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164 Belgische Skizzen. neuesten Census 32 900 Einwohner zählt, in industrieller wie kommerzieller Beziehung einen sichtlichen Aufschwung nehmen; großartige Bauten, die in jüngster Zeit entstanden sind, darunter ein neuer großer Bahnhof, lassen das erfreu liche Emporkommen des Ortes auch erkennen. Einstweilen freilich sind die im 14. Jahrhundert aufgeführten Stadt mauern immer noch viel zu weit für die heutige Stadt, und ist der innerhalb ihres Umkreises vorhandene unbebaute Raum nicht nur zu Gartenanlagen verwendet, sondern viel fach sogar auch als Ackerland nutzbar gemacht. Die alten Wälle, welche die Mauern noch umziehen und einen Um fang von fast zwei Stunden haben, sind auch hier zu an- muthigen Promenaden umgeschaffen worden. Die zehn stattlichen, zum Theil alten Kirchen, deren Löwen sich rühmt, beherbergen eine reiche Fülle der herr lichsten Kunstschätze. Die am Marktplatze belegene große St. Peterskirche namentlich, ein aus dem 15. Jahrhundert stammender gothischer Bau, hat in ihren zahlreichen Kapel len wahre Perlen der niederländischen Malerei aufzuweiseu: Bilder von Roger van der Weyden, de Craeyer, Dieric Bouts, Quentin Massys u. s. w. Auch die Plastik ist durch eine Menge von Meisterwerken vertreten, unter denen der reiche Lettner und das prächtige gothische Tabernakel der Peterskirche und die berühmten, aus dem 16. Jahrhundert stammenden Chorstühle der Gertrudenkirche besondere Beach tung verdienen. Vorzugsweise interessant erscheinen die Die großen Mühlen bei Aerschot. letztgenannten Prachtstücke der einheimischen Holzbildhauer kunst schon durch den Umstand, daß die Stadt jetzt noch wie vor dreihundert Jahren auf demselben Gebiete Bedeu tendes leistet: die geschnitzten Kirchenmöbeln, die aus den heutigen großen Werkstätten Löwens hervorgehcn, erfreuen sich mit Recht eines Weltrufes. Wenn unter den hervorragenden älteren Baudenkmälern der belgischen und niederländischen Städte die Profanbauten fast ausnahmslos von höherm Kunstwerthe, weil bedeutend origineller sind, als die Kirchen, so macht auch Löwen von dieser Regel keine Ausnahme. Seine schönen Gotteshäuser, selbst die großartige Peterskirche nicht ausgenommen, können eine gewisse Stereotypie der Architektur nicht verleugnen und werden dem Kunstfreunde bald nur von sekundärem Interesse erscheinen neben den mannigfaltigen Schätzen, die sie in ihrem Innern enthalten: das alte Rathhaus dage gen, ein unvergleichlich schöner Bau spätgothischen Styls, verliert auch bei längerer Bekanntschaft und fortgesetzten! Studium nichts von seiner eigenartigen Wirkung, seinem wunderbaren Zauber. Nicht mit Unrecht rühmen die Lö- wener von dem prachtvollen Bauwerke, daß es die berühm ten Rathhäuser von Brügge, Gent, Mons und Oudenarde an Reichthum, Heiterkeit und Zierlichkeit des Schmuckes, sowie an edler Harmonie der Formen und Verhältnisse weit übertreffe. Seine in die Jahre 1448 bis 1463 fallende Entstehung verdankt es dem Mathäus de Layens, ^Mauer- meister der Stadt und des Weichbildes"; und zwar wird erzählt, daß die Pläne, die derselbe dem Magistrat und der Bürgerschaft vorgelegt habe, diesen so erstaunlich und un ausführbar vorgekommen seien, daß man sich erst nach lan gem Besinnen und nachdem man das Gutachten der Bau meister des Herzogs von Burgund eingeholt, entschlossen