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26 Charles M. Doughty: Reisen in Arabien. schub an, wo ich dieHöhe der Nedsched-Ebene zu 65,7 fand. In jener Gegend etwa ist wahrscheinlich der Anfang des großen Wadi el-Humd zn suchen, wo das Land jährlich von dem Monsun-Regen getroffen wird, welcher gewöhnlich im September zu fallen beginnt und in et-TLif 5 bis 6 Wochen anhält. Dieser Umstand tropischen Regenfalls scheint mir das wiiste Arabien und Arabia Felix in natürlicher Weise von einander zu scheiden, wie es zu der einfachen, natur getreuen Anschauung der Alten paßt. Die Einöde bietet dort dem aus Nord - und West-Arabien kommenden einen neuen wunderbaren, entzückenden Anblick; kein unfruchtbarer harter Boden mehr oder trockene, wie eine Chaussee so stau bige Wüste, vielmehr der Sand angenehm mit Weidekräutern überwachsen, ein Land in der That, das in den Augen der Nomaden von Milch, ihrer Hauptnahrung, fließt, wo ihr Vieh (Kameele, Ziegen und Schaafe) reichliche Nahrung findet und sich jeden Tag schon uni Mittag zur Ruhe nieder legen kann. So lieblich aber auch solch Anblick einer lachen den Steppe inmitten der schrecklichen Wüsten Arabiens ist, so ist dieselbe doch keineswegs so schön und fruchtbar, als etwa Haiden oder sonst wüstes Land in Europa. An dieser Stelle will ich leicht und rasch über diese Wüste hinweggehen, deren Durchwanderung von el Hedscher aus einst so schwer und langsam sich vollzog, bis ich von el-Kasim zu reden habe. Nachdem ich in Gesellschaft der Nomaden lange Zeit das ganze Wüstcngebiet von Teimk und Hedscher durchwandert hatte bis Dschebel Jrnan, wo ihnen zufolge Nedsched, das arabische Hochland, beginnt, und bis zum Berge el-Kharram, kam ich nach Gossar und Hail (66,4). Letzteres, die Hauptstadt des Reiches des Moham med ibn-Raschid, des Fürsten von Schammar, ist ein Städtchen von 3000 Seelen, wie ich es schätze. Gossar hat etwa ebensoviel oder wenig mehr Einwohner. Tellal ibn- Abdullah ibn-Raschid, der erste Statthalter von West-Ne dsched, hat sich, wie man erzählt, in einem Anfalle von Me lancholie mit einer Pistole erschossen, nachdem ihm, wie man vermuthet, bei seinem letzten Besuche der Wahabbi-Haupt- stadt er-Riad, wo er noch alljährlich seine Huldigung dar brachte, Gift beigebracht worden war. Ihm folgte sein nächster Bruder Metaab nach mohammedanischer Sitte als Aeltester des Hauses, indem Tellal's Heranwachsende Kinder übergangen wurden. Bundur, Tellal's ältester Sohn, ein hitziger unreifer Jüngling, wollte das nicht leiden und ver schwor sich mit seinem nächstjüngsten Bruder Boder, als ihr Oheim im zweiten Jahre regierte. Die Jünglinge erschossen Metaab von der Brustwehr der Citadelle aus und zwar, da er ein Amulet gegen Blei bei sich trug, mit einer silbernen Kugel, als er nach dem Nachmittagsgebete auf öffentlichem Markte saß und Audienzen ertheilte. Nach seinem Tode übernahm Bundur die Würde des Emir und regierte anmaßend und stolz. Noch war sein Oheim Mohammed, Metaab's jüngerer Bruder und Abdul- lah's Sohn, am Leben, welcher entkommen und bei dem er sten Alarm nach cr-Riad zu dem Wahabbi - Fürsten Ibn Saud geflohen war. Bundur ließ ihn zurückrusen und ver sprach ihm Sicherheit, wobei Ibn Saud den Vermittler .spielte. Mohammed kehrte zurück, um sein früheres Amt als Geleiter der von Persien über Bagdad kommenden Pilger karawane wieder zu übernehmen, welche in letzter Zeit unter dem kräftigen Schutze des Fürsten von Schammar in ziem licher Stärke durch dessen Gebiet nach den heiligen Städten wandert. Mohammed, der wieder einmal von Mesopota mien zurückkehrte, wohin er den heimkehrenden Hadsch geleitet hatte, hatte den Auftrag, für des Fürsten öffentliche Küche vdkr Gasthalle die jährlich erforderliche Menge von tsmmsu oder mesopotamischem Neis nach HLil mitzubringen. Zu diesem Zwecke miethete er Kameele von den Duffir-Beduinen, einem entfernt wohnenden Stamme, der weder freundlich gesinnt noch der kräftigen Herrschaft des Fürsten von Dsche bel Schammar unterworfen war. Als der junge Bundur vernahm, daß sein Oheim Mohammed mit den Dufstr-Ka- meeltreibern nahe, ließ er seine Stute vorführen, nahm keine andere Begleitung als seinen ältern Vetter Hamud, Abeid's Sohn, mit sich, ließ die Thore der Stadt hinter sich schlie ßen und ritt dem Ankömmling entgegen. Als er ihn traf, fragte er: „Warum hast Du, Mohammed, die Duffir, welche doch, wie Du weißt, unsere Feinde sind, hierher ge bracht?" — „Ich konnte nicht anders, oll sl Nollakuck"! (o Statthalter!) entgegnete dieser, „da ich diesen Deinen Reis mitbringen sollte und in Mesopotamien keine anderen Kameeltreiber fand." Da aber Bundur ein böfes Gesicht machte, gab Mohammed einem Manne, der in seiner Nähe ritt, ein Zeichen, ihm sein Pferd zu borgen, als wenn er sofort hinreiten und das Abladen des Reis überwachen wollte, stieg auf und, als er dicht an Bundur herangekommen war, packt er ihn bei den „Hörnern", jenen langen gedrehten Locken, wie sie die Beduinen tragen. „Ach, mein Onkelchen, ach, thue das nicht, Du liebes Onkelchen mein!" rief Bundur in Todesangst. „Warum hast Du denn Deinen Onkel getöd- tet?" antwortete Mohammed mit fürchterlicher Stimme, zog seinen krummen Dolch aus dem Gürtel und stieß ihn Bun dur bis an das Heft in den Bauch, daß er sofort todt nieder fiel. Hamud aber galoppirte nach der Stadt zurück, befahl die Thore geschlossen zu halten und rief: „Ein Raschidi (Mit glied der fürstlichen Familie Ibn-Raschids) hat den andern getödtet! Daß keiner sich von seiner Stelle rühre oder seine Stimme erhebe, oder ich werde ihm den Kopf abschlagen mit diesem Schwerte hier, bei Allah!" Inmitten dieser allgemeinen Bestürzung wurden auf Mohammed's Befehl alle Kinder seines Bruders Tellal eines nach dem andern ergriffen und nebst ihren Sklaven abgethan, weil dieselben, wenn sie am Leben geblieben wären, verpflichtet gewesen wären, die jungen Prinzen, die Söhne ihres Herrn oder „Vaters", zu rächen. Im Ganzen wurden auf diese Weise etwa 20 Personen in jungen Jahren umgebracht und lagen im Grabe, ehe noch die Sonne zum zweiten Male aufging, wo Mohammed unter der Bestürzung und den Beglückwünschungen der Angesehensten des Volkes die Herrschaft übernahm. Das war der Mann, den ich als Fürsten in HLil vorfand, ein Mann von großen Fähigkeiten, der als Privatmann stets ehrenhaft gewesen wäre. Ein böser Unstern, die vorgebliche Blutrache, Furcht für sein eigenes Leben und ehrgeizige Absichten, durch schreckliche Nothwcndigkeit angetrieben, hatten ihn dahin gebracht, sein Glück mit dem Blute seiner Verwandten zu erkaufen. Au dem Bettlerhof dieses ver- wandtenmörderischen Beduinenfürsten war ich stets ein sehr schlechter Höfling. Ich hatte ihn mit dem mo hammedanischen Friedensgruße angeredet; aber er, der fromme Mörder, spielte den Fanatiker und wollte als Muselmann dem Christen diesen Gruß nicht zurückgeben. Ich meinerseits wollte mich in meinem Gewissen nicht zur Nachgiebigkeit bequemen und kümmerte mich nicht um die drohenden Blicke, die der mächtige Mann bis zu blutdürsti gem Grimme zu steigern sich geübt hatte. Als ein fanatischer Rechtsgelehrter gleichfalls die christ lichen Nationen, ihren Glauben und ihre Wissenschaft be schimpft hatte, tadelte ich denselben scharf und wies ihm nach, daß er fast in ebenso finsterer Unwissenheit lebte, wie , .die unvernünftigen Thiere. So hätte ich mir fast die Un-