein, so bleibt das Mädchen oft noch jahrelang im Hause ihrer Eltern. In den meisten Fällen aber sind die nöthigcn Einrichtungen in wenigen Tagen getroffen, und die junge Frau wird von den Freunden ihres Gatten bald im Triumphe heimgeführt. Dem Zuge, iu dessen Mitte die Brant reitet, das Gesicht mit einem dichten Tuche verhüllt, folgen ihre Angehörigen nud Freunde, fämmtlich zu Pferde. Unter Gesängen und Reiterkünstcu aller Art wird der Weg zurückgelegt; im Hanse des Gatten angclangt, muß die Braut sich von ihren Freundinnen schmücken lassen; dann beginnt das Hochzeits mahl, das im Freien unter blumengeschmücktcn Zelten und Lauben abgehaltcn wird, und bei dem die neben ihrem Gat ten sitzende Braut weder ein Wort sprechen, noch etwas 3*