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98 Belgische Skizzen. oder zum Verkehr auf Booten gezwungen hatte, wurde in einen breiten gemauerten und überwölbten Kanal geleitet, in dem cs setzt unter dem neuen glänzenden Stadttheile ent lang strömt. Die alten Brüsseler beklagen noch heute den Verlust der Aussichten, die man von den Brücken über sencn Theil der Senne genoß, und deren jede ein malerisches Kabinctsstück abgeben konnte: Aussichten auf alte Mühlen, Brauereien nnd Färbereien, auf das über ihre Räder und die großen Schleusen stürzende Wasser, das seinen gelblichen Schaum in großen Flocken an die Uferränder spülte; auf das altcrthümliche, von der Feuchtigkeit geschwärzte, stellen- wcis mit dichtem Moose bewachsene Holzwcrk der Hinter häuser, das in Gallerien und Erkervorsprüngen weit über das Wasser ragte, manchmal als kleiner hängender Garten mit Nelken- und Resedatöpfen besetzt, oder, was öfter der Fall war und die malerische Schönheit des Ganzen noch erhöhte, von den Bewohnern der Ufergaffen zum Trocknen und Lüften von Kleidern benutzt, wobei dann die Vorliebe des nieder» vlämischen Volkes für grelle Farben zur glück lichsten Wirkung kam. Die stattlichen Häuserreihen der neuen Boulevards, des Boulevard Central, Boulevard du Nord, de la Senne, d'Anspach, du Hainaut, weisen eine außerordentliche Man nigfaltigkeit reichster Architektur auf, ein Gewinn, den man durch ein Konkurrenzausfchrciben für 20 der besten Fayaden erzielte, wobei die Munificcnz der Stadt Preise von 20 000 Fr. Der Brüsseler Park nach der Place Royale hin. an abwärts gewährte. Die größte Zierde der neuen Anlage aber ist die ungefähr im Mittelpunkte der Stadt, zwischen der Rue des Fripicrs und dem Boulevard Central, belegene Neue Börse. Mit einem Kostenaufwande von vier Millio nen Francs wurde sie nach den Entwürfen des Architekten Suhs jr. im reichsten Styl Louis' XIV. ausgeführt, und so nimmt sic heute mit ihrem großartigen Portikus von acht korinthischen Säulen, zu dem eine breite Freitreppe hinauf- führt, mit der Menge herrlicher Skulpturen, die einen rei chen, aber nirgends aufdringlich oder überladen erscheinenden Schmuck bilden, sowohl in Bezug ans äußeres Ansehen, als auch auf zweckmäßige Einrichtung der Jnnenräumc eine hervorragende Stelle ein unter den der gleichen Bestimmung dienenden Gebäuden dcS Kontinents. Eigenartig, aber cbcn durchaus zweckentsprechend ist die Form des Hanptsaalcs; er bildet ein großes Kreuz, dessen Langhaus 43 m lang ist und das Gebäude in seiner ganzen Tiefe durchschncidet, wäh rend das Querhaus eine Länge von 37 m hat; in den Ecken liegen vier kleinere Säle, über der Kreuzung des Haupt- saalcs aber erhebt sich eine säulcngetragcne Kuppel. Anders als mit diesem Prachtbau, der für den groß artigen Handelsverkehr der belgischen Hauptstadt schon längst ein Bedürfniß war, verhält cs sich freilich bis setzt noch mit den prunkvollen Straßcnanlagcn. Mit Erstaunen sicht der Fremde die vcrhältnißmäßige Ocdc der auf geräuschvollen Verkehr berechneten breiten Boulevards, die schier zahllose Menge großer gelber Zettel mit dem verhängnißvollcn: lousr" hinter den Spiegelscheiben der eleganten Etagen und die wenig einladend, ja, meist dürftig ausfchendcn Waa- renauslagen in den Schaufenstern der Lüden. Das gcschäft-