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270 E. Metzger: Die arabische Bevölkerung in Niederländisch-Indien. selbst da, wo wie auf Java die europäische Herrschaft voll kommen entwickelt ist und die Araber in Folge dessen ganz auf das Niveau gewöhnlicher Privatpersonen zurückgeführt sind. Gleichwohl haben nicht nur die gewöhnlichen Eingebo renen, sondern auch die meisten Häuptlinge eine große Ehr furcht vor ihnen. Sie werden wie die Europäer mit Herr (tnau) angeredet, und ihre Titel: „Said", „Scheck)" und „Hadschi", die häufig genug usurpirt sein mögen, erhalten einen Abstand zwischen ihnen und den Eingeborenen, der auch äußerlich durch ihre eigenthitmliche Kleidung angedeutet wird. Nach der dem letzten Kolonialbericht beigegebenen Liste betrug ihre Anzahl im ganzen Archipel am 31. De- cember 1879: 15 012 Seelen (wovon 8003 männlichen Geschlechtes). Von dieser Zahl kommen 10 027 (5495 Männer) auf Java. Neber die verschiedenen Provinzen sind sie sehr ungleichmäßig vertheilt; der größte Theil lebt in den großen Städten an der Küste; im Innern ist ihre Zahl meist nur gering. In den Besitzungen außerhalb Javas findet man die meisten in Palembang (1965, wovon 800 Männer) und auf der Westküste von Borneo (1634, wovon 886 Männer). Uebrigens muß bemerkt werden, daß für „Atjeh" keine Zahlen angegeben sind. In einer andern Liste, welche die verschiedenen Berufs arten angiebt, kommen die selbständigen Araber für Java mit der Zahl 2713, für die Besitzungen außerhalb Java mit der Zahl 1322 vor. Davon waren auf Java 85, in den anderen Besitzungen 100 Großhändler und 2243 resp. 660 Kleinhändler, während die Zahl derer, welche sich dem Laudbau widmen, nur klein ist. Im Regierungsdienst be finden sich 25 resp. 15, Gemeindevorsteher waren 15 und 8, Hadschis, d. h. von Mekka zurückgekchrte Pilger, 34 resp. 65. Letztere Zahl bezieht sich wohl nur auf die Zahl der von der Regierung anerkannten Hadfchis; die Zahl derer, welche sich diesen Titel anmaßten, ist wahrscheinlich viel größer gewesen. Der Araber ist Europäern gegenüber im Allgemeinen durchaus nicht liebenswürdig ; er zeigt seinen Haß gegen die Kafirs ziemlich offen, wenigstens macht er ihm häufig durch ein gewisses moquantes Benehmen Luft; sein religiöser Fa natismus fällt um so mehr auf, als die Eingeborenen des größten Theils der niederländisch - indischen Besitzungen im Allgemeinen äußerlich gegen Andersgläubige ziemlich tole rant sind. Wenn zufällig einer meiner Leser in einer Zeit, als die Küstenschifffahrt noch großentheils in den Händen der ara bischen Seefahrer war, mit einem derselben eine Reise ge macht hat, wird er sich gewiß seiner Erlebnisse auf derselben mit Empfindungen erinnern, die denen ähnlich sind, welche hier zum Ausdruck kommen. Auch im Ganzen, als Stamm betrachtet, machen sie mehr von sich sprechen, als im allgemeinen Interesse wün- schenswerth wäre. Trotz ihrer geringen Anzahl verursachen sie der Regierung sehr viel Mühe und sind, wie es scheint, im vergangenen Jahr in mehr als einer Beziehung wieder recht unbequem geworden. Während scheinbar die tiefste Ruhe herrschte, wurde in Palembang, glücklicherweise noch zeitig genug, eine ernstliche Verschwörung entdeckt; arabische Händler sollen die Anstifter und die Zwischenträger hierbei gewesen sein; aus denPrean- ger Regentschaften auf Java wurden die Araber plötzlich ausgewiesen, man gönnte ihnen nur acht Tage um ihre An gelegenheiten zu ordnen; was eigentlich, zn dieser Maß regel Veranlassung gegeben hat, ist mir nicht bekannt. Auch in Bantam, der Provinz, welche seit längerer Zeit der un ruhigste Theil von Java ist, und wo Fieber, Hungersnoth und Viehseuche wohl einige Unzufriedenheit erregt hatten, sollen sie dazu beigetragen haben, dieselbe zu erhöhen, obwohl auch ein europäischer Renegat damit in Verbindung gebracht wird. Die im Anfang des Märzmonats angekommene „Mail" bringt die Nachricht, daß man einige achtzig Privat briefe, die von arabischen Händlern von außerhalb der nieder ländischen Kolonien in dieselben mitgebracht worden waren, mit Beschlag belegt hat, und daß dieselben der Regierung eingeschickt worden sind, um zu entscheiden, was mit densel ben geschehen solle. Eigentlich handelt es sich um eine einfache Postdefrauda tion; zur Entschuldigung führen die Araber, welche post pflichtige Briefe nnter der Hand besorgt hatten, an, daß Korrespondenzen mit arabischer Adresse häufig auf der Post verloren gingen. Dies ist nicht unmöglich; die Beamten der Post sind wohl nur in seltenen Fällen mit arabischen Schrift zügen vertraut, und daher in dieser Beziehung auf die ein geborenen Unterbeamten angewiesen, die aber gewöhnlich auch nur eine der einheimischen Sprachen lesen können, wenn sie in ihren eigenthümlichen Schriftzügen geschrieben ist, und darum wohl nur in einzelnen Fällen im Stande sind, die arabischen Schriftzüge zu entziffern. Da die niederländische Verwaltung im Allgemeinen sehr human ist, darf man unter diesen Umständen wohl anneh men, daß sie nicht einer einfachen Postdefraudation wegen eine große Anzahl Privatbriefe hat mit Beschlag belegen lassen, sondern daß man in den Briefen eine besondere Ent deckung zu machen erwartet hat. Mit einem Wort, es scheinen da verschiedene Sachen bei der arabischen Bevölkerung vorgekommen zu sein, welche die indische Regierung zu Repressivmaßregeln veranlaßt haben. Daß nun unter solchen Umständen der Beistand der hohen Pforte durch ihre arabischen Unterthanen und Nicht-Unter- thanen, welche in Holländisch - Indien wohnen, nachgesucht worden ist, kann nicht befremden; der Name des Beherrschers aller Gläubigen ist auch bis nach Indien gedrungen und dort noch mit einem Nimbus umgeben, von dem die, welche das türkische Reich mehr aus der Nähe sehen, nicht viel mehr bemerken können. Daß der Sultan von Atjeh sich, nachdem die erste Ex pedition der Niederländer im Jahre 1873 gegen ihn miß glückt war, nach Konstantiuopel um Hülfe gewendet, und daß die hohe Pforte eine auf diese Angelegenheit bezügliche Note nach dem Haag hat abgehen lassen, darf als bekannt vorausgefetzt werden; weniger bekannt dürfte es sein, daß Mittheilungen über diese Unterhandlungen sehr weit unter den Eingeborenen der niederländisch-indischen Besitzungen verbreitet worden waren. Zur Aufreizung derselben hatte sich ein förmliches Komits gebildet, der Hauptsitz der Wüh lereien war in Pinang; von dort aus wurde die Nachricht verbreitet, daß der Sultan der Türkei den Atjinesen Hülfe schicken würde; ja es hieß (und wurde nicht nur durch Ein geborene geglaubt), daß die türkischen Panzerschiffe den Bosporus verlassen nnd Kurs nach Indien gesetzt hätten. Es waren Araber, welche solche Nachrichten am eifrig sten kolportirten, durch ihre Vermittelung hatten Abbildungen bis ins Herz von Java den Weg gefunden — es waren grobe, kolorirte Holzschnitte —, welche die türkische Armee vorstellen sollten, wie sie gegen die Truppen der „Kompa nie" — wie die indische Regierung auch jetzt noch häufig im Munde des Volkes heißt — in den Kampf zog. Daß man unter solchen Umständen den Arabern immer scharf ans die Finger sieht und diese Kontrole ihrer Prose- lytcnmacherei und der Hetzereien in Glaubenssachen wegen noch verschärft, kann mit Rücksicht auf die durch die Regie rung befolgten Grundsätze kein Befremden erregen. Die-