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Begründet von Karl Andree. I" Verbindung mit Fachmännern herausgegeben von Dr. Richard Kiepert. Braunschweia ^Ech 2 Bände ä 24 Nummern. Durch alle Buchhandlungen und Postanstalten 1882. zum Preise von 12 Mark xro Band zu beziehen. D6slw Chamal/s Ausgrabungen in Mexico und Central - Amerika. IV. Die toltekisckM von Tula liegen auf dem Hügel Ccrro dcl Tesoro (Schatzhügel), welcher in einer- Hohe von etwa 100 m sich nördlich des Dorfes etwa 2 km weit hinzicht. Seinen Namen erhielt der Berg von dem glücklichen Funde, welchen vor 15 oder 20 Jahren ein armer Schäfer in Gestalt einer Urne-mit 500 Goldunzen im Werthe von Uber 32 000 Mark dort gemacht, und, da er nic Gold gesehen hatte, für ein Geringes verschleudert hatte. Der Cerro del Tesoro ist in seiner ganzen Ausdehnung von etwa 2 km mit Pyramiden, kleinen Hügeln und Vor plätzen bedeckt, welche auf die einstige Existenz eines volk reichen Ortes deuten; alles aber ist von einer dichten Vege tation von großen Kaktus, Nopals, Garambullos und Mes- quite-Bäumen überwachsen, aus welcher auch nicht die ge ringste Spur einer Mauer hervorragte. Die Pyramiden und Hügelchen, im Laude moZotos genannt, bezeichnen in dessen die Stätte von Tempeln, Palästen und Häusern; die Toltekcu hatten, wie Charnay später überall bestätigt fand, die Gewohnheit, ihre Tempel und Häuser auf natürlichen oder künstlichen Erhöhungen zu errichten. Mit den beiden großen Pyramiden, welche einst die Tempel der Sonne nnd des Mondes trugen, wollte sich Charnay nicht erst ab geben, da sie als Steinbrüche bei der Erbauung des neuen Dorfes gedient hatten und zur Hälfte zerstört waren. Zu nächst ließ er auf gut Glück Schachte graben und fand überall die Cementschicht; welche in der alten Stadt das Pflaster vertreten hatte. Am nächsten Tage nahm er die moAotss in Angriff und fand alsbald die oberen Kanten von Mauern, die stark mit Kalk beworfen waren; an ^denselben ging man 1 bis 2m hinab, erreichte dort den H-ußbodcn Globus Xl.1. Nr. 15. und legte nun, allmälig vorschreitend, große und kleine Zimmer, Stufen, Gänge, Säle mit polirten und bemalten Mauern, Ruhebänke nnd Cisternen, kurz ein ganzes tol- tekisches Haus frei, das erste, welches fe aufgegraben wurde. In dem herausgeschafften Schutte aber fanden sich man cherlei merkwürdige Dinge, riesige Ziegeln von 40 om Länge, 25 om Breite und 6 bis 9 om Dicke, gerade und gekrümmte Wasscrleitungsröhrcn mit Sieben znm Ansfan gen erdiger Bcstandtheile, Vasen und Bruchstücke von sol chen, emaillirte Terracotten, welche an die schönen Schalen von Tenenepanco erinnerten, Petschafte, darunter eines mit einem Adlerkopfc, Stücke Porcellan, Modellformen, zahl reiche Pfeilspitzen und Obsidianmcsser — kurzum ein gan zes Stück Kulturgeschichte, welches da zum Vorschein kam. Das Haus selbst steht auf einer natürlichen, durch Kunst etwas umgewandelten Erhöhung, deren Hebungen und Sen kungen die einzelnen Räume angepaßt sind; kleine Trep pen und Korridore setzen sie unter einander in Verbindung. Die Mauern sind gerade, die Dächer flach; Dächer, Decken und Fußböden bestehen, wie auch das Straßenpflaster, aus einer starken Schicht Cement, dessen Zusammensetzung stets dieselbe ist. Während andere Völker im Allgemeinen im mer nur das eine oder das andere Material zu ihren Bau ten verwenden, bedienten sich die Tolteken gleichzeitig schr verschiedenartiger Stoffe: Stein und Lehm für das In nere der Mauern, Ziegeln und Hausteine für deren änßere Bekleidung, Ziegeln und Stein für die Treppen und Holz für das Dach. Sie kannten die Verwendung des Pilasters, der Karyatide und der freistehenden Säule; es giebt fast kein architektonisches Motiv, das sie nicht bei ihren Bauten 29