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Wanderungen zwischen TeimL, HLil, Khaibar und Bereida. 214 Charles M. Doughty: allen Formen des menschlichen Körpers herrscht dagegen noch die steife Gebundenheit der Kunstanfängc. Das heutige Tula ist trotz seiner 1500 Einwohner ein ungemein stiller, schläfriger Ort. Der Marktplatz, an dem sich die einer Festung ähnliche Kirche, die Bureaus der Prä fektur und des Distriktsrichters, sowie das Postgebäudc be finden, ist mährend der Wochentage vollkommen öde. Nur an den Sonntagen, wo die Indianer der Umgegend mit Gartenfrüchtcn, kleinen Backwaaren, Thongeräthen u. s. w. zu Markte kommen, herrscht ein buntes Leben hier. Feier lichen Schrittes ziehen die Matronen des Dorfes, von ihren Töchtern gefolgt, durch die Reihen der am Boden lagernden Verkäuferinnen, die, meist von einer Schaar nackter brauner Kinder umgeben und eines derselben an der Brust haltend, mit unerschütterlicher Ruhe zugleich ihren mütterlichen wie gewerblichen Pflichten genügen. Die Jndianertypcn, die man hier antrifft, zeigen auffallende Verschiedenheiten und Ab weichungen von einander. Alle Abstufungen von den scharf- geschnittencn Gcsichtszügen des ägyptischen Typus bis zu den weichen verschwommenen Linien des breiten Kalmücken- gcsichtes sind hier unter dem braunen Volke vertreten. Als von besonders reinem Typus fielen Charnay nur einige Jndianermädchen aus Tula selber auf, deren hervorragende Schönheit an das Bild erinnerte, welches der Spanier Vcy- tia von den Tolteken entwirft. Groß, fchlank, mit feurigen Augen, kühn geschwungenen Brauen und Adlernase, mit auffallend Heller Haut und reichem Haarwuchsc, konnten sie in ihrer bunten, malerischen Tracht gar wohl für Ueberreste des alten, durch seine Schönheit ausgezeichneten Herrscher volkes gelten. Wanderungen zwischen TeimL, HLil, Khaibar und Bereida. Von Charles M. Doughty. Im Verfolge dieser von der Geographie Nordwest- und Central-Arabiens handelnden Artikel habe ich jetzt von dem Wüstengebiete zwischen Khaibar und Hail zu sprechen. Und dies Gebiet ist ein unermeßliches Labyrinth von Bergen, das in Abgeschiedenheit von der Welt daliegt; die Lage der selben habe ich, so gut es ohne Instrumente anging, ver sucht fcstzustcllen und etwas Ordnung hineinzubringen. Dort ist diese Aufgabe indessen doppelt schwierig, denn von den Gefahren abgesehen, welche solche Reisen für Gesundheit und Leben mit sich bringen, hat man mit dem stets grau samen nnd oft gesetzlosen Fanatismus der wenigen armseli gen Bewohner zu schaffen; da ich ferner als erster, der öffentlich nicht nur als Christ, sondern auch als Europäer bekannt war, Arabien betrat und, was Empfehlungen an hervorragende Personen anlangte, deren keine von Damas- cus mitbrachte, so reiste ich unter allen nur erdenklichen Entmnthignngen (wenn ich an Europa denke) und Nach theilen. Jetzt aber, da ich alle Gunst verschmäht und die Probe bestanden habe, habe ich auch jene Namen, welche früher am meisten verabscheut wurden, überall eingebürgert und habe sie, wo ich in Arabien mich auch aufgehalten habe, achwngswcrth gemacht. Arabien ist das ödeste und uninter essanteste Land, das ein Reisender auf der Erde fehen kann; in anderer Hinsicht aber ist es auch wieder das interessan teste Land in der Welt, wenigstens in unserer Welt, da es das Feld des Semitismus ist; und weil wir hier den größ ten Theil der Fundamente für unsere semitischen Studien legen müssen, erlangen alle, auch die geringfügigsten Ver hältnisse dieses elenden Landes für nns ein ganz besonderes Interesse; es hat hier schon etwas zn bedeuten, selbst nnr von Namen zu reden, die früher noch nicht bekannt waren. Mit einem Worte — es ist eine Art zn reisen in Arabien, welche in jedem andern Lande nicht von gleichem Nutzen wäre. Abgesehen davon, daß europäische Autoren, welche die Araber und ihr Heimathland stets in einem phantastischen Lichte erblicken möchten, das Bild Arabiens falsch dargcstcllt haben, kann man sagen, daß die in solch ernster und öder Natur ausgewachsenen Araber durchweg weniger Orientali sches an sich haben, als wir selbst. Die wenigen Europäer, welche eine Zeit lang die in geordneten Zuständen sich be findenden Grenzländcr Syrien, Mesopotamien und Aegyp ten bewohnen, leihen gewöhnlich den eitlen Berichten der Araber ein gläubiges Ohr, und letztere sind erstlich unwis send oder besten Falls ungebildet, und haben zweitens keinen Grund, Fremden die Wahrheit über ihr Land mitzutheilcn. Aus diesen Ursachen hat man bis heutigen Tages so wenig genaue Kenntniß von Arabien, und deswegen hat auch die europäische Wissenschaft von demselben noch keinen Besitz ergriffen. * -t- -i- Das von Medjin Salih nach TeimL hin ausstcigende öde mir wohlbekannte Sandsteinhochland ist das Wander gebiet (ckira) der Fedschir- oder Fukara-Nomadcn. In den weichen Felsen dieser Gegend, namentlich in der Nähe von Tränkplätzcn fand ich viele rohe, kurze himjaritische Inschrif ten. Jhr Hanptwasserplatz ist el-'Erudda, in dessen Nähe sie nach Nomadensitte in den Sommermonaten Standlager errichten. Inmitten ihrer äirn erhebt sich als mächtige Land- marke der Dschebel Scherra'an; nördlich oberhalb Teimä liegt ein zweiter großer Tränkplatz der Scherrarat - Nomaden, Ubbeit (Ubbot). Die Berge Muntar Beni 'Atteh und To Wil Sa'ida dienen nach jener Seite hin als Laud marken. Zu Errbah nahe östlich von Teimä liegen Rui nen eines alten Dorfes. Reist man von dort ostwärts nach Dschebel Schammar, so erblickt man nach wenigen Stun den den weißen Rand des Nefud, welcher dann nach Nor den umbiegt, fo daß zwischen TeimL und Dschanf sich Nefüd-Sand nur in der Breite einer Tagereise findet. Hinter Dschebel Hclwan liegen östlich in der Nefud von Wasserplätzcn der Nomaden el-Hai za (in dessen Nähe mehrere tönende Sandbcrge liegen, d. h. wo der vom Winde bewegte und hcrabrollendc Sand einen Ton erzeugt, wie das verhallende Zittern einer großen Glocke nach dem An schlägen) und Koatscheba — in der arabischen Topo graphie halte ich es nämlich für eine Hauptsache, die größe ren Gewässer anzugcben. Denn wer kann sagen, ob solche auf Karten angegeben zu finden, nicht einmal Menschen leben zu retten vermöchte? Doch kann ich soviel sagen —