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Dr. Richard Greeff: Die Insel Rolas. 135 dem Gotteshause geschenkt. Die anderen Kunstschätze der Kathedrale, alte Bilder, Statuen und schöngeschnitzte Beicht stühle werden jedoch alle durch den Hauptschatz, die herr liche Kanzel von H. Berbruggen, verdunkelt. Im Jahre 1699 von diesem seinerzeit berühmtesten Holzschnitzer verfertigt, stellt sie in ihrem untern Theile die Vertreibung Adam's und Eva's aus dem Paradiese vor; der zürnende Erzengel Michael bildet den Mittelpunkt des lebensvollen Bildes, auf der eiuen Seite flüchtet das schuldbewußte Menschen- paar vor dem sie verfolgenden Tode, auf der andern rankt sich, von allerlei Gethier belebt, das üppige Laubwerk des Paradiesgartens; darüber, auf der Mondsichel stehend und vom Baume des Lebens getragen, die heilige Jungfrau mit dem Jesuskinde, das mit dem Kreuze der Schlange den Kopf zerstößt. — DaS herrliche Kunstwerk gehörte früher der Jesuitenkirche in Löwen an. Die Insel Rolas. Von Dr. Richard Greeff, Professor in Marburg. III. Was den Vegetationscharaktcr und die Verthcilung der Vegetation über das Eiland im Allgemeinen betrifft, so wird die Strandzone fast ringsum von Kokospalmen ein genommen, zwischen denen sich an einigen Stellen kleine Wälder von Pandanen oder andere Gruppen von höheren Bäumen finden. Auf diese Strandzone folgt nach innen überall der eigentliche Wald, entweder wie an dem bei weitem größten Theil des Umfanges dichte Urwaldvegetation, die Axt und Kultur noch gar nicht oder kaum berührt haben, oder gelichteter Wald mit Kakao-Kulturen. Einer der merk würdigsten Urwaldbestände von Rolas, der mir auch in sunnistischer Hinsicht wegen der darin hausenden Ungeheuern Schwärme von Flng- oder Flederhunden, den so genannten Vampyren, interessant war, und den ich deshalb wiederholt durchstreifte, liegt in der Südwestecke der Insel. Er wird nördlich begrenzt von einer größern Lichtung, durch welche der westliche Arm der oben erwähnten Querstraße zur Praia Poubo führt, und östlich von dem Südhügel. Wenn man in diesen Wald cintritt und die Barren, die sich durch nmgchauene und umgefallcne Stämme und wildes Strauchwerk gleich am Saume cntgegenthürmen, überstie gen hat, wird man plötzlich von einem tiefen Waldesdunkel empfangen, das einen überraschenden Gegensatz zu der Licht fülle draußen bildet. Die Kronen der hohen Bäume stoßen so dicht zusammen, daß nur hier und dort ein Sonnenstrahl glitzernd durch das grüne Lanbdach einzudringen vermag. Dem natürlichen Charakter des tropischen Urwaldes ent sprechend, finden sich in ihm Bäume und Sträucher der verschiedensten Art vereint und in der verschiedensten Größe. Zwischen Baumricsen von stannenerregendcr Höhe und un- geheucrm Stammumfang stehen jüngere Bäume in allen Abstufungen und unter ihnen, fast den größten Theil des Waldes einnehmend, das dichte üppig wuchernde Unterholz und Strauchwerk. Viele der Bäume, namentlich die grö ßeren, sind von den merkwürdigen Schlingpflanzen, den Lia nen, umstrickt uud oft so dicht, daß man von dem eigentlichen Baumstamm kaum noch etwas zu erblicken vermag. In den Gipfeln schlingen sie sich von Ast zu Ast, vou Zweig zu Zweig, das ohnehin dichte Laubdach noch undurchdring licher machend, oder sie hängen in unendlich langen, schiffs- taudickcn Ranken zur Erde nieder, um hier alsbald wieder Wurzel zu schlagen und fortwuchcrnd auch den Boden mit einem dichten Netzwerk zu übcrzichcu und auf ihrem Wege an anderen Baumstämmen aufs Neue in die Höhe zu klet tern. Zieht oder rüttelt man unten an einer solchen Lia neuranke, die gleich einem Glockenstrang vom Thurme hcr- abhängt, so antwortet hoch oben ein unheimlich knisterndes Geräusch und oft stürzt der ganze Strang mit dem von ihm umstrickten dürren und grünen Gezweig krachend zur Erde nieder. Daß das Einhalten einer bestimmten Rich tung in diesem Walde, will man sie nicht mit Gewalt durch Hinwegräumung der Hindernisse erzwingen, ein Ende hat, ist natürlich; man muß, den Kompaß in der Hand, kreuz und quer sich durchwinden, über nmgefallene und vermo dernde Stämme klettern, durch das junge aufstrebende Holz dringen, dann über die hier, wie sonst überall auf der Insel, zerstreuten Lavablöcke steigen und endlich noch dnrch das dichte Gewirr der herunterhängcnden Lianen und das den Boden überstrickende Rankennetz derselben, in das der Fuß fortwährend eingleitet, fortzukommcn suchen. Schon bei meinem ersten Besuch dieses Waldes war mir in der erwähnten nördlich ihn begrenzenden Lichtung der durchdringende und widerliche moschusartige Geruch der dort hausenden Fleder- oder Flughunde, der sogenannten Vampyre'), entgegengckommen, der beim Eintritt in den Wald immer stärker wurde. Zu gleicher Zeit hörte ich ringsum aus den Gipfeln der Bäume ein vielstimmiges Kreischen und Quaken hervorgehen. Aber so sehr ich mich bemühte, konnte ich keins der Thiere erkennen; ich sah nur hoch oben in dem dichten, glitzernden Laubdach verworrene Gestalten sich herumbewcgcn. Endlich erreichte ich eine durch umgestürzte Baumstämme entstandene kleine Lichtung und konnte nun deutlich die Thiere in den Bäumen umher kriechen oder mit ihren Krallen an den Zweigen hängen sehen. Auf eineu Schuß sah ich zwei derselben stürzen, eins indessen siel in einen tiefer stehenden Baum und klam merte sich hier noch wahrscheinlich mit seiner großen Daumcn- kralle fest. Alsbald aber nach dem Schüsse erhob sich rings um ein merkwürdiges und fast unheimliches Geräusch, ein immer mehr anschwellendes Flattern und Schwirren, als ob ein Gewittersturm durch die Gipfel der Bäume brause. Tausende von Vampyren, in ihrer Größe und ihrem Fluge den Eulen ähnlich, flogen die Luft erfüllend aufgeschreckt von allen Seiten herbei. Ich wurde an die Harpyien-Sage erinnert, die wohl ohne Zweifel derartigen Thieren, die sich zudem durch große Gefräßigkeit und eine höchst seltsame ') Auf Rolas und S. Thoms werden diese Thiere „os Vampssros" genannt, auch sonst wohl die Pteropincn, dieFlug- oder Fl'cderhunde im Allgemeinen als Vampyre bezeichnet, ob gleich dieser Name eigentlich nur gewissen karnivoren Fleder mäusen, namentlich den blutsaugendcn Phylloftoncn oder Blat ternasen, zukommt. Die Flughunde ernähren sich ausschließlich von Früchten.