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Dr. O. Heyfelder: Ethnologisches aus der Oase der Achal-Teke. 283 (Kiljeri) der einzelnen Ehepaare; doch ist deren Anzahl, wegen der geringer» Menge der Familienmitglieder, nicht so groß als in den Ortschaften um Pozega. Der Bauer betreibt auch hier Schweinezucht. Jedes Haus hält zu sei nem Rudel einen eigenen Hirten; oft sind die Kinder des Hauses mit diesem Dienste betraut. Wilde Birnen nnd Aepfel, die sie ihren Thieren in den Wäldern oder auf den Stoppelfeldern, wo man solche Bäume oft in riesiger Größe antrifft, mehrmals im Tage vorschütteln; Schwämme oder zerstreutes Getreide aus dem Uber und Uber aufgewühlten Boden zu Tage gefördert, sowie Grasweide beschäftigen die gefräßigen RUsselthiere vollauf. Beim Niedergange der Sonne aber eilen sic, wie die TrUmmer eines auf wilder Flucht begriffenen Heeres, in allen Tonhöhen quitfchend und grunzend, im Carriere nach Hause und den Kürbissen oder sonstiger Nahrung zu, wobei eines das andere zu Über holen sucht, um die fettesten Bissen fUr sich in Beschlag zu nehmen. Einzelne Hirten jedoch bringen es in der Kunst der Dressur und Disciplin so weit, daß sie an der Spitze des Heeres rasch einherschreitend und mittels langer Peit schen aus Hanf die Luft mit donnerbüchsen-ähnlichem Ge knalle erschütternd, das Rudel iu Zucht und Ordnnng bis in die Nähe des Hauses zu bringen wissen, wo es sich plötz lich löst und in größter Hast dem offenen Thore zustllrzt. Im Herbste, zur Zeit der Zwetschenreife, ist der Bauer auch in dieser Gegend mit Branntweinbrennen viel beschäf tigt. Die Nachbarn besuchen sich gegenseitig, kauern sich in hockender Stellung um den aufgestellten Kessel, rauchen, plaudern und kosten das warm hervortröpfelnde Naß. Der Branntwein übrigens, den sie zum täglichen Gebrauch er zeugen, Klipara genannt, hält nur einige Grade. Er ist bei der Arbeit auf dem Felde von trefflichem Nutzen, da er stärkt, keinen Schweiß erzeugt und nicht berauscht; erst große Quantitäten können betäuben. Im Ganzen ist der hiesige Bauer bequem; der Grund mag wohl in der großen Abgeschlossenheit von den an Verkehr reicheren Städten lie gen. Uebrigens ist er gutmüthig, wenn man mit ihm um zugehen versteht. Merkwürdige Gebräuche erhielten sich im Volke. Bei Kindstaufen z. B. pflegt eine vermummte ältere Frau, häufig auch die Redusa H, mit einem Kochlöffel unter die Gäste zu treten und denselben das Kücheninstru ment vorzuhalten; ein Wink, dem jeder von ihnen mit we nigstens einem Kreuzer als Geschenk für die Kochkünstlerin nachkommt. Selbstverständlich jedoch fällt die Gabe nicht selten reichlicher aus. Kommt etwa ein neuer Gast hinzu, so versteckt man ihm den Hut, bis er ihn mit einem Geld geschenke auskauft; der Betrag gehört dann dem Täufling. i) S. „Globus» XI,, S. 23. Jedermann, der ins Haus tritt, ist willkommen und wird nach besten Kräften mit Speisen und Wein bewirthct. Bei solchen Gelegenheiten müssen meist Schafe und Schweine ihr Leben lassen nnd kommen, am Spieße gebraten, mit diesem auf den Tisch; das Zertheilen besorgt der Hauswirth, der jedem nach Wunsch vorlegt. Der Braten, auch von den größten Schweinen, ist immer wohlschmeckend, da die Leute das Ausbraten vorzüglich verstehen. Um die Heran wachsenden Kinder machen sich die alten Weiber, bewandert in der Kunst des Zauberns, daher Vraoars, Zauberinnen, genannt, mit Zauberkünsten viel zu schaffen. Verliert z. B. ein Kind den Zahn, so wird er in eine alte Weide einge bohrt, die Bohröffnung aber verstopft, damit der junge Welt bürger keine Zahnschmerzen mehr bekommt. Oder man schickt den Sprößling mit dem ausgefallenen Zahn auf den Hausboden, wo er dreimal ausspucken und den Zahn über die Achsel hinter sich werfen muß. Dazu spricht er die Zauberformel „Nis, mis, svo tslsi null üostsni a ti msni ckaj AVMäoni» (Maus, Maus, ich geb' dir ein' beinern' Zahn, mach mir einen eisernen an). Das Mittel soll gegen das Ausfallen der Zähne helfen. Fieber sah ich auf eigen- thümliche Art kuriren. Der Patient mußte eine mit Zwirn umwundene Nuß nach rückwärts schreitend bis an das Ufer eines naheliegenden Baches tragen und dort über die Schul ter, ohne sich umzusehen, ins Wasser werfen. Die Lull» (Alte) that sehr geheim mit ihrem Mittel. Ich ließ nur also, Fieberanfälle verschätzend, auch einmal eine solche Nuß geben, warf aber, da die Heilkünstlerin zusah, eine andere ins Wasser und steckte die Zaubernuß ein. Als ich sie später, die vielen Zwirnsfaden, mit denen sie umwickelt war, lösend, öffnete, saß — eine arme Spinne darin! Der Zu fall fügte es, daß ich in Dragovio einer Gratulation bei wohnte. Die orientalischen Griechen feiern statt ihres Namens- oder Geburtstages den ihres Hauspatrons. Als solcher gilt zumeist der heilige Nikolaus. Der den festlichen Tag begehende selbst heißt Sveoar. Vermöglichere SveLari laden nebst anderen Gästen auch den Geistlichen ein, damit er das Mahl vor Beginn desselben segne. Während des Festessens wird eine Wachskerze angezündet, Weihrauch und Wein gebracht; alle erheben sich um zu beten, dann erst kommt der Braten auf den Tisch. Katholiken feiern ihren Namenstag. Schon am Vorabend stellen sich die Gratu lanten ein. Der Oaäovnj^ü (Feiernde) bewirthet seine Gäste mit Honigschnaps, Früchten und Fleischspeisen und läßt schließlich die Einladung für den nächsten Tag folgen. Ost ersinnt der Volkswitz auch scherzhafte Gratulationen. Als Beispiel gelte diese: „Äv i sckrav l>io, nur: rucku vomo, u luli sjeäio, üron üamis nvAs praäio.» Deutsch lautet dieser wohlgemeinte Wunsch: Sei frisch und wohl auf, ziehe an die Wagendeichsel gespannt, und in der Pfeife sitzend, stecke die Füße dnrch das Rohr. Ethnologisches aus der Oase der Achal-Teke. Von Staatsrath Dr. O. Heyfelder. Zur Charakteristik der Tekes aus der Achalteke-Oase kann noch Folgendes dienen Tekma-Syrdar sagte mir, es würden bei ihnen Kontrakte, Käufe nnd gerichtliche Ent scheidungen nur durch das Wort abgemacht, und dieses sei bei ihnen heilig. Daher auch er, wie alle Deputationen, Vgl. „Globus» XIU, S. 58. die sich inr russischen Lager nach nnd nach einfanden, ver sicherten, sie würden jetzt, wo sie einmal ihre Unterwerfung angckündigt, so gute und treue Unterthaneu sein, als sie vorher erbitterte Feinde gewesen. Etwas von dieser Treue dem gegebenen Worte gegenüber bewiesen sie uns bei dem kürzen Waffenstillstände, welcher einige Tage vor dem Sturm ans die Hauptfestung am 7. Januar Nachmittags zwischen 36*