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90 Dr. F. W. Paul Lehmann: Wanderungen in den Süd-Karpathen. der sächsischen Pfarrer, mit glühender Liebe von seinem Volke und dessen Vergangenheit, mit Unmuth von den Bedrückun gen der Magyaren und mit infernalem Grimm von dem verderblichen Einfluß jüdischer Schenkwirthe und Wucherer. Als ich einen aus magerm Gaule einhertrottenden Popen aus der Ferne für einen polnischen Juden hielt, machte der junge Rumäne eine ganz beleidigte Miene. Mein interessan ter Begleiter führte mich durch das kleine dreisprachige Fo- garasch und zu dem alten umwallten Schlosse, dessen Ur sprung mindestens ins 14. Jahrhundert gehört. Schließlich acquirirte mein freundlicher Führer einen vierspännigen Wagen für mich, dessen jugendlicher Kutscher auf der Fahrt nach Kronstadt begriffen war und mich für 90 Kr. mitneh men wollte! Zu meinem Erstaunen hielten wir bald in einer Nebengasse vor einem kleinen rumänischen Gerber häuschen, mit dessen freundlichen Bewohnern ich mich wäh rend eines fast zweistündigen Aufenthaltes hinreichend be kannt machen konnte. Da es anfing zu regnen, ward der Wagen mit einem großen Plan aus Sackleinewand über spannt, nicht weniger als sechs rumänische Gerber schickten sich an, den Wagen mit mir zu theilen. Ich wollte schon zurücktreten, entschloß mich aber doch mitzufahren, da die Leute alle sehr manierlich und freundlich waren und zum Theil in deutscher Sprache über ihr Geschäft und ihr Leben belehrende Auskunft gaben. Ich erhielt den besten Platz vorn im Wagen, so daß ich beguem Umschau oder besser Ausschau halten konnte; die Gerber placirten sich lang und quer unter dem schützenden Dach. Vorwärts ging es, erst mit Gefahr umzuwerfen durch ein steiniges Bachbett, dann durch Mais-, Zwiebel-und Tabakfelder zur Chaussee und auf dieser im schärfsten Trabe fort auf Sarkany zu. „O-i, ho, topajo!" rief unaufhörlich der vielleicht 14jäh- rige Fuhrmann und schwenkte im Holzsattel auf und ab schaukelnd, von seinem groben, sackleinenen Plaid umweht, die lange Peitsche über den mageren, schnell dahinstürmen den Pferden. Zur Linken breiteten sich die Niederungen des Alt aus, zur Rechten stießen hinter Mundra niedrige Di luvialhöhen dicht an die Straße und verdeckten den Blick nach dem Gebirge zu, bis wir wieder über das Diluvial plateau dahinfuhren. Die Karte giebt diesen Flächen die Bezeichnung „im Walde" i), ich habe nur Weideflächen mit großen Rinder- und Büffelherden gesehen, der Wald ist bis auf einige kleine Parcellen und mehrere gefchundene alte Bäume verschwunden. Wir durchfuhren das große halb sächsische Dors Sarkany und verfolgten die Straße gegen Süd-Ost. Links neben uns war der Weingraben, ein wüster Barranco, eingeschnitten, nach rechts blickte man auf die freundlichen Wiesen am rechten User des Sarkanybaches. Die Chaussee überschritt den Weingraben, so daß wir dieses traurige Bild der Verödung und Vernachlässigung zu unse- Bongars schreibt in seinem Reisebericht von 1585: xassa ckans 1?o^ra8, bonrA st vüatsan kort «t xlaisant st xaxs ä travors Iss bo^s uns Usus. Oouobs ä Loüarüaiu. rer Rechten hatten. Vor uns erhoben sich die waldreichen Kuppen des Persanyer Bergzuges, an dessen Fuße im Dorfe Persany den Pferden längere Rast vergönnt wurde. Da das große, mit schmutzigen Dielen, Tischen und Wänden ausgestattete Gastzimmer wenig Anziehung sür mich besaß, wanderte ich längs des Baches auf der Straße fort. Die Abendsonne vergoldete die meist mit Niederwald bedeckten Höhen, zwischen denen sich längs der Straße die Maisfel der tief ins Gebirge hinein erstrecken. Zahlreich kehrten die rumänischen Arbeiter ins Dorf zurück, manche betrachteten mich verwundert, einige redeten mich an, alle wünschten ihr „duna sars". Endlich kam der Wagen. Die Pferde gin gen im schärfsten Trabe, denn sie sollten vor einem andern Viergespann ihre Ueberlegenheit zeigen. Ohne Aufenthalt ging's freilich trotzdem nicht, bald riß ein Strang, dann drohte ein Rad die Achse zu verlassen. Mehrmals wollte der Kutscher Heu von den noch auf dem Felde arbeitenden Bauern kaufen, war er indessen nahezu mit seinem Verkäu fer einig, so kam der zweite Fuhrmann ebenfalls kauflustig heran, und der Bauer forderte dann sofort doppelt und dreifach. Das gab die ergötzlichsten Scenen; heftige Worte flogen unter lebhaften Gebcrden hin und wieder; die Gerber sprachen den Bauern laut ihre Mißbilligung aus, einige kletterten sogar zu diesem Zwecke aus dem Wagen. Das Endresultat aller dieser Verhandlungen war, daß beide Kut scher ohne Heu weiter fuhren. Der unsrige bekam bei der wachsenden Dunkelheit Diebsgelüste, ließ sich aber durch den lebhaften Widerspruch der Insassen seines Wagens bewegen, im Sattel zu bleiben. In der Dunkelheit fuhren wir durch das langgestreckte, rumänische Dorf Vledeny, dann trat der Mond hervor und beleuchtete unsere Straße. Einige Male stiegen wir aus, um bei stärkeren Steigungen den Gäulen ihre Arbeit zu erleichtern. Endlich kamen wir um den dun kel zu unserer Rechten ausragenden Zeidener Berg herum und hatten vor uns die im Mondlicht schimmernde Ebene des schönen Burzenlandes. Einen außerordentlich freund lichen und säubern Eindruck machten die Häuschen des Markt fleckens Z eid en, den wir fast in seiner ganzen Ausdehnung durchfuhren. Wir hielten vor einem Gasthause. Uebcr die im Gastzimmer auf den Dielen schlafenden Rumänen weg gelangte ich zum Schenktisch und fragte, ob ich ein Zimmer und Abendbrot bekommen könne. Mißtrauisch betrachtete mich der sächsische Wirth, ein straffer, junger Mann mit dichtem Schnurrbart, und gab schließlich die Erklärung, das Zimmer würde wohl besetzt sein. Als ich mich jedoch nach dem Herrn Pfarrer erkundigte und erzählte, ich habe vom Herrn Bischof (so nennen die Sachsen ihren Superinten denten) Empfehlungen an ihn, ward ich in ein hübsch möb- lirtes Zimmer geführt und auf das Trefflichste versorgt. Wer sich längere Zeit im Fogarascher Hochgebirge aufge halten hat, weiß ein freundliches Zimmer mit gutem Sopha und Bett und einen sauber gedeckten, gut besetzten Tisch zu würdigen.