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Wanderungen zwischen TeimL, Huil, Khaibar und Bereida. 217 Charles M. Doughty: Habseligkeiten wegznnehmen, wenn ich ihnen nicht Tabak gäbe. Da ich jedoch ihnen nichts geben wollte und konnte, sagten sie: „Steige ab, wir wollen Euch Kaffee machen, und ruhe eine Weile bei uns!" Als ich nochmals ver sicherte, daß ich keinen Tabak mitgebracht hätte, mußten sie mir wohl glauben, da cs im Lande bekannt war, daß der Christ (Nasarsni) trotz alles seines Unglaubens ein Mann wäre, der stets die Wahrheit spricht. Ich forderte sie auf, keine Gewalt gegen mich zu brauchen, und zwar um ihrer selbst willen, da ich den Schedule sichern Geleits von Hail mit dem Siegel des Emir Ibn Raschid bei mir hatte. Der Wüstensand war überall hoch hinaufgeweht auf die kleineren uns rings umgebenden Berge, welche aus Grämt und selten aus Basalt bestanden. Am Nachmittage gelangten wir in das Land der Hctcim und trafen später auf Zelte, deren Bewohner uns angabcn, wo wir das Lager des großen Scheich K-lsim ibn Bar- rLk Beni Raschid, welches nicht weit entfernt war, fin den konnten. Ihm sollten mich meine Begleiter im Auf trage des Beamten des Emirs in Hail übergeben, damit er mich angeblich nach Khaibar senden sollte. Da aber Kasim zur Nedschd-Partei gehörte, und gegen den Emir der Dowla (türkischen Regierung) in Khaibar feindlich gesinnt war, so vernahm ich von ihm selbst, und er sprach offen dar über, daß dies unmöglich sei. Was sollte ich nun thun, da, wie cs sich nur allzu deutlich herausstellte, der Emir selbst mich getäuscht hatte? Die nächste Nacht brachte ich bei Kasim zu; am andern Morgen aber trieb er meine Ge führten, welche ihrer Pflicht nun nachgckommen waren, an, mich wieder mit fort zu nehmen. Nach cinem zweistündigen Ritte kamen wir zu zwei anderen einsam dastehenden Zel ten der Hctcim, wo wir aber mir Weiber antrafcn, da die Männer mit den Herden auf der Weide waren. Wir stie gen ab nnd man gab nns Milch, meine Gefährten aber lie ßen ihre Kameele los, nm eine Stunde lang zu weiden, bestiegen sie später nnd ließen mich zurück, trotzdem es in Arabien für ein Verbrechen gilt, seinen rakik oder Rcise- genossen zu verlassen. So verlassen, nnd obendrein zu Fnß, ohne Ncitthicr mitten in der entsetzlichen Wüstengcgcnd, in Feindesland, falls ich auf Familien der bösgesinntcn Art stoßen sollte, sah ich keinen Weg zum Entkommen mehr, da ich doch nach dem jetzt gleichfalls feindlichen Hail auch nicht mehr zurück kehren konnte. Da ich glücklicher Weise von dem Essen der Leute genossen hatte, so waren sie, falls sie nicht allzn gott los waren, nun in gewisser Weise meine Freunde — denn der Gast des Nomaden in der Wüste ist der Gast Allah's; noch glücklicher aber war der Umstand, daß ich in den Abends heimkehrenden Männern ruhige anständige Leute kennen lernte, welche mein Unglück bedauerten und die Berrätherci meiner Gefährten verfluchten. Früh am nächsten Morgen setzte mein guter Wirth mich sammt dem Gepäck auf eines seiner Kamcele und ritt mit mir sieben englische Meilen südwärts durch die Wüste zu seinem Scheich Ajjada ibn Ad sch nein, welcher nach seiner Aussage ein verständiger Mann war nnd mich nach Khaibar senden würde. Dort fand ich einen Mann, der wegen eines Todtschlagcs, nm sein eigenes Leben zu retten, ein großes Sühucgcld zu bezahlen hatte. Dieser Umstand machte ihn bereit — und sonst hätte ich Niemanden gefunden — für meine vier Realen mich auf seinem Dromedare nach Khaibar zu schaffen. Denn cs ist eine schwierige Passage über die Harra, welche stets für gefährlich gilt, und deren Mitte zur Winterszeit von den weidenden Nomaden verlassen ist. Globus XU. Nr. 14. Wir befanden uns hier von B aith a Nethrl eine halbe Dromedar-Tagereife oder etwa 22 engl. Meilen entfernt, von HLil 3, von Teimü 4 und von el-'Alli bei Medjin SLlih 41/2- Vor nns zeigte sich der zerrissene Rand und die un endliche Schwärze einer vulkanischen Gegend, der Harrat Khaibar, und in derselben, manche Stunden weit entfernt, Gruppen kleiner schwarzer Berge, welche ich, als ich sie am nächsten Tage erreichte, in der That als Vulkane er kannte. Nach einem Ritte von einigen Meilen betraten wir die Harra, ein wahres Meer wild zerrissener Lava und von solchem Aussehen, wie die größten Lavaströme von Vulkanen. Eine Stunde später trafen wir Zelte von Heteim-Arabern nnd blieben bei ihnen die Nacht. Am zweiten Tage erblickte ich mitunter Saudsteinklippcn, welche aus der entsetzlichen schwarzen Lavawüste herausrag- tcn. Um Mittag kamen wir zn den ersten vulkanischen Kegeln, welche, wie schon früher erwähnt, belli, Plur. hilli uu, genannt werden und sich über die Harra 400 bis 500 Fuß erheben. Der ansehnliche Berg el-Khurram zeigte sich hier in einer Entfernung von einer Tagereise gegen Norden. Die rauhe Oberfläche der Harra ist voller Kameelpfade (äsollüääa.), die unzweifelhaft fchon Jahr hunderte alt sind, und ohne welche an ein Dnrchkommen nicht zu denken wäre. Hierher ziehen die Nomaden mit ihrem Vieh im Frühling, zu welcher Zeit, falls im Herbste Regen gefallen ist, in den Löchern nnd Ritzen der Lava ströme etwas Kraut aufsprießt. Hier und da wachsen auch einige talh-Bäume (Gummi-Akazien). Rings nm dieBnl- kankcgel fand ich eine kleine ebene Fläche von Tuff und Aschen. Von den letzten Regengüssen her gab cs auf dem Hochlande noch viel Wasser in Pfühlen. Auf trockenen Stellen war oft eine Salzinkrnstation zu sehen,.die wie Wasser glitzerte. Die Lava war häufig gewunden nnd geädert und erhob sich gewöhnlich in Form von Wellen, welche ost gebrochen waren. Als die Nacht über nns kam, legten mir uns nieder. Diese Stelle inmitten der Harra war die größte Höhe, welche ich in Arabien erreicht habe, nämlich 1600 m (und wohl noch etwas mehr, da die Ablesung des Ancroid bei regnigem Wetter geschah), nnd zugleich unzweifelhaft die Was serscheide zwischen den beiden großen trockenen Thälern Rord- arabiens, dem Wadi cl-Hnmd und dem Wadi cr-Rummah. Am dritten Morgen und dem zweiten Tage, an dem wir in der Harra uns befanden, verließen wir dieselbe, in dem sie hier durch ein nur wenige Miles breites Sand- steingcbiet unterbrochen wird, in welchem die Schlucht csh-Shotb (d. i. .Spalte im Hufe des Viehs) sich befindet. Die Laven dahinter (nördlich) heißen Harrat el - Ethnan, diejenigen davor (südlich) Harrat Khaibar; beide ver einigen sich weiter im Osten. Zur Linken vor uns ist die Harra voller Hügel, die weißlich anssehen: Harrat cl- abiad. Die ganze Harra ist von Osten nach Westen vier Tagereisen lang, was in solch zerrissenem Terrain etwa 90 engl. Meilen entsprechen mag; ihre Breite ist viel geringer. Mit Sonnenuntergänge stiegen wir wieder von dem Dro medare ab, um die Nacht zu ruhen. Am dritten Tage unserer Wanderung durch die Harra kamen wir schon bald nach Mittag in Sicht des Berges Aiwa, welcher ein wenig jenscit Khaibar liegt, nnd fanden einige Völker von Gattavögcln nnter Akazienbänmen äsend, sahen auch Spuren von Wölfen. Später zeigten Fliegen, die auf der Harra herumschwärmtcn, die Nähe eines Ortes au, und nun hinabsteigcnd sahen wir auch die Thäler von 28