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96 Aus allen Erdtheilen. dem Erdboden neben einander legte, „eine Linie von 40000 Werst Länge bedecken oder zweifach die Entfernung von St- Petersburg nach Taschkend und zurück." Der jährliche Er trag der Astrachaner Fischereien an Heringen, Stören, Ster let, Lachsen, Hechten, Elsen u. s. w. beläuft sich aus 10 Mil lionen Pud (zu 36 engl. Pfund) im Werthe von 20 Millionen Rubel, wovon ans den Hering allein, von welchem 100 Mil lionen Stück gefangen werden, vier Millionen Rubel ent fallen, obwohl der halbe Fang zu Thran ausgekocht wird und trotzdem daß bis jetzt so raubmäßig, ungeschickt und un bedachtsam gefischt worden ist, daß einige bessere Fischsorten, wie der Stör, schon empfindliche Abnahme zeigen. Außerdem werden andere Sorten, welche man als werthlos wegwarf, jetzt gefangen und auf den Markt gebracht nach dem Grund sätze: „Alles, was ins Netz geht, ist Fisch." Mit Ausnahme des Kaviar, der über die ganze Welt verschickt wird, ist der ganze Ertrag dieser Fischereien im gesalzenen oder gepökelten Zustande für den einheimischen Verbrauch bestimmt, da die russische Geistlichkeit ebenso wie die römisch-katholische das „Apostel-Handwerk" durch lange und häufige Fastenzeiten kräf tig unterstützt. Gefischt wird hier besonders im Frühling und Herbst; aber auch im Winter findet keine namhafte Unter brechung statt, indem man das Eis aufschlägt und die Netze unter der Eisdecke von Loch zu Loch hinzieht. Der Korrespondent besuchte in einem kleinen Dampfer einige der Fischereien und Etablissements zum Einsalzen und Pökeln; er fand dort zwar in Bezug auf Reinlichkeit und gesunde Oekonomie manche Anstände, sah aber zugleich, daß in der That Astrachans Reichthum als Fischereistation unbe grenzt und unerschöpflich ist. Wenn im Spätfrühjahr die Wolga die in nördlicheren Breiten gefallenen Schneemassen in geschmolzenem Zustande herabwälzt, bildet die Stadt Astrachan an der Spitze des Deltas eine Insel im weiten Meere, deren tiefste Theile nur durch Dämme vor der Ueberschwemmung geschützt werden. Die acht Hauptarme und hundert kleineren Kanäle und Was serläufe des Deltas fließen dann in eine weite See zusam men , aus welcher hier und da isolirte Dörfer hervorragen mit Blockhäusern, langen, weiß angestrichenen Gebäuden und hohen Kuppelkirchen, alles, wie die Stadt, durch Dämme ge schützt; es find tatarische, kalmückische, kozakische Dörfer, zu meist Fischereiplätze. In solcher Weise ist eine Bevölkerung von 20000 bis 30000 Seelen über die kahlen Sandbänke, Dünen und Sandhügel zerstreut, Leute von allen Racen, Farben und Religionen, alle bei den Fischereien angestellt, die Tataren und Kalmüken als Handarbeiter, Russen und andere Europäer als Aufseher, Vorarbeiter und geschickte Handwerker; denn die Russen repräsentiren hier die Intelli genz, während die rohe Kraft von den unterjochten Asiaten, sowie von dem schwächer« Geschlecht geliefert wird. Die Weiber thun hier die meiste Arbeit und erhalten nur den halben Lohn (20 Kopeken), wie die Männer (40 K.). So ist es Regel in ganz Rußland. So wird auch z. B. alles Holz, welches die Dampfer der verschiedenen Kompagnien auf der Wolga und ihren Nebenflüssen brennen, in schweren Lasten auf Weiberschultern von den Landeplätzen auf die Schiffe geschafft. — In der Sitzung der Russ. Geogr. Gesellschaft zu St. Petersburg vom 7. (19.) Oktober machte Oberst Tillo Mit- theilungen über seine Beobachtungen der Inklination und Deklination der Magnetnadel innerhalb der Gren zen des russischen Reiches; seine Beobachtungen erfolg ten auf den Linien zwischen Tomsk und Krakau einerseits, zwischen Petersburg und Tiflis andererseits. Außer der „Magnetischen Karte des Europäischen Rußland", welche alle von 1820 bis 1880 vorgenommenen Beobachtungen, etwa 700 an der Zahl, zur Anschauung bringt, und die während des geographischen Kongresses in Venedig ausgestellt war, legte Herr Tillo noch drei neue Karten vor und zwar a) eine Karte des Europäischen Rußland mit den Linien gleicher De klination und Inklination für die Jahre 1842 und 1880; k>) eine Karte des Europäischen Rußland mit den Linien der gleichen stetigen Veränderung der Deklination, welche zeigt, daß im Osten Rußlands die Deklination alljährlich um 3 Minuten, im Westen aber um 7 Minuten abnimmt, und o) dieselbe Karte mit den Linien der gleichen stetigen Ver änderung der Inklination, nach der die Inklination im Osten Rußlands alljährlich nm eine Minute zunimmt, im Westen aber um je zwei Minuten abnimmt. Die Bedeutung dieser Karten liegt darin, daß sie die Möglichkeit gewähren, für jeden Ort des Europäischen Rußland nicht nur für das Jahr 1882, sondern auch für jeden anderen, freilich nicht zu ent fernten Zeitpunkt die Deklination und Inklination der Mag netnadel genau anzugeben. Asien. — Dem „Kawkaz" zufolge war unter den Gegenständen, welche dem Archäologischen Kongreß in Tiflis vorgelegt wur den, mit das Bemerkenswertheste eine „Karte der Alter- thümer des Kuban-Gebietes" von Felitzhn, welche zeigt, daß dieses Gebiet, von dem man bisher nur sehr un bestimmte und dürftige Kenntnisse hatte, ein ungewöhnlich mannigfaltiges und reiches Material enthält zur Wiederher stellung der Kenntniß einer von der Erdoberfläche verschwunde nen Kultur von Völkern, deren Geschichte bis dahin unbe kannt geblieben war. Felitzhn legte auch u. a. einige Photo graphien von Dolmen —riesigen megalithischen Ausbauten — vor, die in den Schluchten und auf den Höhen des Trans kuban-Gebietes zerstreut liegen, und deren Herkunft zu erklä ren die Wissenschaft bis jetzt noch nicht einmal in Angriff genommen hat. — Der „Kawkaz" schreibt: Bei dem Bau der Eisenbahn im Transkaspischen Gebiet hat man anläßlich der Aussuchung von Trinkwasser durch Zufall auch reiche Mi neralquellen entdeckt. Die Walachanskischen Höhen, die ein Gebiet von etwa 20 Q.-Werst bedecken, bestehen aus verschiedenfarbigem Sandstein und Thon. Nähert man sich ihnen, so hört man schon Geräusch und bemerkt den säuern Geruch, dann sieht man bald an verschiedenen Stellen blutige Bäche mit alkalischem Wasser, salzig und bittersalzig von Geschmack, die dunkelfarbiges Eisenvitriol absetzen, mit dem der ganze Boden der Quellen bedeckt ist. Die Tempe ratur der Quellen nähert sich dem Siedepunkt, daher entsteht das Geräusch. Außerdem sind dort Lager von Schwefel, Asphalt und Naphta aufgefunden worden. Afrika. — Am 13. Januar hatten wir das Vergnügen, Dr. Max Buchner gesund und frisch in Berlin wieder be grüßen zu können. Er gedenkt möglichst rasch seine in West- asrika und dem Lunda-Reiche gesammelten wissenschaftlichen Ergebnisse zu verarbeiten, um dann wiederum nach dem schwarzen Erdtheile zurückzukehren, wo er sein Arbeitsfeld voraussichtlich nach dem Congo verlegen wird. Inhalt: V. Largeau's Wanderungen in der algerischen Sahara. VII. (Mit fünf Abbildungen.) (Schluß.) — Dr. F. W. Paul Lehmann: Wanderungen in den Süd-Karpathen. V. — CH. Nüsser: Die Aymara-Race. II. (Schluß.) — H. Vogt: Sierra Leone im Jahre 1881. — Karl Lamp: Die mexikanische Gemeinde Huexutla. — Aus allen Erdtheilen: Europa. — Asien. — Afrika. — (Schluß der Redaction 13. Januar 1882.) Redacteur: Dr. R. Kiepert in Berlin, S. W. Lindenstraße 11, III Tr. Druck und Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn in Braunschweig. Hierzu eine Beilage.