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18 Eine Reise durch Mingrelien. großen Versammlungen und tagelang währenden Trauerfeste ist übrigens in Mingrelien ganz allgemein und in allen Klassen des Volkes üblich. Gleich nach dein Ableben eines Familieuglicdes werden berittene Boten zu allen, wenn auch noch so entfernt wohnenden Freunden und Verwandten aus gesandt, um sie zu dem Tirili, dem Tage des Weinens vor der Bestattung, aufzufordern. Bei den weiten Entfer nungen und dem schlechten Zustande der Wege vergehen oft eine bis zwei Wochen, ehe die Geladenen eintreffen; so lange muß der Tvdte« unbeerdigt bleiben. Ist endlich die Versammlung vollzählig, zu der nie einzelne Abgesandte einer Familie, sondern stets alle Mitglieder derselben sich einfinden, so wird die Todtenklage abgehalten. In langer Procession, zu zwei und zwei neben einander gehend, Sän ger und Klageweiber voran, ziehen die Versammelten, meist mehrere hundert, bei Begräbnissen von Adligen oft zwei- Einwohnerinnen von Zugdidi. (Nach einer Photographie.) bis dreitausend Personen, nach dem Hause, in dem der Todte in einem verschlossenen Sarge liegt. Die eigentliche Trauerfeier, bei der die Familie des Verstorbenen unter einem schwarzen Baldachin auf der Erde sitzt, Männer und Weiber von einander getrennt, beginnt mit allgemeinem Weinen und Klagen. Dann folgen, von den verschiedenen Familienhäuptern unter den Anwesenden gehalten, Reden zur Verherrlichung des Todten, zum Tröste für die Hinter bliebenen, Ansprachen an den Dahingeschiedencn, dazwischen immer neue Klagen und Trauergesänge. Die Sitte ver langt es, daß die weiblichen Hinterbliebenen sich dabei die lang aufgelösten Haare zerraufen, das Gesicht mit den Nä geln zerfleischen, oder wenigstens den Versuch dazu macheu, denn neben einer jeden von ihnen muß eine Frau aus der Versammlung sich niederlassen, die das Amt hat, die Auf geregte durch Festhalten der Hände an dieser Aeußerung ihres Schmerzes zu verhindern. Ist auf diese Weise der größte Theil des Tages hingcbracht, so wird ein gemein-