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Belgische Skizzen. 99 lichc Leben und Treiben der Stadt, für das hier Hauptadcrn geschaffen werden fällten, bevorzugt heute noch unverändert den alten engen Stadttheil weiter nach Osten, zwischen dem großen Marktplatze und der Kathedrale, den beiden hervor ragenden Denkmälern des alten Brüssel, auf die wir weiter unten noch zurückkonnnen. Der konservative, kleinbürgerliche Sinn des eingefleischten Brüsselers sträubt sich instinktiv lange gegen alle Neuerungen, und so wird es auch noch eine gute Zeit währen, bis der behäbige Bürgerstand, der reich gewordene Krämer oder Handwerker, sich dazu entschließt, die nach der Schablone angelegten Wohnungen der großen Micthshäuser zu beziehen. Das eigene kleine Haus, das er allein mit seiner Familie bewohnt, das er sich seiner Be quemlichkeit und seinem Geschmack gemäß einrichtct, ist eben das Ideal des Brüsseler Bürgers, und seitdem die zunehmende Thcuerung von Grund und Boden ihm die Erreichung dieses Ideals in der Stadt selber zu sehr erschwert, hat eine wahre Völkerwanderung in die Umgegend begonnen. Immer wei ter haben sich die Vorstädte ausgedehnt, nenn benachbarte Dörfer sind in dieselben hineingezogcn worden, und selbst von ihren äußersten Punkten erblickt man allenthalben weit in die Felder vorgeschoben die kleinen, von Sauberkeit strah lenden Häuser mit ihren Miniaturgärten, in denen der Brüsseler Bürger die Freuden des Landlebens genießt, sich mit Garten- und meist auch mit Vogelzucht aller Art be schäftigt. Wo die Mittel zur Erwerbung eines solchen Be- Die neue Börse in Brüssel. (Nach einer Photographie.) sitzthums nicht auSreichen, da begnügt sich der in der Stadt ansässige Bürger auch wohl damit, sich draußen ein soge nanntes „viäs-lioutsUIö" anzulegcn, einen kleinen, meist nur aus eiuem einzigen Raume bestehenden Pavillon, mit einem glockenbehangencn chinesischen oder in anderer Art Phantastisch geformten Dache, in dem er an Sonn- und Festtagen mit seiner Familie und einigen Freunden jene substantiellen Gelage abhält, die zu den Hanptsrcuden des echten Blamingers gehören. Hand in Hand mit diesem Be hagen an der eigenen Häuslichkeit und ihren Freuden geht denn anch der joviale, für derbe, harmlose Späße stets em pfängliche Sinn des Brüsseler Volkes, der sich vorzüglich bei der Kirmeß und den Nationalscsten der Scptcmbertagc zu zeigen pflegt, und der, wie man zutreffend bemerkt hat, in dem alten Lieblingswahrzeichcn der Stadt, dem berühmten Manuelen-Pis, pcrsonificirt erscheint. Unsterblich ist das Vergnügen und der Stolz, mit dem das Volk den kleinen, naiv - derben, ehernen Brunnengott betrachtet, und es wurde saft wie ein nationales Unglück betrachtet, als im Jahre 1817 die drollige, etwa einen Nieter hohe Figur sein Werk Duqucsnoh's ans dem Jahre 1619) durch unberufene Hand plötzlich von ihrem angestammten Platze entfernt worden war. Pi ach alter Sitte wird das Manuelen, „Is plus au- oiou bourgeois äs LruxkIIss/ wie das Volk ihn gern zu nennen Pflegt, bei allen festlichen Gelegenheiten angekleidet. Sein sogenannter Kammerdiener, der die jedesmalige Aus schmückung zu besorgen und seine acht Anzüge in Ordnung zu halten hat, empfängt aus einem eigenen und bis in unsere Tage noch immer durch Legate sich vergrößernden Fouds ein jährliches Gehalt von 200 Fr. Um den Einwohnern Brüs-