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Gustav Nachtigal's Reisewerk. 105 weiter und mühevoller wurden ihre Raubzüge, und sogar im Norden von Dar For sind sie gesehen worden. „Doch was ist Zeit und Ranm für einen Sohn der Wüste? Ein Jahr ist für ihn wie ein Monat, wie eine Woche, wie ein Tag. Wo es Kamcele giebt, da fühlt er sich zn Hanse; wo ihre Nahrung wächst, dahin zieht es ihn, und wo er Zelt und Hütte anfschlägt, da ist seine Heimath. Man betrachte das ungeheure Gebiet, welches diese Araber ruhelos von Süd nach Nord, von West nach Ost dnrchstrcichcn, das sic mit Pulver und Blei beherrschen, aus dem Treue und Glau ben, Friede und Sicherheit gewichen sind, nnd das der fried liche Reisende nur in Begleitung dieser gesetzlosen Freibeu ter durchwandern kann, und staune!" Am 20. März 1871 brach Nachtigal in Gesellschaft des oben erwähnten HazLz von Kuka auf, erreichte acht Tage später das nördliche Ende des Tsade und bog dann gegen Osten um. Da der Reisende vom Fieber viel zu leiden hatte und der Marsch von HazLz sehr beeilt wurde, um rasch Gebiete befreundeter oder untergebener Stämme zu erreichen, so waren dies qualvolle Tage. Erst vom 1. April ab wurde die Reise gemächlicher; denn wo die Araber bei voller Sicherheit ausreichendes Kameclfntter haben, unter ziehen sie sich auf ihren Märschen keinen Anstrengungen. Am 5. April erreichten sie beim Brunnen Barqa das Lager der Miakssa-Abtheilung der Auläd Soliman, wo dem Rei senden ein herzlicher Empfang zu Theil wurde, nnd wo sich Wanderdünen in Egel- unter den Einflüssen der Ruhe, der Wüstenluft nnd frischer Kameelmilch seine Gesnndhcit bald besserte. Zwanzig Tage später setzte sich die Abtheilung des Stammes, welcher er sich angeschlossen hatte, nach Nordosten in Bewegung. „Der erste Aufbruch eines Nomadcnstammes aus dem Lager, nach längerer Ruhe und mit Franen, Kindern und der ganzen Habe, ist trotz der Ucbung eines ganzen Lebens nnd der Einfachheit des Besitzes nicht ganz leicht. Selbst der bescheidenste Haushalt setzt sich aus einer Menge von Gegenständen zusammen, deren zweckmäßigste Unterbringung auf den Lastthiercn uicht immer dieselbe sein kann nnd auf jeder Reise neu erprobt werden muß. Da find die Matten nnd Stangen der Hütte, oder ein Zelt mit Zubehör; die Schüsseln, Schalen, Krüge, Töpfe und Kessel des Küchen- gcräths; die großen Steine zur Mchlfabrikation; die Klei der und Schmncksachen; der oft nicht unansehnliche Vorrath von Pulver, Blei nnd Flintensteincn; die zahlreichen so wichtigen Wasserschläuche; ein Vorrath von Stricken, eiser nen Instrumenten nnd Sattelzeug; endlich unzählige Klei nigkeiten, an welche zn denken die Erfahrung den hilfsquel- Globus XU. Nr. 7. lenarmcn Nomaden gelehrt hat. Dazu kommen die Vor- räthc an Getreide, Datteln, Salz nud Bnttcr, und in jenen von der Meeresküste entfernt liegenden Gegenden anstatt des Geldes Bornu-Tobcn, Tnrkcdis, gefärbtes Ziegenleder und andere Tanschmittel. Bei längcrm Aufenthalte in der selben Gegend werden selbstverständlich alle diese Gegen stände nicht so eng verpackt gehalten, als ans der Reise, nnd auf dieser findet dann Alles erst wieder allmälig den vor- theilhaftcstcn Platz. Das Kameel liebt im Allgemeinen wenige, fest znsammcngcschnürte Gepäckstücke und haßt die vielen losen Anhängsel, welche sich leicht verschieben und das Gleichgewicht stören, aber freilich von wandernden "Nomaden nicht so leicht vermieden werden können, als von reisenden Kaufleuten mit ihrem beschränkten Hausgeräth und ihren kompakten Waarenballen. Am ersten Marschtagc begann schon nm Mitternacht ein reges Leben. Jedermann ordnete, Packte und verschnürte seine Habe, nnd doch konnte der Anfbrnch erst zur Zeit des Sonnenaufgangs stattfinden. Die Franen der besser situir- tcn Familien mit den kleinen Kindern werden zu Kameel 14