Volltext Seite (XML)
Die Insel Rolas. Von Dr. Richard Greeff, Professor in Marburg. Die folgenden Mittheilungen nun über die Insel Rolas gründen sich auf Beobachtungen und Aufzeichnungen, die mir während meines Aufenthaltes auf dieser Insel von Anfang Januar bis gegen Mitte März 1880 neben meiner speciel- len naturwissenschaftlichen Arbeit gestattet waren. Außer dem muß ich dankend anerkennen, daß ich mich auch hierbei der stets bereiten Hilfe meines verehrten Gastfreundes, des Herrn d'Aranjo, zu erfreuen hatte, der mir auch nachträglich im brieflichen Verkehr manche werthvolle Angabe hat zu kommen lassen. Die Insel Rolas — Ilha oder Jlheo das Ro las, Taubeninsel i) — verdankt ihren Namen der über aus großen Menge von wilden Tauben, die ihre Wälder bewohnen. Auf Schritt und Tritt hört man ihr „rollen des" Locken und Girren und sieht sie in den Gipfeln der hohen Bäume umherfliegcn. Wann indessen nnd von wem dieser Name gegeben worden ist, habe ich nicht ermit teln können. Ebenso wenig habe ich in den älteren und neueren portugiesischen Schriften über die Guinea-Inseln, die mir zugänglich waren, etwas über den Zeitpunkt der Entdeckung und Besitznahme unseres Eilandes durch die Portugiesen finden können. Die Entdeckung der Nachbar- und Hauptinsel S. Thoms erfolgte nach der allgemeinen Annahme im Jahre 1470 am 21. December, dem Jahres tage des Apostels Thomas, und ihm zu Ehren erhielt die Insel ihren Namen. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß gleichzeitig oder bald nachher anch Rolas anfgefunden wurde, denn die kühnen von Affouso V. auf Entdeckungsreisen ansgcschicktcn portugiesischen Seefahrer Jono de San- tarem und Pero d'Escobar, nachdem sie im Nordosten von S. Thoms, an der heutigen Cidade, die portugiesische Fahne aufgcpflanzt, segelten bald in südwestlicher Richtung weiter nnd fanden schon am 1. Januar 1471 die Insel Annobom. Die Insel S. Thoms ward mit dichtem, ununterbroche nem Walde bedeckt nnd unbewohnt angetroffcn, und es ist deshalb wohl mit einiger Sicherheit anzunehmen, daß auch Rolas um diese Zeit ohne menschliche Bewohner war nnd in den folgenden Jahrhunderten auch blieb, zumal die Kolo- si Die portugiesische Sprache hat zwei Wörter für Taube: I>omba (v. Lat. I'alumbss), hauptsächlich für die wilde Taube, Holztaube rc. gebraucht, und Köln, die zahme Taube, Haus taube, auch wohl Turteltaube. DaS Wort Röla ist offenbar ein Onomapostionm, dem „rollenden", lockenden Ton der männlichen Tauben nachgebildet, das in dieser Richtung auch in anderen Sprachen vorzukommen scheint. Einer meiner hiesi gen Kollegen theilt mir darüber noch Folgendes mit: Im Spanischen ist xalomo urrullnctor oder palomo tambor die Trommcltaubc, Oolumba äas^xns, Deutsch Rodler lNemnich, Allg. Poiyglotten-Lex. d. Naturg. I, 1129); das französische rouloul äs Ualaooa ist solumba sristata (Ncmnich 1128). Diese Wörter sind offenbar verwandt, namentlich schließt sich rüla eng an das spanische urruHur, in Schlaf singen, gir ren, und arrullo, Wiegenlied, Ruckern, Girren, an. Jlheo oder Jlhcu, Eiland, ist das Diminutiv von Ilha, Insel. Rolas kann mit Rücksicht auf seine Größe und seine Kultivirung mit Recht auf die Bezeichnung Ilha das Rolas Anspruch machen. II. nifation von S. Thoms sich auf einen verhältnißmäßig klei nen Theil im Nordosten der Insel beschränkte, während der ganze Süden von der Kolonisation und der Herrschaft der Portugiesen unberührt blieb nnd um so mehr, da seit der Mitte des 16. Jahrhunderts die ganze Küste der Südecke der Insel von den Angolares-Negern in Besitz genom men worden war, den noch hcntc nächsten Nachbarn von Erst zu Anfang dieses Jahrhunderts scheint der erste Versuch einer Kultivirung ans Rolas gemacht worden zu sein. Um 1814 lebte hier, wie I. da Cunha Mattos, einer der Portugiesischen Schriftsteller über die Guinea-Inseln, berichtet, ein einziger Einwohner, der die Insel aber später wieder verlassen zu haben scheint. Im Jahre 1864 wurde Rolas durch einen portugiesischen Kolonisten von S. Thoms vom Fiskus erworben, der auch auf ihr die ersten Kakao kulturen anlegte und das jetzige Wohnhaus am Nordstrande erbaute. Von diesem hat vor einigen Jahren Herrd' Araujo Rolas angekauft, der nun mit seinem Brnder und vierzig bis fünfzig Negern die' weitere Kultivirung der Insel sich als Lebensaufgabe' gesetzt hat und in derselben mit plan mäßigem Eifer und Geschick fortschreitet. Rolas liegt zwischen 0° G 5" nördl. Br. und 0° U südl. Br. Das kleine Eiland wird somit in seiner nörd lichen Hälfte vom Aequator geschnitten. Die Ausdehnung von der Nordspitzc, die ich Ponta doNorte nennen will, bis zur Südspitze, der Ponta do Sul oder de Jo an es, beträgt 2140 m, von welchen 680 m nördlich und 1460 m südlich vom Acgnator liegen. Ihre größte Ausdehnung er reicht die Insel in der Richtung von der Nordostspitzc, der Ponta de S. Antonio, bis zur Südspitze, der Ponta do Sul, mit 2500m. Wie die Nachbarinsel S. Thoms stellt auch unser Ei land eine vulkanische Erhebung aus dem Meere dar, die in ihrer Hauptmasse, wie dort, aus Basalt und basaltischer Lava besteht. Die Küste ist in Folge dessen zum großen Theil felsig, oft von hohen, wild zerklüfteten und weit ins Meer vordringcnden Klippen gebildet. Man erkennt an ihrer Form, an den tiefen Rissen, Spalten und Höhlungen noch deutlich ihre Entstehung aus mächtigen Lavaströmen, die vormals aus der Insel hervorgebrochen und, ins Meer abfließend, erkaltet und zersprungen waren. Zwischen und ans diesen Klippen breitet sich hier und dort, wie namentlich an der Nord- und Westküste, sowie an kleineren, buchtartigen Vertiefungen der übrigen Küste, ein weicher, hellgelber Sand strand aus, der aus zertrümmerten, vom Meere auSgcwor- fencn Mollusken- und Korallengehäuscn und anderen mehr oder minder zerfallenen marinen Kalkbildungeu besteht. Ein weiteres auffallendes Zcugniß für die frühere vul kanische Thätigkeit der Insel geben die beiden Hügel der Insel, die sich in der westlichen Hälfte erheben, der eine im Norden, der andere im Süden. Der Nordhügel hat nach der von mir vorgcnommcncn Aneroidmessung eine Höhe von 110 m, der Südhügel eine solche von 120 m. Der erstere erwies sich zu meiner großen Ueberraschung als