178 Dssirs Charnay's Ausgrabungen in Mexico und Central-Amerika. umgeben, ist Veracruz für den Fremden der ungesundeste Ort Mexicos. Das gelbe Fieber herrscht hier in Perma nenz und tritt fast jedesmal, wenn die Ankunft eines Aus wandererschiffes ihm neue Nahrung zufuhrt, als furchtbare Epidemie auf. Der Hafen von Veracruz läßt Vieles zu wünschen übrig; der Ankergrund ist schlecht, und den einzi gen Schutz für die Schiffe gewährt das Fort San Juan; einen Schutz freilich, der sich nur gar zu oft bei dem hier stets als Sturm auftretenden Nordwinde als unzureichend erweist. Bon der Gewalt dieses Windes macht man sich nur schwer eine Vorstellung: in mächtigen Stößen fährt er daher, ungeheure Wirbel feinen Sandes mit sich führend, der bis tief in die festverschlossenen Häuser eindringt. Eine plötzliche Kälte tritt ein, und nach wenigen Augenblicken schon ist die Mole unter den haushoch aufgewühlten Wellen gänzlich verschwunden. Bei den ersten Anzeichen des Stur mes werden sämmtliche Häuser geschlossen, die Stadt wird todt und öde. Im Gegensatz zu dem vollständig unverändert gebliebe nen Hafenviertel von Veracruz fand Charnay die innere Stadt bedeutend mit der Zeit vorgeschritten. Stattliche Thürme und einige glänzende Kuppeln, sauber gestrichene Hänser und vor allen Dingen das rege Leben in den Stra ßen machen den Eindruck einer nicht geringen Wohlhaben heit. Der große Marktplatz, vor 20 Jahren noch eine un saubere, mit Schmutz- und Abfallhaufen bedeckte und von Veracruz und das Fort San Juan de Ulloa. (Nach einer Photographie.) schlammigen Gräben durchschnittene Wüste, ist heute mit Baum- und Blumenanlagcn geschmückt und mit Marmor pflaster versehen. Ein schöner Springbrunnen nimmt die Mitte ein, an den Seiten des Platzes aber erheben sich neben den schön restaurirten alten Banten der Kathedrale und des Regierungsgebäudes eine Anzahl moderner Häuser, iu deren säulengetragenen Erdgeschossen glänzende Läden und Casos an großstädtisches Treiben erinnern. Nach mehrtägigem Aufenthalte in Veracruz begab sich Charnay mit seinen Begleitern zunächst auf der Eisenbahn nach der Hauptstadt. Nach wenigen Stationen erreichte man den berühmten Viadukt von Chiquihuitc und bald dar auf die eiserne, über das tiefe Thal des reißenden Atoyac führende Brücke, die für eines der Hauptwerke bei dem fchwierigcn Bahnbau angesehen wurde. Hier hat man die Tierra caliente hinter sich, und die Vegetation nimmt dem gemäß einen andern Charakter an. Unweit der Station Cordova zeigt sich der rothe Thonboden der welligen Hoch ebene überall mit großen Kaffecpflanzungen bedeckt, die ihr üppiges, feines Grün im Schatten der großen, als Schutz pflanzen dienenden Bäume ausbreiten. Endlich zeigt sich der mächtige Orizaba in seiner ganzen imposanten Größe, der höchste Bergriese von Mexico. Nachdem die an seinem Fuße belegene kleine Stadt Orizaba passirt ist, wird die Steigung der Bahn immer beträchtlicher und schneller. Eine von tiefen Schluchten zerrissene, wilde Gebirgslandschaft, das sogenannte Jnfiernillo oder die kleine Hölle, thut sich vor den Blicken auf — über ungeheure Schluchten, an stei len Abhängen und scheinbar unermeßlich tiefen Abgründen hin führt die Bahn auf kühn angelegten Brücken nnd drei-