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114 Belgische Skizzen. vorhandenen Ucberreste jener alten Festungswerke, dem Haller Thore, einem gewaltigen, viereckigen Ban mit drei über einanderliegenden gewölbten Stilen und vorsprin gendem Thurme, kann man sich einen Begriff von der Stärke der damaligen Stadt machen. Ihre Bedeutung für den Handel, der Ruf ihrer Tuche und anderer Jndustrie- erzeugnisfe nahm unter den brabantischen und burgundischen Herzögen dauernd zu, und während der ersten Zeit der spa nischen Herrschaft, um das Jahr 1560, bot Brüssel mit seiner Menge von stolzen Palästen und Kirchen, mit dem rastlosen Getreibe seiner thätigen, arbeitsamen Bevölkerung, trotz der mancherlei inneren Spaltungen und des Parteiha ders unter den Bürgern, das Bild eines blühenden, kraft vollen Gemeindewesens. Damals bestand die Stadt aus 6680 Häusern und Klostergebüuden, und zählte, ausschließlich der 1400Klostcr- insassen, eine Bevölkerung von 64 000 Seelen. Die alten Adelsgeschlechter der Egmont, Mansfeld, Taxis, Kuylen- burg, der Lannoy, Lalaiug undBossu hatten hier ihre präch tigen Paläste, das großartige Rathhaus auf dem von statt lichen Gebäuden umgebenen Markte galt schon damals für ein Wunder der Architektur, und der Glanz der ihrer Voll endung entgegensetzenden großen Kathedrale der Heiligen Gudula, sowie der neuen Sakramentskirche verdunkelte die Pracht der alten Gotteshäuser. Wenn auch um jeue Zeit die Erzeugnisse der Brüsseler Tuchmannfaktur fchou durch die Fabrikate anderer Städte in den Hintergrund gedrängt worden waren, so behaupteten die gefärbten Wollen, die Leinewand, die kunstvollen Stickereien, die Waffen und Rüstungen der Brabanter Hauptstadt doch immer noch die erste Stelle auf den europäischen Märkten. Brüssel besaß damals nicht weniger als sieben lateinische, dreizehn vlä- mische uni? drei wallonische oder französische Schulen, und, seit der Zeit des burgundischen Hofes eine Pflanzstätte der Künste und Wissenschaften, konnte es mit gerechtem Stolze auf die große Zahl bedeutender Männer blicken, die cs in feinen Mauern vereinigte: die Dichter Jean Lemaire, Re- maele de Florennes und Jean Second, die Maler Franc Floris, Michel Coxie und Bernard van Orley, die Bau meister Keldermans, van Pcdc und van Bodeghem, und endlich von hervorragenden Gelehrten Cornelius Agrippa und Erasmus. Während der Regentschaft Margarethens von Parma bestand diese hohe Blüthc Brüssels noch eine Zeitlang fort, aber die Schreckensherrschaft Alba's raubte der Stadt, wie ja dem ganzen Lande, die besten Kräfte. Welch einen vcrhängnißvollen Niedergang jene fünf entsetz lichen Jahre für die großen Centren des niederländischen Handels gebracht haben müssen, geht aus der Schilderung eines zeitgenössischen Schriftstellers hervor, der u. a. von Gent erzählt, daß er während eines längcrn Verweilens in dieser Stadt nicht mehr als zwei Pferde in den Straßen erblickt habe. Als nach der Zurückrufung Alba's das Land wieder aufzuathmcn begonnen, regte sich in dem unruhigen Brüssel sogleich wieder der alte Geist. Im Jahre 1581 erließ die Regierung der Stadt mehrere Dekrete, in denen die Abschaffung des katholischen Kultus, die Aufhebung der Klöster und die Ausweisung der Geistlichen ungeordnet wurde. Die Antwort auf diese kühne Kundgebung blieb