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110 Dr. Richard Greeff: Die Insel Rolas. vieler Sennhütten in den Alpen. Kothlachen umgeben das Holzhäuschen, zwischen ihnen wächst breitblättriger Ampfer, liegen halbverfaulte Baumstämme und ragen angchackte oder der Rinde zum Theil beraubte Fichten in die Luft. Eine niedrige Thür führt uns in die Hütte, deren vorderer Raum mit einigen Planken und primitiven Holzschemeln möblirt ist, während in dem besonders abgetheilten Hintergründe die Geschirre für die Milchwirthschaft und die Vorräthe auf bewahrt werden. Meistens scheinen die Hirten ohne ihre Weiber in die Berge zu ziehen. Ich hörte vor meinem Besuche des Ge birges, daß viele nach der im Volksliede angedeuteten Weise lebten: „Wohl drei Liebchen hatte ich, Eins im Thal, Eins auf der Höh, Eines hier in meiner Näh/' habe aber „in der Höhe" nur einmal weibliche Wesen gesehen. Wahrer mag ein anderes Liedchen sein, das da lautet: Sah zu Thal von Berges Spitze; In dem Sattel muß ich sitzen Auf dem lang gemahnten Gaul. Zu, mein Grauer, fei nicht faul, Daß wir's Dorf vor Nacht erschaun! Möcht' doch Erde kauen die Mähre — Wenn ich bald nur bei ihr wäre! Möcht' die Mähre kauen Steine — Küßt' ich nur einmal die Meine st. Inder verhältnißmäßig komfortable eingerichteten Stina des obern Arpatschthalcs machte die Schwägerin des Be sitzers, eine hübsche, muntere Frau, die Wirthin, unterstützt von ihrer Nichte, die ihren bösartigen Gatten, einen Popen in Rumänien, verlassen hatte und zu ihrem Vater zurück gekehrt war. Hier war für die Milchwirthschaft ein beson deres Häuschen erbaut, in welches man mich führte, um mich die reichen Vorräthe an Butter und Käfe und die von zwei Mägden fauber geputzten Bottiche, Mulden und Kan nen bewundern zu lassen. Uebrigens beobachtete ich in allen Stinen, daß die Hirten, bevor sie an die Käsefabrika tion gingen, die Hände wuschen; die Geschirre wurden stets auSgespült und die zum Durchseihen der Milch verwendeten Tücher gewaschen. Sehr eigenthümlich und weniger an- muthend war die Morgentoilette. Der Csoban nimmt den st Alle Verfe sind nach den Ueberfetzungen F. W. Schuster's citirt mit geringer Abänderung. Mund voll Wasser, läßt es in die hohle Hand laufen und fährt sich nun mit dem erfrischenden, reinigenden Naß über das Gesicht; die Mütze behält er bei der Procedur auf dem Kopfe, da er sich weder kämmt noch bürstet; nur den Backen bart rasirt er von Zeit zu Zeit. Am interessantesten ist es, die Stinenbewohner zu be trachten, wenn sie des Abends rauchend und plaudernd ums Feuer sitzen. Wie oft wünschte ich Maler zu sein, um die vom flackernden Feuer beleuchteten Gruppen, oft bildschöner Gestalten und Gesichter, zu fixiren. Da blickt ein alter Stepun mit buschigen Brauen, grauen Augen, mächtigem Schnurrbart und starkem Kinn schmunzelnd auf drei kleine Hirtcnbuben, welche Cigarretten drehen und scherzend und lachend die ersten Rauchstudicn machen. Gespannt richtet ein schwarzäugiger Bursch mit italienischem Typus den leuch tenden Blick auf den breitschultrigen Kameraden, der erzählt vom gewaltigen Räuber Deanu, welcher vor einigen Jahren in diesen Bergen hauste und plötzlich verscholl. Ein anderer giebt die Lebensgeschichte seiner sämmtlichen Hunde; der alte Führer erzählt der andächtig lauschenden Versammlung, die Pferde hätten Menschenverstand, es fehle ihnen nur die Sprache, aber Pferde und Weiber müsse man anbinden, sonst liefen sie davon, die Welt sei sehr verdorben! Auch höchst märchenhafte Geschichten tauchen auf, wie die von einer Kuh, welche durch einen höhlenbewohnenden Drachen derartig behext war, daß sie alle Tage ging, das Ungeheuer zu säugen. Trajan lebt natürlich im Hirtenmund! Er hat den Rothe-Thurmpaß geöffnet und den Siebenbürgen einst bedeckenden See abgelassen. Ein Hirt hatte sogar „die Deutsch, in die Schul, in die Resinar" gelernt und meinte sich auch auf „die Buch und die Kart" zu verstehen. „Ans die Berg — meinte er — sei es besser als in die Schul"; seine größte Sorge war, daß er vielleicht Soldat werden, müsse; „ich gehe auf die Buteanuberg, keiner findet", so schloß der lustige Bursche. Dem Militärdienst entzieht sich der Csoban gern, cs soll auch vorkommen, daß statt des Gesunden ein Kranker oder Krüppel bei der Aushebung er scheint, oder daß der Militärpflichtige zur Selbstverstümmelung schreitet, um die liebe Freiheit zu retten. Wer sich vor Strapazen und Entbehrungen nicht scheut, wird einen Besuch des Fogarafcher Hochgebirges nicht be reuen ! Die Insel Rolas. Von Dr. Richard Greeff, Professor in Marburg. Auf einer im Winter von 1879 auf 1880 ausgeführten naturwissenschaftlichen und insbesondere zoologischen Reise nach den Guinea-Inseln Principe und S. Thomä unternahm ich von S. Thomä aus einen Ausflug nach der südlich da von gelegenen, gerade von der Linie geschnittenen Insel Rolas, die weiteren Kreisen wohl kaum dem Namen nach bekannt sein wird, von der Wenige je etwas Näheres wer den gehört haben. Eine kurze Schilderung dieses Ausfluges nach dem klei nen, mit der reichsten Tropennatur geschmückten Eilande, auf dem ich ein paar Monate ungestört und unter äußerlich günstigen und angenehmen Verhältnissen meinen Studien obliegen konnte, wird, wie ich Hosse, nicht unwillkommen sein I. als ein Beitrag zur Kenntniß der in mancher Beziehung sehr merkwürdigen äquatorialen Inselgruppe des Meerbusens von Guinea und insbesondere der Insel S. Thomä, der das genannte kleine Eiland seiner Lage und seiner ganzen Natur nach unmittelbar sich anschließt. Durch freundliche Vermittelung des Herrn da Costa, Bankdirektors aus S. Thomä, dem ich, sowie vielen der übrigen liebenswürdigen Herren der Insel, für ihr gast freundliches Entgegenkommen und die mannigfachen im In teresse meiner Forschungen mir erwiesenen Dienste zu gro ßem Danke verpflichtet bin, ward mir und meinem Begleiter von dem Besitzer von Rolas, Herrn Francisco Josä d'Aranjo, eine Einladung zum Besuche seiner Insel zu Theil. Herr