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Afrika. — Ueber die gegenwärtige Stimmung in Tripoli entnehmen wir einem Berichte der „Times" (Mail vom 28. December 1881) das Folgende: Bis ganz vor Kurzem bot Tripoli, wenn möglich noch mehr als Tunis, das Bild einer in sich feindlich getheilten Familie. Nicht nur lagen die Araberstämme beständig mit einander in Fehde, sondern sie in ihrer Gesammtheit haßten wieder ihre türkischen Herrscher und Religionsgenossen ebenso sehr, wie die Anhänger der im Beginne des vorigen Jahrhunderts zur Gewalt gekom menen Dynastie der Karamanli die Eindringlinge aus Stam- bul haßten. Diesen Zustand haben die Vorgänge des letzten Jahres völlig geändert: Angesichts der französischen Invasion in Tunis ist aller innerer Hader zeitweilig oder dauernd ver gessen worden und ein Bund entstanden, dessen Zweck die Vertheidigung des Islam im Allgemeinen und Tripolis im Besondern zu sein scheint. Die Araber, welche sich noch un längst bitter über ihre türkischen Herren beklagten, begrüßten im Mai die Ankunft Nasif Pascha's mit gewaltigem Enthu siasmus und empfingen die türkischen Truppen mit Triumph geschrei; die großen Belagerungsgeschütze erhielten sofort nach ihrer Landung eine Bluttaufe, indem die Stadtbewohner von Tripoli zahlreiche Ochsen und Schafe über ihnen schlachteten. Die Beduinen des Innern murrten nicht mehr, wenn ihnen ihre Kameele zum Transportdienste weggenommen wurden, sondern sagten nur: „Möge Allah dem Sultan Sieg ver leihen!" Die Ankunft türkischer Truppen war nöthig, sowohl um die tripolitanischen Araber zu hindern, sich ihren tunesi schen Brüdern im Kampfe gegen die Ungläubigen anzuschließen, als um den Tripolitanern die Gewißheit zu geben, daß die Türkei einem weitern Vordringen der Franzosen Gewalt ent gegensetzen würde. Es hätte dem Sultan Abdul Hamid das Kaliphat kosten können, hätte er diesen Zustand der öffent lichen Meinung in Nordafrika ignorirt oder auch nur ver nachlässigt. Wie gewaltig andererseits die fanatischen Snus- sija den Haß gegen die Christen in Nordost -Afrika schüren, hat nns unlängst Gerhard Rohlfs ausführlich in seinem „Kufra" dargelegt. Der oben erwähnte Times-Korrespondent ist denn auch der Ansicht, daß Europa und England zu über legen haben, in wie weit die mohammedanische Bewegung in Nordafrika und sonst als berechtigte Selbstvertheidignng an zusehen ist, und in wie fern sie einen Theil des allgemeinen Kreuzzuges des Islam bildet, der heute Frankreich in Alge rien bedroht und morgen England in Indien bedrohen kann. Mit Spannung erwarten die Snussija wie die ganze mo hammedanische Welt den 1. Moharram 1300, d. h. den 12. November 1882, an welchem Tage der Mehdi oder Messias erscheinen soll, „40 Jahre alt und von edlem Benehmen, den einen Arm länger als den andern; seines Vaters Name ist Mohammed, der seiner Mutter Fatima, und eine Zeit lang vor seinem Auftreten wird er verborgen sein". Alle diese Einzelheiten passen auf das jetzige Haupt der Snussija cl-Mehdi, welcher vor vier Jahren sich in die Einsamkeit zurückgezogen hat, um voraussichtlich in zehn Monaten als Messias aus- zutretcn. — Der Holländer Sch uv er (s. „Globus" XI-, S. 159), welcher vom Blauen Nil her in die Galla-Länder vorzudrin gen sucht, hat von Fadasi (unter 9" nördl. Br.) aus im Au gust 1881 das Land der Legha-Gallas an den Quellen des Jabos, eines Zuflusses des Blauen Nil, besucht. Von einer Paßhöhe auf der Wasserscheide zwischen Blauem Nil und Sobat erblickte er weit im Südwesten den großen See Baro und den gleichnamigen nach Westen fließenden Fluß, welcher etwa unter 7'// nördl. Br. liegt, während ihn die Karten, allerdings nur auf Hörensagen hin, um einen Breiten grad nördlicher ansetzen. Im Osten steigt der Berg Wallcl bis 11000 Fuß an. Die Lhega-Gallas sind ein isolirter Stamm, der weit im Westen des eigentlichen Galla-Landes seinen Sitz hat, mindestens 20000 Krieger zählt und Voit einer alten angesehenen Dynastie beherrscht wird. Schuver kehrte übrigens nach Fadafi zurück und wollte erst Ende 1881 endgiltig nach Süden aufbrechen. Er hatte gehofft, daß der Italiener Carlo Piaggia, welcher schon seit 1855 in Afrika lebte und reiste, sich ihm als Sammler naturhistori- scher Gegenstände anschließen würde; inzwischen ist derselbe jedoch auf der Reise nach Fadasi, anscheinend in Karkodsch am Blauen Nil, etwa 60 Jahre alt, gestorben. — Ueber Joseph Thomson's bereits erwähnte geo logische Reise an dem Rovuma-Flusse (s. „Globus" X1-, S. 351) gelangte ein Bericht in der Sitzung der Royal Geo graphica! Society am 16. Januar d. I. zur Verlesung. Der jugendliche Forscher landete am 13. Juli 1881 in der Mikin- dani-Bai an der Ostküste Afrikas (10Vt" südl. Br.), von wo aus bekanntlich Livingstone seine letzte Reise antrat. Seit jener Zeit (1866) hat sich der Ort bedeutend gehoben und rangirt jetzt unter den südlich von Bagamojo gelegenen Küsten plätzen nur hinter Kilwa und Lindi. Der Sklavenhandel, welcher trotz aller Anstrengungen, ihn zu beseitigen, in ansehn lichem Umfange noch immer heimlich betrieben wird, unter hält fortdauernd die Bestrebung, Reisende von der Ostküste möglichst fern zu halten, und hätte Thomson nicht des Sul tans Autorität für sich geltend machen können, so wäre ihm jedes nur mögliche Hinderniß in den Weg gelegt worden. Anstatt wie Livingstone erst auf südlichem Wege nach dem Rovuma vorzudringen, ging er direkt südwestlich durch das Makondc-Land, d. h. die Landschaft der Büsche und der Schlingpflanzen, wo die Wege nur ebenso viele niedrige Tun nels sind, welche durch das dicke Gestrüpp führen. Am 3. August erreichte er den Zusammenfluß des Ludschende und Rovuma (730 Fuß hoch), der beiden Quellarme des Stromes, und von dort in drei Tagemärschen längs des von S.-W. kommenden Ludschende das Mavitu-Dorf Jtule, wo sich ein Kohlenlager befinden sollte. Es waren aber nur einige un regelmäßige Lager bituminösen Schiefers, der, in ein Holz feuer gelegt, zwar eine Flamme von sich gab, aber an Um fang dadurch nichts verlor und nicht von selbst brannte. Zwei Tagereisen weiter flußaufwärts besuchte er ein zweites angebliches Kohlenflötz bei dem Dorfe Kwamakandscha, das von Manjandschas aus der Nähe des Njassa-Sees bewohnt wird. Aber auch hier hatte er keinen bessern Erfolg, als daß er das Nichtvorhandensein von Kohlenlagern am Rovuma feststellte. Es sind nur bituminöse Schiefer, welche auf einem beschränkten Gebiete von circa 20 engl. Meilen Länge und circa 6 Meilen Breite vorkommen und zwischen Granit und Gneis eingebettet sind. Nach einigen Ausflügen in die Um gegend kehrte Thomson auf einem andern Wege zurück und erreichte die Küste etwas südlich von Kap Delgado; während dieser siebenwöchcntlichen Reise hat er zwischen 600 und 700 engl. Meilen durchwandert. Die Bewohner von Mako n de beschreibt er als sehr häßlich, namentlich die Weiber, mit kurzem, stämmigem Körper und höchst widerwärtigem Gesicht, sie sind aber mit ihrer natürlichen Häßlichkeit anscheinend noch nicht zufrieden gewesen und haben sie erfolgreich dadurch ver größert, daß sie Gesicht und Leib mit geometrischen Figuren in Basrelief tatuiren. Dieselben werden mit dem Messer cingeschnitten und dann Kohle in die Wunden gerieben, wo durch die betreffende Stelle in die Höhe geht; eine Operation, die sie dreimal wiederholen. Die Weiber schmücken sich außer dem mit dem Pelele, einem runden, geschnitzten Stücke Holz von circa 2 Zoll Durchmesser, das sie in der Oberlippe tra gen. Dadurch daß sie viel Guttapercha und Kopalharz sam meln können, sind sie unverschämt geworden und der Verkehr mit ihnen schwierig. Die früher so furchtbaren und von ihren Nachbareu noch immer gefürchteten Mavitu haben sich jetzt wieder dem Ackerbau, den sie ursprünglich betrieben, zu gewendet, weil der Sultan von Zanzibar gedroht hatte, ihre Sklavenjagden nicht länger mehr dulden zu wollen. Dadurch, daß die Verschiffung von Sklaven zur See unmöglich gewor den, ist der Handelswerth derselben gestiegen und in Folge