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282 E. Kramberger: Pakrac und Lipik im Westen des Po^eganer Comitats. lingen später aus Bosnien geflüchtet war und sich im heuti gen Popovac niedergelassen hatte. Bon ihr stammt die Familie der Bojanio, deren Abkömmling jener oft erwähnte Maksim ist. Es habe damals, sagte mir Rusmir, Popo vac „Bojan" und Rogulje „Rusmir" geheißen. Um dem Bauer in Bezug auf die historische Glaubenswürdigkeit seiner Erzählung auf den Zahn zu fühlen, fragte ich ihn, ob er denn etwa wisfe, woher die Einwohner des Dorfes Sumetljica, tief drinnen im Sujnik, stammen. Ohne Zögern bezeichnete er sie als im vorigen Jahrhundert eingewan- dcrtc Likaner. Spätere Nachfragen bestätigten diese seine Aussage als vollkommen richtig, ein Beweis, daß in man chen Gegenden die Tradition historische Thatsachen getreu aufbewahrt, und so auch die Erzählung des Mannes nur durch die Länge der Zeit ein sagenhaftes Gewand bekom men habe. Bon Buö bis Pakrac läuft die Straße ziemlich eben in einem hübschen, schmalen Thale dahin. Schöner Wald krönt die Höhen der beiden Gebirgsketten; Ackerfelder reichen vom Waldessaum über die sanften Absenkungen herab bis an den Fahrweg. Mit ihnen wechseln Wiesen, deren frisches Grün, von einem kleinen Bache getränkt, selbst im Hoch sommer das Auge erquickt; winzige Lösselmühlen machen sich in der Tiefe rechts bemerklich. Die Jahrestemperatur ist hier viel niedriger als im Thalkessel von Pozega, wes halb die Feldfrüchte später reifen als dort, während letzte rer in dieser Hinsicht wieder gegen die Podravina zurück steht. Auf halbem Wege von Bnö bis Pakrac gelangt man nach Spanovica. Der Ort ist von eingewanderten Küstcnbewohnern vor einigen Jahren angelegt worden, also noch in der Entwickelung begriffen. Graf Jaukovio über ließ den Ansiedlern einen großen Fleck Waldes zur Rodung. Sie machten den Boden urbar und gewannen ihn für die Kultur. Die Baulichkeiten des langen Dorfes zu beiden Seiten der Straße sehen buntscheckig genug aus. Einige sind durchaus von Stein mit hohen Kellereingängen. Ihre Bauart erinnert an die Häuser auf den Anhöhen oberhalb Fiume und Buccari, bei Lio und Plase. Andere bestehen aus Holzgeflecht ohne Anwurf, mit Strohdach; zwischen ihnen sieht man wieder weißgetünchtc mit großen Fenstern, woran Vorhänge aus bunten Stoffen. Ein hölzerner Glockenstuhl inmitten der Ansiedelung trägt ein Glöcklein, das die Stunden des Gebetes verkün det oder einem geschiedenen Erdenwaller das letzte Lebewohl nachwimmcrt. Die Gemeinde ist katholisch, muß sich dem nach den Geistlichen zu kirchlichen Funktionen aus Pakrac herüber holen. Als ich durch das Dorf fuhr, war es ge rade Sonntag; die Leute saßen geputzt vor den Haus- thüren. Ich wähnte mich plötzlich unter Kramern oder Jstricrn, solch ein buntes Gemisch ist die Tracht. Der Kolonie ist übrigens noch immer der Stempel der Armuth aufgcdrückt. Die Ansiedler, ohne Geld und Gut einge- zogcn, müssen sich erst langsam das Nöthigste erwerben. Bon Obstbäumcn sah ich noch wenig, meist junge Zwetschen; in den kleineren Gärten die gewöhnlichsten Gemüscarten; auch der Viehstand ist noch ziemlich gering. An Spanovica stößt Dragvvio. Bon weitem schon fiel die ausnehmend hohe „Masala" in die Augen. So nennt man die Alarmstangcn, deren weithin sichtbare Spitzen mit einem Strohbündel versehen sind. Sie dienen bei Nn- glücksfällen und dergleichen zu Nothsignalen, indem die in Brand gesteckten Bündel die Nacht durchleuchten. Vordem hatte jedes Dorf solche Masalas ; jetzt kommt der Gebrauch langsam ab. Der erste Eindruck, den man beim Eintritt in Dragovio empfängt, ist ein merkwürdiger; so ganz ver schieden ist der Anblick von allem bis jetzt Gesehenen. Die Häuser, alle der Reihe nach auf einer ganz niedrigen Lehne rechter Hand gelegen, entziehen sich dem Anblick beinahe vollständig, da sie hinter hohen, von dichtem Haselruthen- geflecht hergestellten Zäunen stecken. Diese sind von un ten aus mit schief in die Höhe gehenden Pflöcken wie mit Strebepfeilern unterstützt, von oben her mit Stroh einge deckt, aus dem lange, scharfzugespitzte Hölzer wie Spieße in die Höhe ragen. Jedes Haus mit seinem Garten und den Nebengebäuden liegt wie eine Festung da; es ist nur durch ein Thor zugänglich, das übrigens Tags über immer halb geöffnet, dem neugierigen Blick einzelne Theile des Gehöftes preis giebt. Zuerst fällt uns der ungeheure Back ofen auf, der uns in der Nähe des Gartens mit breiter Mündung entgegen gähnt. Daneben macht sich ein aus gehöhlter, etwa Im hoher, in die Erde eingesetzter Baum strunk von tüchtigem Kaliber bemerklich. Er dient statt des Laugfasses (Parjenica) zum Auslaugen der unreinen Wäsche. Kaum einige Schritte davon steht die große Hanf breche, Stupa, ein ganz vorzügliches Instrument. Es be steht aus einem in den Erdboden eingerammten, beiläufig zwei Fuß langen, 1/2 Fuß breiten Stück Holz. Dieses dient, der Länge nach mit Furchen und Kerben gezahnt, einem zweiten ebensolchen zur Unterlage. Das obere Stück endet in ein Trittholz und ist mittelst einer Angel auf dem untern befestigt und beweglich. Die Buckeln und Furchen beider Theile greifen in einander. Darüber liegt in Kör perhöhe quer hinüber eine runde, auf zwei senkrechten Pfäh len ruhende Stange, die Handstütze. Diese wird von der Bäuerin, welche die Stupa tritt, mit beiden Händen an gefaßt; der linke und abwechselnd (um Ermüdungen aus zugleichen) der rechte Fuß drückt das Trittholz nieder und hebt den obern Theil vom untern. Sobald der Druck des Fußes aufhört, was durch Heben desselben erzielt wird, fällt der schwere Obertheil mit voller Wucht in seine Lage zurück. Der Block zerbricht dadurch die Hanfstengel, welche eine zweite, am Boden fitzende Bäuerin unterlegt und so lange wendet und dreht, bis sich die Faden ganz lösen. Zur Zeit des Hanfbrechelns hört man die Stupa allenthalben bis in die Morgenstunden hinein ununter brochen taktmäßig pochen, begleitet von den lauten Stim men der erzählenden Frauen oder dem Gesänge der Mäd chen. Die kleinere Breche (Trlica) gleicht den in anderen Ländern gebräuchlichen. Ob zwar sich in manchen Gegenden allgemach der eiserne Pflug einbürgert, ist hier noch immer der mit hölzernem Wurfbrette versehene im Gebrauche. Nach verrichteter Arbeit ruht er seitwärts gelegt auf zwei Holzböcken, die schlittenartig hinter den Rädern cinher- schleifen und zugleich dem heimkehrendcn Ackersmann als Sitz dienen, von wo aus er seine sechs bis acht meist klei nen und stämmigen Ochsen mit lautem „Zti lm" lenkt. Ich sah übrigens in einer Gegend unterhalb Esscg auch schon zwölf Stück vor dem Pflug, die Lenker mit ungeheuren Peitschen bewaffnet. Die Einrichtung des Hauses ist sehr einfach. Eine gemeinsame, große Stube, in der ein Bett, ein mit Teppich bedeckter Tisch, einige Bänke an den Wänden, mehrere Stühle mit herzförmig ausgeschnittenen Lehnen und ein großer Ofen, ist beinahe alles, was man da sieht. Durch die ganze Stnbe zieht sich oft eine von der Decke an höl zernen Haken herabhängcndc oder durch Holzringe gesteckte Stange hin, die zum Aufhängen von Kleidern und Wäsche dient. Die Thüren haben hölzerne Riegel und Klinken; die zwei Fenster auf der Giebclseitc sind klein und dicht neben einander. Im Hofe liegen die Schlafkammern