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Desirs Charnay's Ausgrabungen in Mexico und Central - Amerika. an jedem Sonntag Vormittags die unvermeidlichen Promc- nadenkonzerte stattfinden. Der von Maximilian begonnene Pacso Nuevo, eine herrliche Promenade, die bis Chapul- tepcc weiter geführt werden sollte, ist nur bis zur Hälfte ihrer projektirten Länge gediehen, und es ist sehr fraglich, ob die großartige Anlage, deren sich keine europäische Haupt stadt zu schämen brauchte, je vollendet werden wird. Eine Anzahl von Pferdebahnen, die den hauptstädtischen Verkehr vermitteln, haben im Verein mit den Eisenbahnen auch die nähere Umgebung der Stadt verändert. Neue Vorstädte sind entstanden, und da, wo vor zwanzig Jahren sumpfiges, Tage vergessen, wo cs im Verein mit den Priestern Tag und Nacht alle Strafen des Himmels ans die von der Re gierung beschützten Leperos herabflehte, die zum Abbruch der Klöster gedungenen Arbeiter. Unbekümmert um alle jene Bcrwünfchungen und die gelegentlichen thätlichen Angriffe der frommen Schaar, arbeiteten aber die Leperos unver drossen und erfolgreich an dem Zerstörungswerke. Ein erfinderischer Kopf war zu rechter Zeit auf den glücklichen Ausweg gekommen, die Leperos bei ihrer „tempelschänderi- schen" Arbeit mit Heiligenbildern, Skapulieren, Rosenkrän zen und Medaillen zu behängen, ihr eigenes Gewissen da ¬ von einem übelriechen den Graben durchzoge nes Terrain war, stehen heute zierliche, von Gärten und Bäumen umgebene Billen. Un ter den ncngcpflanztcn Bäumen ist auch hier schon der schnellwach- fende Eukalyptus be sonders zahlreich ver treten ; die große Plaza hat eine Menge statt licher Eukalypten auf- znweiscn, die, vor kanm zwölf Jahren gepflanzt, heute eine Höhe von über 100 Fuß und Stämme von einem Meter Durchmesser- Haben. Einen wichti gen Faktor in der zu nehmenden Vergröße rung der Hauptstadt bildet der in den letzten Jahren immer häufiger werdende Zuzug von Nordamerikanern aus den Vereinigten Staa ten. Dank ihrer bestän digen Nachfrage nach geeigneten Villengrund- stückcn dicht bei dcr Stadt ist der Preis des vor nicht langer Zeit noch ganz werth- losen Grundes und Bodens beträchtlich ge stiegen, und wenn es so fort geht, wird er in dnrch zn beruhigen nnd ihnen die Furcht vor der Uber sie verhängten großen Exkommunika tion zn benehmen. Das Mittel war von bester Wirkung, und es wird sogar erzählt, daß die Arbeiter sich furchtlos alles Holzwerk der nie- dcrgerissenen Gebäude ungeeignet nnd dasselbe noch lange als Brenn material verwendet haben. Durchaus unverän dert trat dem Reisenden die indianische Seite des hauptstädtischen Stra- ßcnlebens entgegen. Da ist der Aguador, der Wasserträger-, mit der langen Lederschürzc und den beiden an einem über die Schulter ge henden Riemen befestig ten Wassergcfäßcn, von denen er das eine auf der Brust, das andere auf dem Rücken trägt; der Kohlenhändler, der sich mit großen znsam- mcngcschnürtcn Bün deln seincr-Waarc ebenso belastet, wie die klei nen Esel, die er ge wöhnlich bei sich führt, und verschiedenes An dere. Einen besonder« Zweig der indianischen, wenigen Jahren sich verzehnfacht haben. In Bezug auf die Physiognomie der hauptstädtischen Bevölkerung fiel Charnay nur eine wesentliche Verände rung auf: während vor 20 Jahren der zehnte Mensch, dem man in den Straßen von Mexico begegnete, ein Geistlicher, nnd zwar meist ein Mönch war, sieht man das geistliche Kleid heute nur noch auffallend wenig vertreten. Die gänz liche Trennung der Kirche vom Staate, die Aufhebung der Mönchsorden und die Konfiskation der geistlichen Güter sind die sehr natürlichen Ursachen, die diese Veränderung bewirkt haben. Die Kirchen der Hauptstadt sind trotzdem heute noch stets reich besucht; die Geistlichkeit hat sich mit anerkennenswcrthcr Ruhe in ihr Schicksal gefunden, und das gutkatholische Volk hat augenscheinlich die aufgeregten Photograph^) stereotypen Industrie bilden die sogenannten battoas, dünne, kunstlose Holzgefüße, und die mannig fachen, aus Stroh und Binsen geflochtenen Matten: beides Gegenstände, die in den mexikanischen Häusern viel ge braucht und dementsprechend auch viel in den Straßen fcilgcboten werden. Unvermeidlich ist auch die indianische Tortillera, die Vcrfertigerin und Verkäuferin der belieb ten runden Maiskuchcn. Die meisten dieser ambulanten Händler kommen Morgens von ihren oft entlegenen Dörfern mach der Stadt, und gar viele von ihnen lassen bei dem abendlichen Heimwege schon den geringen Tagesver dienst in einer oder mehreren der zahlreichen Pulquerias daraufgehen. Unter den indianischen Weibern besonders ist die Trunksucht hier das vorherrschende Laster, dem sic sich Teohamici, Golt des Todes und Krieges. (Nach einer