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Dr. F. W. Paul Lehmann: Wanderungen in den Süd-Karpathen. 11 Grenze zwischen den Lehm- und Schotterablagerungen der Hochebene und dem durchschnittlich 150 m hohen Steil rande der sie im Norden nnd Nordwesten begrenzenden jung tertiären Höhen des Binnenlandes. Selten streicht der Fluß unmittelbar an den Höhen hin, deren weiche Schichten seiner Erosionskraft nicht genügenden Widerstand zu leisten vermögen. Bald greift er mit seinen Serpentinen den Steilrand an, bald beschreibt er einen all- mälig in das linksseitige, flache Ufer hinauswachsenden Bo gen; unaufhörlich arbeitet er an der Verlegung und Umge staltung seines Bettes. Ein interessantes Beispiel dafür Skizze des Rothe-Thurm-Passes und eines Theiles der Süd-Karpathen. zeigt sich im Westen der Ebene, wo der Alt bei Girel- sau eine Biegung macht, um in südwestlicher Richtung dem großen Gebirgsthore zuzuströmen. Von Girelsau führt nach Osten über den Alt die alte Reichsstraße, welche Hermann stadt mit Kronstadt verbindet. Ueb erschrecket man die Brücke, so betritt man auf dem linken Ufer die Feldmark von Frek, plötzlich aber wandert man einen halben Kilometer lang wieder über Girelsauer Terrain, denn der Fluß, welcher einst die beiden Ortsgebiete trennte, hat eine Serpentine abgeschnitten und so ein Stück der Girelsauer Feldmark auf fein linkes Ufer gebracht. Kurz vor seinem Eintritte in das Gebirge nimmt der Alt den Cibin auf, der den westlich des Rothe-Thurm Passes gelegenen Gebirgsmassen entströmt. Der Cibin ver läßt das Gebirge bei den Felsenthoren von Gurariu und durchfließt die Hermannstädter Hochebene zunächst in vor herrschend nordöstlicher Richtung, um dann bald hinter Her mannstadt (Cibinium) umzubiegen und dem Alt in südöst licher Richtung zuzueilen. Am Cibin liegt Hermannstadt. Als Mittelpunkt der kleinen Hochebene, ans der einst zum Schutze der Grenze die Sachsen angesiedelt wurden, als Kreuzungspunkt der von Kronstadt nach Westen führenden Handelsstraße mit der von Süden durch den Rothe-Thurm-Paß in das Land tretenden ist Hermannstadt cmporgekommen und hatte im vierzehnten Jahrhundert unter Ludwig dem Großer: aus dem Hause Anjou seine Blüthcpcriode. Die kommenden Jahrhunderte brachten oft schwere Prüfungen und drohende Gefahren, die mit Zähigkeit ertragen und mit Energie be standen wurden. Die Wälle der alten Grenzfestung sind heute zum großen Theil in Promenaden verwandelt, und die ost umstürmten Mauern hier und da abgetragen. Auch manche der alten Mauerthürme sind verschwunden, hoffent lich bleiben einige -als Erinnerung an eine sturmgeprüfte, ehrenvolle Vergangenheit bestehen, ohne daß man — wie es bei einem geschah — architektonische Verbesserungen (?) an ihnen vornimmt. Schon in der Periode römischer Herrschaft soll von der Cibinsebene eine Straße durch den Rothe-Thurm-Paß in die Walachei geführt Habens. Gläubige Rumänen wissen zu erzählen, daß der ganze Paß ein Werk des mäch tigen Kaisers Trajan sei, der den großen siebenbürgi- schen See durch das geöffnete Thor ableitete. Im Mittelalter und in der neueren Zeit war bis zu den Tagen Karls VI. ein Waarentransport längs des Alt auf Wagen nicht möglich; nur Saumpfcrde vermittelten den oft durch Einfälle räuberischer Horden unterbrochenen fried lichen Verkehr. Der Strom selbst eignete sich schlecht zu einer Siebenbürgen und die Walachei verbindenden Handels straße und hat auch dem siebenbürgischen Binnenverkehr bis jetzt wenig gedient. Zwar bezeugen uns Urkunden, daß sich im Anfänge des dreizehnten Jahrhunderts die Deut schen Ritter bei der Besiedelung des Burzenlandes ausbe dangen, sechs Salzschiffe auf dem Alt zollfrei halten zu dür fen; wir erfahren aber in den späteren Zeiten so wenig von einem Schiffsverkehr auf dem Alt, daß die Bezeichnung des „schiffreichen" in einer Chronik des siebenzehnten Jahr hunderts hyperbolisch erscheint. Auf der Strecke zwischen Hsviz und dem Rothen Thurme würde eine Benutzung des Alt für große Kähne und flach- gehende Flußdampfer nach einigen Korrektionen im Strom bett und Regulirung turbulenter Nebenflüsse sehr gut mög lich sein, während der 60 Um lange Lauf gner durch das Gebirge wenig Aussichten für einen rentablen Verkehr bie tet. Versuche, den Fluß auf dieser Strecke dienstbar zu machen, sind gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts und in dem jetzigen gemacht worden. In: Jahre 1788 z. B. wurden für österreichische Truppen Lebensmittel auf dem Alt in die Walachei hinabgeführt, und 1837 entstand sogar eine Alt-Schifffahrtsgcsellschaft, die sich freilich 1844 schon wieder auflöste. Ein Ingenieur Schuster unternahm zwei Mal eine Fahrt von Boica bis nach Rimniik in der Wa lachei auf einem Fahrzeuge, an dem, um die bedenkliche Geschwindigkeit einiger Stromschnellen zn paralysircn, Seiten ruder angebracht waren. Die 12 Km lange Strecke zwi schen der Einmündung der großen Lotru und dem Kloster i) S. II. Xispsrt's Harts: Oaoia. lab. II irn Oorp. Insor. I,at. vol III.