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228 Desirs Charnay's Ausgrabungen in Mexico und Central-Amerika. trieb Charnay nach dem nächsten Dorfe, nach San Mar tin. Dasselbe liegt an der trockensten Stelle des Thales, wo nur dürftige Pfefferbäume uud Opuntien wachsen, außer dem aber Organos, Kaktus, welche in einem Schuß 15 bis 20 Fuß hoch wachsen nnd dicht an einander gedrängt wie eine undurchdringliche Mauer die staubigen Straßen des Ortes einfassen. Diese sonderbare Vege tation bildet seine ein zige Merkwürdigkeit nnd verleiht ihm seinen cigcnthümlichcn Cha rakter. Ganz verschieden davon stellt sich das 5 Kin entfernte San Juan de Teotih ua- can dar, welches Chae nay zu feinem Stand quartier erwählte. Bor Eröffnung der Eisen bahn passlrten dort täg lich mehr als 2000 Maulthierc, zu deren Aufnahme große eo- ralss und mosonos hergerichtet waren; in den zahlreichen Herber gen waren die Tortille ras von früh bis fpät geschäftig, floß der Pulque, der Chinguerite und Branntcwein in Strömen und roch es beständig nach scharf gepfefferten Ragouts. Die Eisenbahn raubte dem Orte sein Leben; traurig und öde liegt seine mit baumartigen Malven nnd vier elen den Eucalyptus bestan dene Plaza da, die Schenken sind verödet, die Fenster an den meisten Häusern ge schlossen. Doch im Ge gensätze zu dem trocke nen San Martin spru deln überall reichliche Quellen, und nament lich der westliche Theil des Dorfes hat eine üppige Vegetation von alten Cypressen, hohen Pappeln u. s. w., welche eine der fchönsten Kir chen des Landes niit einem höchst zierlichen, harmonischen Thurme umgiebt, die den Stolz einer Provinzhauptstadt abgeben konnte. In einem der Häuser von San Juan also, das freilich nicht die geringste Bequemlichkeit, kein Bett, kei nen Stuhl, keinen Tisch darbot, richtete sich Charnay ein und beschloß, da er im Dorfe selbst verschiedentlich Spu ren von Cementschichten entdeckte, gleich dort auf einem kleinen Platze, wo fonst Stierkämpfe abgehalten wurden, mit feinen Nachgrabungen zu beginnen. In der That fand er auf der Nordfcite etwa ein Dutzend Kindcrgräber und halb so viele von Erwachsenen, wie die gefundenen Gegen stände erkennen ließen. Die Vasen wichen gänzlich von denen aus Tcnencpanco ab, glichen aber zum Theil denen von Tula; sie sind selten, bestehen meist aus einer schwar zen Erde und einige tragen kreuzförmige Muster; sic sind fer ner groß, 8 bis 10onr hoch, messen am Boden 15 bis 20 om und haben erweiterte Ränder. Die daneben gefundenen Skeletreste zeigten, daß man es mit gewöhn lichen Todten zu thun hatte, da die Leichen der Großen nnd Reichen verbrannt wurden. Meist fanden sich die Vasen zu zweien, waren aber so alt und der sie umgebende Erdboden so fest, daß nur wenige unversehrt hcrausgcholt werden konnten. Auch die in einer Tiefe von 30 ein bis 1m beige setzten Leichen befanden sich in einem solchen Zustande, daß ihre Lage nicht mehr zu erkennen war. Diejenigen der Kinder ruhten in run den Töpfen mit senk rechten Wänden. Am selben Tage fand Char nay eine ziemlich große Menge kleiner Ter racotta - Figuren, eine sehr schöne Maske, eine Axt, einige kleine Töpfe, eine Masse kleiner run der Steine wie Mur meln, zahlreiche sehr zierliche und schöne Obsidianmesser, serner runde Schieserplättchen, die vielleicht als Gelds?) dienten, Pfeilspitzen und Glimmcrblättchen, wie sie sich in allen Gräbern finden. Reste vom eßba ren Hunde (tsolliolli) und von Vögeln sind als Lebensmittel zu er klären , welche dem Todten für seine Reise in das Jenseits bcigegeben wurden. Während seine Indianer unter Werks Aufsicht die Ausgrabungen im Dorfe selbst fortsetztcn, besuchte Charnay unter Führung ihres Aufsehers Marcelino die i Vs kin westlich von der Mondpyramide gelegenen onsvas, weite unterirdische Räume, welche zuerst wohl als Steinbrüche und später als Katakomben gedient hatten. Es sind meist Plan der hauptsächlichsten Ruinen von San Juan de Teotihuacan. 1. Pyramide des Mondes. 2. Pyramide der Sonne. 3. Citadelle. 4. Toltelischer Palast. S. Todtcnstratze.