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306 Dr. Gustav Nachtigal's Reise nach Baghirmi 1872. hatte, nicht weniger als sechs Mal, wobei er sich jedesmal in dem lehmigen Wasser wälzte; das eine Mal mußte er sogar von mehreren Leuten aus dem aufgeweichten Thon boden, in welchem er bis zur Hüfte steckte, herausgezogen werden. Begreiflicher Weise beschleunigte das nicht gerade seine Genesung. Beim Sultan von Ndam gelang es ihm nicht, trotz seines Kingiam (königlicher Bote) Getreide zu erhalten, und er mußte für horrende Preise Lebensmittel auf Borg kaufen, um seine Leute vor dem Hungertode zu retten. Am 3. August näherten sie sich in nordwestlicher Rich tung dem Ba-Jli und wateten am 4. bis gegen Mit tag in dessen Gewässer. Wie zum Hohn kamen sie täglich bei den üppigsten Getreidefeldern vorbei, die nur des Schnit ters warteten; mit Mühe nur konnten sie ihre zu Schatten abgemagerten Leute von Plünderungen abhalten, welche ihnen in dieser ohnehin feindlich gesonnenen Gegend theuer zu stehen gekommen wären. Einer der schwierigsten Tage der ganzen Rückreise war der 6. August. Das Fehlen eines allgemein anerkannten Führers hatte zur Folge, daß die eine Hälfte der Karawane eine nördliche Richtung cin- schlug, während die besser berichtete andere Hälfte einen südwestlichen Umweg machte, um aufgeweichte Thongegenden zu vermeiden. Nachtigal selbst gerieth mit den Ochsen und dem Packpferde auf den nördlichen Weg, dessen Andenken im schwerlich jemals aus der Erinnerung verschwinden wird. Nicht allein stürzte das Packpferd auf Thonboden alle fünf Minuten und war dann kaum zum Aufstehen zu bewegen; nicht allein siel der Reisende so oft mit seinem ausgehunger ten schwachen Reitpferde, daß er verzweifelt zuletzt Schuhe und Hosen ablegte und, das arme Thier am Zügel nach zerrend, so gut als möglich sich durch den klebrigen Sumpf Abschlachtung kranker Sklaven. arbeitete: sondern selbst die in solchem Boden sonst so siche ren Ochsen schienen den Tcrrainschwierigkeiten nicht ge wachsen. Wie oft mußte die abgeworfcne Elfenbcin- ladung aus dem Sumpfe hervorgezogen und auf den Schul tern von Menschen auf einen verhültnißmäßig trockenen Ort getragen werden, bis man die Ochsen aus dem zähen Brei befreit hatte! Das Packpfcrd schien diesen Tag nicht überleben zu sollen. Näherte man sich einer verdächtigen Stelle, so wagten sich die entmuthigten Thiere nur zitternd hinein: des Sturzes und der grausamen Prügel waren sie sicher. Mehrmals kam Nachtigal der Gedanke, die Ele- phantenzähne im Stiche zu lassen, alles übrige wenige Ge päck auf die Ochsen zu laden und diese zu besteigen; denn er selbst war so krank und erschöpft, daß seine Kniee zit terten, und die Durchstampfnng dieses Breies so mühsam, daß sein Kräftezustand die Anstrengung kaum auszuhalten vermochte. In dieser Weise mühten sie sich bis I Uhr Mittags ab und rasteten dann in einem verlassenen Dorfe inmitten einer unglaublich üppigen Natur. Zu den Leiden des Tages kam der Mangel einer wasserdichten Hütte, sintfluth- artige Gewitterregen und der Hunger, da die Hälfte von Nachtigal's Leuten dem andern Wege gefolgt waren. Der folgende Tag war leider nur eine vermehrte und verbesserte Auflage des vorigen. Von Morgens 6 bis Mittags 1 Uhr mußten sie sich durch Terrain hindurcharbeiten, zäher, grundloser, heimtückischer durch verborgene Gruben, als Tags zuvor. Thiere und Menschen waren der Verzweif lung und der Ohnmacht nahe, als sie um die angegebene Zeit auf den Weg, welchen ihre Gefährten gezogen waren, stießen, der auf Sandboden verlief. Im Laufe des Nach mittags erreichten sie ihre Gefährten selbst und am folgen den Tage wurde ihnen der ersehnte Anblick des Schari zu Theil; am Mittag des 9. August lagerten sic gegenüber