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Must st- «„! Band XU. Wit b-s°ad°„r R°rü,ksichtig7^7AutI>r-x°>°!>i° «hn°l°gi-. Begründet von Karl Andree. ^'-^dindung mit Fachmännern herausgegeben von Dr. Richard Kiepert. Braunschweig Irlich 2 Baude ü 24 Nummern. Durch alle Buchhandlungen und Postanstalten 1882. zum Preise von 12 Mark xro Band zu beziehen. Belgische Skizzen. (Nach dem Französischen des C. Lemonnier.) Der Doppclcharakter Belgiens in Bezug auf Sprache und Nationalität seiner Bewohner tritt fast an keinem Orte des Landes noch fo deutlich erkennbar zu Tage, wie gerade in Brüssel. Schon von altershcr bestanden hier das französische und das vlämische Element räumlich geschieden neben einander, und wenn auch die Neuzeit die unsichtbare, aber naturgemäße Kluft zwischen beiden überbrückt hat, eine wesentliche Aendcrung hat darum doch nicht stattgefundcn. Noch heute gehört der untere, nordwestliche Theil der Stadt, das alte Brüssel oder Broeksele im eigentlichen Sinne (Broek — Bruch oder Sumpf — Broeksele —Sumpfstätte), das sich mit seinen alterthümlichen Gebäuden und verkehrs reichen Straßen auf dem feuchten Grunde des Senne- Thales, und von den zahlreichen Armen des Flüßchens durchschnitten, ausbreitct, fast ausschließlich dem Handel und Gewerbe treibenden Bürgerstande, und somit der vlä- mischen Sprache und Sitte an. In dem südöstlichen, höher gelegenen Theile, der Oberstadt, dagegen, von wo vor Jahrhunderten schon die Schlösser der brabantischen und burgundischen Herzöge und ihres Adels das Land beherrsch ten, wo heute das königliche Schloß, die Parlamentshäuser, die Ministerien und verschiedene andere großartige Regie rungsgebäude stehen, haben sich begreiflicherweise auch die höheren, d. h. die französischredendcn Klassen der Bevölke rung niedergelassen. Und wenn es auch unter der heutigen Brüsseler Generation kaum noch ein Kind geben dürfte, das nicht fast unbewußt die beiden Sprachen erlernte, fo werden doch voraussichtlich die obere und die untere Stadt sich noch Globus XVI. Nr. 7. lange durch ihre Bevorzugung der französischen, resp. vlänn- schen Sprache und Sitte von einander unterscheiden. Im Jahre 1731 von einem furchtbaren Brande heim gesucht, der sie fast gänzlich zerstörte, hat die obere Stadt nur wenige ältere Bauwerke aufzuweisen; ihre herrlichen Paläste aber, ihr Park und ihre breiten, schön angelegten Straßen können einen Vergleich mit den modernen, Pracht vollen Stadttheilen anderer europäischer Hauptstädte wohl aushalten. Was die untere Stadt anbetrifft, fo hat sie nach dem Muster von Paris, mit dem der Brüsseler seine Vater stadt sa so gern vergleichen hört, auch ihre Aera Haußmann durchmachcn müssen. Zum Leidwesen aller Bewunderer mittelalterlicher Städte, zur Genugthuung aber aller Ver fechter der Theorien für öffentliche Gesundheitspflege, fand sich vor etwa zwanzig Jahren eine englische Aktiengesell schaft, die es unternahm, durch Anlage großartiger, die Stadt von Norden nach Süden durchschneidender Boulevards dem alten Brüssel Luft und Licht zu verschaffen. Unbarmherzig wurden ungeheure Häuserquadrate niedcrgclegt, mußten zahl reiche Gassen und Sackgassen, in denen jeder gelegentlich fahrende Wagen die des Weges Kommenden zwang, sich dicht an die Häuser zu drücken, mußten die übelriechenden Gräben und Kanäle, die alle Abfälle aus den Häusern auf- zunehmcn Pflegten, mußte sogar eine 2150m lange Strecke des Flusses selber verschwinden. Es wurde drainirt und rcgulirt; das träge dahinfließcndc, trübe Wasser, das fast in jedem Frühjahr die Gassen an den Ufern überschwemmt und die Bewohner derselben aus den Häusern vertrieben 13