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238 Blumentritt: Die Baluga - Negritos der Provinz Pampanga (Luzon). Fischfang und als Canoeführer innerhalb der Binnenge wässer der Lagune, dagegen scheut der Bewohner von Lagos das offene Meer, und es würde sich schwerlich auf der Insel wie an der Küste eine Bootsmannschaft von 12 Eingebore nen finden, um ein Fahrzeug über die Barre hinaus zu rudern. Zur Verbindung der Stadt mit der offenen Rhede, zum Ein- und Ausladen der Handelsschiffe wurden früher nur Sklaven verwendet, namentlich Männer von Accra und Cape Coast; jetzt versehen diesen Dienst an der ganzen Küste Kru-Neger. Da die Eingeborenen sich auch nur in geringem Umfange der Gartenwirthschaft und dem Ackerbau zuwandten, so war Lagos in früheren Zeiten in Bezug aus Lebensbedürsnisse sehr abhängig von anderen Orten. Die britische Herrschaft und die damit verbundene größere Sicherheit für Leben und Eigenthum hat indeß einen starken Zuzug an Men schen aus Sierra Leona, aus Cuba und den anderen west indischen Inseln und aus Brasilien hierher gezogen, der sich zum großen Theile der Bebauung des jungfräulichen Bodens zugewendet und im Laufe der letzten 10 oder 12 Jahre eine solche Fläche urbar gemacht hat, um trotz der stetig und rasch zunehmenden Bevölkerungsziffer das Gebiet von Lagos vollständig unabhängig von fremder Zu fuhr zu machen. Die Baluga-Negritos der Provinz Pampanga (Luzon). Herr C. A r a m ä c, Korrespondent des in Manila er scheinenden Journales „El Comercio", hat einen in den Bergen von Camumusan der Provinz Pampanga hausenden Negrito-Tribus in den ersten Tagen dieses Jahres besucht und hierüber in dem genannten Tagblatte einen Bericht ver öffentlicht, den ich hier mit Weglassung nichtssagender Phra sen mitthcile: Hacienda de Balete (Floridablanca), 3. Januar 1882. Geehrter Freund und Redakteur! Als Ergänzung und Erweiterung des Briefes, den ich am 1. d. M. an Sie vom Thale Camumusan richtete, über sende ich Ihnen vorliegendes Schreiben, um Ihnen einige Nachrichten über die Negros Balugas zukommen zu lassen, deren gleichsam unnahbare Schlupfwinkel ich aufgesucht habe, woher ich gestern zurückgekehrt bin, zwar ermüdet, wie es bei einer so mühevollen und andauernden Expedition zu er warten ist, dagegen aber, wenn ich aufrichtig es bekennen darf, gänzlich von den Resultaten der Fahrt zufriedengestellt, denn wenigstens war es mir gestattet, ein Völkchen im Naturzustande kennen zu lernen. Was ihre physischen Eigenschaften und Merkmale anbe langt, so kann ihr Aeußeres wohl nicht schmutziger und widerwärtiger sich repräsentiren, als es thatsächlich der Fall ist. Ihre Hautfarbe ist dunkel, ein wenig an Bronzefarbe erinnernd, die Haut selbst ist mit Schuppen und Flechten bedeckt, die Zähne sind spitz zugefeilt, gekraustes und schlecht gepflegtes Haar bedeckt das große Haupt, der Bartwuchs ist bei einigen von ihnen nur schwach und spärlich vorhanden, andere aber besitzen Knebelbärte. Die Malereien (Tatuirun- gen?), welche auf dem Antlitze der meisten bemerkbar sind, geben ihnen ein fremdartiges und außergewöhnliches Aus sehen. Ungeachtet ihres Gesichtswinkels findet man bei ihnen eine nicht geringe Intelligenz, die in ihren schwarzen und großen Augen sich offenbart und zu Tage tritt in ihren leb haften und argwöhnischen Blicken. Mit Muskeln von Stahl, einem kräftigen Nervensystem und feinen langgestreck ten Gliedmaßen versehen besitzen sie die Beweglichkeit des Rehbockes, die Schlauheit der Schlange nnd die Widerstands fähigkeit eines stets dem Hungertods ausgesetzten Wesens. Sieht man von der geringem Körpergröße ab, so unter scheidet sich das Weib in gar nichts oder nur in Wenigem vom Manne; es ist unterwürfig und arbeitsam. Die Thätig- keit der Frau ist ans die Ernährung und Erhaltung der Familie gerichtet; sie ist es, die ohne Unterlaß die Feldarbei ten verrichtet, die geringfügige Ernte einheimst, den Palay (Reis in der Hülse) einstampft; weniger beschäftigen sie der Feuerherd und die häuslichen Freuden. Ihre niedrigen Hütten — „Bohios" genannt — sind aus Rohr hergestellt, ihre Kleidung beschränkt sich auf ein lebhaft gefärbtes Zeug, welches um die Lenden geschlagen und daun zwischen den Beinen durchgezogen wird. Sie haben eine ausgesprochene Vorliebe für Zierrathen aus Federn, (Schweins-) Borsten und Pflanzenfasern, welche sie mit Rohrstückchcn, welche die Stelle von Kämmen vertreten, in den Haaren befestigen. Ebenso tragen sie großes Verlangen nach grellgcfürbtcn Zeu gen, nach Hals- und Armbändern, ferner nach Ohr ringen, die von einigen von ihnen in überreichlicher Menge getragen werden. Das Wichtigste aber, das beinahe ihre ganze Sorgfalt in Anspruch nimmt, sind die Waffen, die unzertrennlichen Freunde des Baluga, welche er mehr liebt als seine eigenen Kinder und Weiber. Sie ohne Bogen und Pfeile zu sehen heißt so viel als die Sonne ohne Licht sich vorstellen. Die sauber und rein gehaltenen, mit Federn geschmückten und sorgfältig geschärften Waffen trägt der Ba luga in der Hand und zwar mit zur Erde gesenkten Eisen- spitze, wenn Frieden herrscht, oder auf die entgegengesetzte Weise, wenn er Argwohn gefaßt hat oder einen Hinterhalt fürchtet. Sie sind ausgezeichnete Schützen, welche selten ihr Ziel verfehlen, wie ich dies mit eigenen Augen sehen konnte; von zwölf Männern, welche nach einer fixen Scheibe schossen, machte nur einer einen Fehlschuß, und da war das Ziel nur um Weniges gefehlt. Sie sind von unterwürfigem Wesen und gefällig, mißtrauisch aus Instinkt und furchtsam aus schlimmen Erfahrungen, sie kennen keinen persönlichen Muth, sondern nnr den ihrer Gesammtheit und da zeigt er sich nur als Hinterlist und in vorsichtiger Ueberrumpelung des Fein des. Eine Beleidigung vergeben sie nie, die Rache bleibt lange unterdrückt, schlummert aber in ihren Herzen fort, bis sie genommen werden kann, falls nicht durch vortheilhaften Tausch, Geld, reiche Anerbietungen ihre Rachsucht besänftigt wird oder ihnen winkender Gewinn und eigenes Interesse die Beleidigung zu vergessen gebietet. Ihre angeborene Furchtsamkeit läßt sie vor einem geringfügigen Geräusche oder dem unbedeutendsten Feinde die Flucht ergreifen, nur in dem Falle, wo sie direkt angegriffen werden, stellen sie ihren Mann und nehmen den Kampf auf. Bei ihrer Hab sucht sind sie immer bereit, um Geld und Geldeswerth sich willig in alles zu fügen. Ich glaube bei alle dem, daß sie zwar nicht zu fürchten sind, daß es aber ebensowenig von Vortheil oder rathsam ist, sich auf sie fest zu verlassen.