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ausgedehntes und über ganz Syrien verbreitetes Sckten- wesen entwickelt. Jede der fünf neben einander bestehenden Sekten, die an Fanatismus den griechischen und römischen Christen der Stadt nichts nachgcben, besitzt heute eine oder mehrere Synagogen. Diese sowie die zahlreichen groß artigen Gebäude der WohlthätigkeitSaustaltcn, welche die Familien Rothschild und Montefiore und die Associationen von großen jüdischen Firmen Englands, Frankreichs nnd Deutschlands hier errichtet, haben im Lauf der letzten Jahre das Judeuqnarticr von Jerusalem immer weiter ausgedehnt. Daß eine wirkliche Abhilfe des in den politischen Verhält nissen begründeten Nothstandes der Jcrnsalemer Juden durch diese reichen Beisteuern der Glaubensgenossen doch nicht zu erreichen sein würde, darüber war nnd ist man sich auch heute noch in den betreffenden Kreisen vollkommen klar. Auf die Erkeuntuiß dieser Thatsache gründete sich denn auch seinerzeit Bcaconsfield's heute fast vergeßenes Projekt der Gründung einer großen syrisch-jüdischen Kolonie im alten Gilead und Moab. Ein Areal von 600 000 Hektaren, jetzt nur von nomadisirendcn Beduinen bewohnt, sollte das Gebiet dieses ncujüdischcu, unter die Oberhoheit der türkischen Regierung zu stellenden Reiches sein, an dessen Spitze ein Fürst aus jüdischem Geschlechte stehen würde. Wie Lortet mit Bestimmtheit wissen will, märe es übrigens damals nicht nur bei dem Projekte dieser Gründung geblie- bcn. Der englische Gesandte in Konstantinopel hätte dem Sultan den Plan zu dem ganzen Unternehmen zn unter breiten gehabt und sei dabei aus keinerlei Widerspruch ge- stoßcu. Zur Erledigung der finanziellen Seite der Frage, d. h. zur Zusammenbringung der an die Pforte zu zahlen den Millionen, seien durch Sammlungen in der hohen Fi nanzwelt die ersten Schritte glücklich gethan. Sobald die definitive Einwilligung der Pforte gegeben sein werde, solle mit dem Bau vou zwei Eiscubahncn, der einen von Jaffa nach Jerusalem, der andern von Haifa bis jcnscit des Jor dan, sowie mit der Anlage eines Kanals vorgegangcn wer den, der das Mittelmeer mit dem Golf von Akabah ver binden würde. Der Bevollmächtigte der, wie cs scheint, mehr finanzielle als religiöse Zwecke verfolgenden Gesell schaft soll ein bekannter englischer Diplomat fein. Wenn es sich bei dieser ganzen Angelegenheit, auf die Lortet, als auf eine mögliche Schädigung französischer Interessen, die Aufmerksamkeit der französischen Diplomatie zu lenken wünscht, nicht schließlich doch vielleicht um eine große My stifikation handelt: der Glaube an die Ausführbarkeit dieses Projektes würde au nnd für sich schon bezeichnend sein für Bcaconsfield's phantastische Richtung einerseits, andererseits aber für die Zähigkeit und das nicht zu unterdrückende großartige Selbstvertrauen des „Volkes Gottes". Die M akua Auf S. 159 dieses Bandes finden unsere Leser eine vorlänfigc Notiz über die Reife, welche der englische Konsul in Mozambique, Mr. H. E. O'Neill, in der zweiten Hälfte des vorigen Jahres von jener Stadt aus nach Westen in der Richtung auf das südliche Ende des Njasfa - Sees unternommen hat. Sein ausführlicher Bericht, von zwei Karten begleitet, liegt jetzt in den „UroassäinZs ob tlw ko^al OvvArapllioal 8ooist^" (April 1882) vor; znm ersten Male eigentlich erfahren wir durch denselben etwas über das weite Gebiet, welches im Norden von dem Ro vuma-Flusse, im Süden vom Zambesi, im Westen vom Schirwa-Sec und im Osten von dem Kanale von Mozam bique begrenzt wird. Vor ihm hat nur der Portugiese Silva Porto angeblich dasselbe durchzogen; von dem aber, was nach seinen Angaben auf die Karte gesetzt wordcu ist (z. B. Pctcrmanu's Mitth. 1867, Taf. 10 a), konnte O'Neill nichts verificiren. Auch hörte er nirgends davon, daß jemals ein weißer Mann das Makua - Land durchzogen hätte, trotzdem daß er nahezu dessen Wcstgrcnze erreicht hat. Es ist ein merkwürdiges Zusammentreffen, wie in der ans die Verlesung jenes Berichtes folgenden Diskussion der Geologe nnd Afrikarcisende Joseph Thomson hervorhob, daß gleichzeitig mit O'Neill, aber unabhängig von ihm und ohne von einander zu wissen, noch zwei andere Engländer im Makua - Laudc gereist sind, nämlich Thomson selber an seiner Nordgrcnze am Rovuma (s. oben S. 127) und der Reverend Chauncy Maples im Ccntrnm desselben (s. „Globus" XI,, S. 351). Aus den Berichten derselben sowie aus denen des Bischof Steerc nnd des Barons von der Decken ergiebt sich nach Thomson, daß der ganze Strich Landes vom Rnfidschi bis zum Zambcsi denselben Charakter trägt: es ist ein leicht gewelltes, unregelmäßiges Gcbict, das sich bald zu einer großen Ebene ausdehnt, bald n O st a f r i k a. ciu enges Thal aufwcist, unterbrochen von kleinen Gebirgs zügen und isolirten malerischen Berggipfeln. In geologi scher Hinsicht besteht das Land aus metamorphischcu Schie fern, Gneiß und Granit. Die Schiefer sind verschwunden und wcggespült worden und bilden jetzt die Ebenen in den Thälcrn, während die Buckel harten, kompakten Gesteins als Bergzügc und einzelne Piks stehen geblieben sind. Das Interessanteste aus O'Ncill's Bericht ist die Entdeckung der Jnagn-Kette nnd des merkwürdigen Schnecberges Namnli (s.obcn S. 159), welcher über derselben emporstcigt. Die Kette bezeichnet offenbar den Anfang des innern Hochlandes; und was den Namnli anlangt (dessen Gipfel O'Neill bekanntlich nicht zn Gesicht bekam, von dessen Schneebedeckung er vielmehr nur hörte), so erkundete Mr. Maples genau dasselbe ans ganz anderen Quellen, so daß an dem Schnee auf seiner Spitze nicht zu zweifeln ist. Dann aber muß er in Anbetracht seiner Lage über 16 000 Fuß hoch sein. Thomson glaubt, daß er vulkanischer Natur und ein Glied in jener Kette ist, welche vom Rothen Meere bis zum Kap reicht, und welcher die vulkanischen Ergüsse in Abessinien, am Kilimandscharo und die riesigen Tuff- und Lavamasscn, die Thomson selbst am Nordende des Njassa-Sees entdeckt hat, ihren Ursprung verdanken. Diese Vnlkanreihc fiele mit der Dislokations- linic, längs deren die Ostseite des afrikanischen Kontinentes gehoben wurde, zusammen, und auch die Depressionsgcbiete des Njassa- und Tanganjika-Sees wären derselben annähernd parallel. Die Bewohner des oben umschriebenen Gebietes sind die Makua, mit denen O'Neill nicht nur während seiner dreimonatlichen Reise im Jahre 1881 in Berührung kam, sondern über welche er schon bei fünf früheren Reisen längs der Küste und während eines fast dreijährigen Aufenthaltes in Mozambique mancherlei Erknndignngcn cingczogcn hat.