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Serpa Pinto's Wanderung quer durch Afrika. 329 giesen ein von Pallisaden umgebenes Fort mit vier Bastio nen haben. Dasselbe ist wichtig als Centrum der Produk tion, und in strategischer Beziehung, weil es in Bezug auf Benguella als einer der Schlüsselpunkte zum Innern an gesehen werden kann. Die geringeren Häuptlinge des Lan des erkennen die portugiesische Oberhoheit an, liegen aber unter einander in steter Fehde. Die Eingeborenen sind von hoher, kräftiger Statur und von kühnem, kriegerischem Cha rakter, mehr Hirten als Ackerbauer, obwohl das Land selbst bei der geringsten Pflege den reichsten Ertrag an Mais, Massambala und Maniok liefert. Aus den Früchten des Gongo machen sie Branntwein, und volle drei Monate jährlich, so lange es diese Früchte giebt, sind sie beständig betrunken und weder durch Geld noch durch gute Worte zu irgend einer Dienstleistung zu bewegen. Auffallend ist auf dem jenseit Quillengues erreichten Hochlande die große Anzahl von Brücken über Ströme und Bäche, welche auf lebhaften Verkehr schließen läßt. Die meisten derselben sind aus unbehauenen Baumstämmen so gebaut, daß nur eine Person auf einmal dieselben passiren kann, so daß also der Uebergang einer größern Kolonne lange Zeit in Anspruch nimmt; außerdem besteht das Gesetz, daß, wenn eine Gesellschaft beim Üebergange begriffen ist, eine in entgegengesetzter Richtung kommende so lange warten muß, bis die Brücke wieder frei ist. Anfangs Januar trafen sie in Caconda ein, dem letzten portugiesischen Posten im Innern von Benguella und in gerader Richtung etwa 30 deutsche Meilen von dieser Stadt entfernt. Etwa 200 Yards südlich von der Festung, ans deren Nachbarschaft sich trotz dem fruchtbaren Boden die einheimische Bevölkerung weggezogen hat, und welche deut liche Spuren des Verfalles an sich trng, liegen die Ruinen einer Kirche, in welcher ein bedeutender Zoologe, Joss d'Anchieta, seine Wohnung aufgeschlagen hat, ein Mann, der volle elf Jahre in den Provinzen Angola, Benguella und MossLmedes zugebracht und die Sammlungen des Museums in Lissabon mit den mannigfaltigsten Schätzen bereichert hat. Wahrlich kein kleines Opfer, fern von der Civilisation, arm und darbend im Innern Afrikas unter der demoralisirten schwarzen Bevölkerung in unermüdlicher Arbeit den Wissenschaften zu leben, zu sammeln, zu zerglie dern und zu mikroskopiren. In Caconda neue Plage wegen des Fehlens von Trägern. Nach mehrfachen vergeblichen Versuchen, solche in der Um gegend zu beschaffen, mußte sich Pinto entschließen, mit wenigen Begleitern und geringer Ausrüstung nach dem Lande der Huambo vorauszucilen, um dort vielleicht Leute aufzutreibcn. Auf dem Wege dorthin, noch im Lande der Nano, gelang es ihm, in Quingolo 40 Träger anzuwerben und seinen Reisebegleitern zuzusenden. Als er aber beim Häuptlinge von Huambo, dessen Einwohner dieselbe Sprache reden, wie die von Quillengues und die Nano, angclangt war, erhielt er zu seinem Schrecken die briefliche Nachricht, daß Capello und Ivens beschlossen hatten, den Marsch nach Bihs allein auf einem südlicher« Wege fortzusetzen und ihm durch jene 40 Träger aus Quingolo ebenso viele Lasten zu senden. Dadurch gericth er in äußerst bedrängte Lage; er sah sich allein und mit nur zehn Genossen in einem feind lichen Lande, dessen beutegierige Bewohner ihn bisher nur respcktirt hatten, weil sie ihn für den Vortrab einer größern Expedition ansahen. Nach längerm Schwanken beschloß er aber, nicht nach der Küste zurückzukehren, sondern trotz alledem die Reise nach Bihs fortzusctzen, wozu seine von der Sachlage unterrichteten Leute ihre Zustimmung erklärten. Drei von denselben haben die ganze Reise mitgemacht und ihren Herrn bis Lissabon begleitet; zwei fielen unterwegs von den Händen der Eingeborenen und einer mußte wegen Wahnsinns Zurückbleiben. Zum Glück zeigte sich der junge Häuptling Capoco, bei welchem man sich befand, als ein intelligenter Mann und erwies dem Reisenden zahlreiche Dienste, trotzdem er sonst als Räuber weit und breit bekannt war und im Jahre vor her selbst Quillengues angegriffen hatte. Seiner Dienst willigkeit allein verdankte Pinto die Möglichkeit, seine Reise fortsetzen zu können. Das ganze Land zwischen Caconda und Bihs ist sehr stark bevölkert; die Eingeborenen treiben starken Ackerbau und dafür weniger Viehzucht, als westlich von Caconda. Die Gewässer dieses Gebietes gehören zu zwei großen Strömen, zu dem Cunene, welcher selbst die Huambo und Sambo von einander trennt, und zum Cubango, welcher die letzteren von den Moma scheidet; erst kurz vor Bihs beritt man dann das Stromgebiet des Cuanza. Jene drei eben ermähnten Stämme sowie derjenige der Nano sind wild, kriegerisch und unabhängig. Bei den Nano und Huambo tragen die Mädchen, so lange sie noch im Besitze ihrer Jungfräulichkeit sind, an beiden Aenkcln oder nur an dem linken gewisse ge bogene Hölzer; es gilt aber als großes Verbrechen, wenn eine Familie ihre Töchter dieses Unterscheidungszeichen tragen ließe, nachdem dieselben das Recht darauf bereits verloren haben. Eine zweite merkwürdige Sitte ist die, daß sich in jedem Dorfe eine Art Tempel zur mündlichen Unterhaltung befindet. Derselbe besitzt die Form eines Ungeheuern Fasses, defsen das Strohdach tragende Stäbe aber ziemlich weit aus einander stehen. Auf einem Herde in der Mitte brennt ein Feuer— alle Bewohner Afrikas lieben das Feuer sehr—, um welches abwechselnd alle Bewohner des Dorfes auf Holz blöcken sitzen. Dies Gebäude ist der allgemeine Versamm lungsort, namentlich aber, wenn es regnet. Dort kann man aufregende Kriegs- und Jagdbcrichte erzählen hören, auch Liebesgeschichten werden vorgetragen, und an dem üblichen „Klatsch" mangelt es ebenso wenig wie in Europa. Im Huambo-Lande beginnt der außerordentliche Luxus, welcher mit der Haarfrisur getrieben wird; sowohl Frauen wie Männer tragen das Haar in ganz bcmcrkenswerther Weise. Es kommen Frisuren vor, welche das größte Genie unter den europäischen Haarkünstlern in Verlegenheit ge setzt hätten, und zu deren Herstellung zwei bis drei Tage erforderlich waren; dafür brauchten sie dann aber auch erst nach ein paar Monaten erneuert zu werden. Der Weitermarsch vollzog sich unter zahllosen Schwierig keiten; wiederholt fchwebte Pinto in Lebensgefahr, heftiges Fieber und Rheumatismus plagte ihn und die Beschaffung von Trägern, welche nur von Etappe zu Etappe mitzugehen cinwilligten, war eine Quelle unaufhörlicher Verdrießlich keiten. Alles dies glücklich überwunden zu haben darf sich der Reisende in der That zu hoher Ehre anrechnen. „Die eigenen unruhigen Leidenschaften beherrschen, den leiblichen und geistigen Bedürfnissen, welche man sich im civilisirten Leben angeeignet hat, entsagen, sind die beiden großen Auf gaben des Forschuugsrciscndcn. Wer sie in gehöriger Weise zu erfüllen vermag, wird seine Reise beendigen und seine Mission erfüllen." Zahlreiche nach Süden strömende Flüsse, darunter den Cunene, Cubango und Cutato, überschreitend, kam er in das Land der Ganguellas von Caquingue, welche den speciellen Namen der Gonzellos führen und als Eisenarbeiter und Händler mit Eisenwaaren eines besondern Rufes sich er freuen. In den kältesten Monaten (Juni und Juli) ver lassen sie ihre Hcimath und schlagen in der Nähe der sehr ergiebigen Eisemnincn große Lager auf. Um das Erz zu gewinnen, graben sie runde Löcher oder Schachte von 10 Globus XXXIX. Nr. 21. 42